Formen der Eltern- und Familienarbeit in der Jugendhilfe (1) - Kooperationsansätze

Helmut Adler

1. Einleitung

Im Rahmen der Jugendhilfe ist es in der Regel notwendig, daß Fachkräfte einer Einrichtung in irgendeiner Form mit der Familie oder den Bezugspersonen eines Kindes zusammenarbeiten (Thiersch, 1992). Teilweise besteht auch der Bedarf, den Eltern angesichts der bestehenden familiären Probleme Hilfe bei der Bewältigung bestimmter Erziehungsprobleme oder andere Hilfestellungen anzubieten. ...

Die folgende Darstellung beschreibt in einer Übersicht verschiedene Formen und Methoden der Arbeit mit Eltern und Familien, die in der Praxis stationärer, teilstationärer und ambulanter Hilfeformen der Jugendhilfe verwendbar sind. Im vorliegenden ersten Teil werden Aspekte der Kooperation mit Eltern beschreiben. Außerdem wird auf einige organisatorische Voraussetzungen sowie auf fachliche Voraussetzungen der Fachkräfte in der Jugendhilfe für die Arbeit mit Eltern und Familien eingegangen. Der zweite Teil wendet sich Ansätzen des Elterntrainings und therapeutischen Familieninterventionen zu.

2. Formen von Elternarbeit

Unter Elternarbeit werden hier in einem eher umfassenden Sinn alle Kontakte verstanden, die sich zwischen Eltern, Fachkräften und Kindern formell oder informell ergeben (Conen, 1996). Dabei werden auch Familien mit nur einem Elternteil als Eltern bezeichnet. Es existieren auch spezifischere Definitionen, die entweder nur geplante und durchgeführte Kontakte mit der Herkunftsfamilie umfassen (Büttner, 1980) oder Elternarbeit aufgrund von Zielgerichtetheit, Kontinuität und Intensität definieren (Planungsgruppe Petra, 1987). Solche Definitionen schließen allerdings von vornherein bestimmte Formen von Kontakten mit Eltern aus, die im Alltag der Jugendhilfe von Bedeutung sind.

Im Rahmen der Arbeit mit Eltern und Familien in der Jugendhilfe lassen sich drei grundlegende Formen unterscheiden, denen sich auch unterscheidbare methodische Ansätze zuordnen lassen:

  • Kooperationsansätze gehen davon aus, daß mit Eltern zusammengearbeitet wird, um die Erziehung der Kinder gemeinsam durchzuführen. Dies ist im Rahmen der Hilfen zur Erziehung regelmäßig der Fall, wenn die Erziehungsfunktion der Eltern durch Fachkräfte zeitweilig ergänzt wird. Die Kinder werden in verschiedenen Alltagssettings durch verschiedene Personen betreut und erzogen. Diese Alltagssettings müssen zwischen den Eltern und den Fachkräften in der Jugendhilfe abgestimmt werden, was auf beiden Seiten die Bereitschaft zur einer solchen Kooperation voraussetzt. Grundelemente dieser Kooperation sind der Austausch von Informationen, die Koordination der unterschiedlichen Alltagssettings sowie die Gestaltung der Übergabe- bzw. Schnittstellensituationen zwischen diesen Alltagssettings. Als weitere Elemente können die Abstimmung der Gestaltung der Alltagssituationen bzw. Alltagssettings zwischen einer Einrichtung und der Familie sowie gegebenenfalls die Koordination von Erziehungsstilen hinzukommen.
  • Beratungsansätze und Elterntraining beinhalten die Förderung der Erziehungsfähigkeit der Eltern. Dies setzt voraus, daß Defizite in der Erziehungsfunktion der Eltern vorhanden sind, und daß ein Auftrag und die Bereitschaft der Eltern für die Arbeit an diesen Defiziten mit bestimmten Methoden besteht. Beratungsansätze und Elterntraining zielen in erster Linie auf eine Veränderung spezifischer Verhaltensweisen, nicht auf umfassendere Verhaltensänderungen oder Persönlichkeitsmodifikationen der Eltern oder auf übergreifende Aspekte der familiären Interaktion. Beratungsansätze und Elterntraining haben eine angemessene Kooperation zur Voraussetzung, gehen aber darüber hinaus. Beratungsansätze und Elterntraining lassen sich dadurch voneinander unterscheiden, daß Beratung vorwiegend in Form von Gesprächen eine Modifikation des elterlichen Verhaltens zu erreichen versucht, während Elterntraining stärker eine Anleitung auf der konkreten Handlungsebene beinhaltet. Beide Ansätze streben die gezielte Änderung der elterlichen Verhaltensweisen im Hinblick auf die Gestaltung von Alltagssituationen sowie die Änderung von Erziehungsstilen bei den Eltern an. Elterntraining und Beratungsansätze definieren sich durch die bewußte und geplante Beeinflussung einzelner Aspekte des elterlichen Erziehungsverhaltens mit bestimmten Methoden (Elterngespräche, Informationsvermittlung, Verhaltensmodifikation und andere). Änderungen bei den Eltern (die spontan im Rahmen der Kooperation mit Eltern durchaus auftreten können), werden bei der Elternberatung und beim Elterntraining bewußt und zielgerichtet mit bestimmten Methoden intendiert, eventuell innerhalb eines vereinbarten oder festgelegten Zeitraums.
  • Therapeutische Familieninterventionen gehen davon aus, daß tiefgreifende Veränderungen bei einzelnen Elternteilen oder Veränderungen im gesamten System der Familie notwendig sind. Solche Ansätze beziehen das Kommunikations- und Interaktionssystem der gesamten Familie ein und beinhalten oft die Veränderung im System und den Lebenszusammenhängen der Familie. Therapeutische Familieninterventionen setzen voraus, daß ein Auftrag zur Veränderung des Familiensystems sowie die entsprechend Bereitschaft der Mitglieder des Systems vorhanden ist. Sie kennzeichnen sich durch die strukturierte Arbeit mit dem Gesamtsystem der Familie. Die therapeutischen Ansätze können sich auf einzelne Familienmitglieder, das Elternpaar oder an die gesamte Familie (in manchen Fällen sogar an das erweiterte Familiensystem) richten. Therapeutische Familieninterventionen gehen über Elterntraining und Beratungsansätze insofern hinaus, daß eine Veränderung nicht nur in spezifischen Aspekten des elterlichen Erziehungsverhaltens, sondern im gesamten Interaktionssystem der Familie bzw. bei verschiedenen Aspekten, die den familiären Lebenszusammenhang betreffen, mit bestimmten Interventionen intendiert sein können.

Diese drei Arbeitsformen der Arbeit mit Eltern und Familien lassen sich zwar in der praktischen Arbeit nicht scharf voneinander abgrenzen, unterscheiden sich aber dadurch, daß unterschiedliche Aufträge und Ziele vorhanden sind und mit unterschiedlichen Methoden unter verschiedenen organisatorischen Rahmenbedingungen gearbeitet wird:

  • Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß im Rahmen der Arbeit der pädagogischen Fachkräfte in der Jugendhilfe die Kooperation mit Eltern unabdingbar ist.
  • Die Durchführung von Beratungsansätzen oder Elterntraining kann in diesem Rahmen ebenfalls durchgeführt werden, setzt aber einen konkreten Auftrag und zeitliche und fachliche Ressourcen für die Durchführung voraus.
  • Therapeutische Familieninterventionen erfordern eine Reihe struktureller Voraussetzungen, da die therapeutische Beeinflussung einzelner Personen oder des Familiensystems eine strukturelle Außenposition des Therapeuten erfordert; zumindest ist eine solche Position vorteilhaft für die Arbeit. Für die Durchführung von therapeutischen Familieninterventionen ist der Einbezug einer entsprechend ausgebildeten Fachkraft (z.B. interne Fachdienste, Fachkräfte von Beratungsstellen u.a.), die nicht direkt in der Betreuung der Kinder und Jugendlichen mitarbeitet, notwendig oder zumindest sinnvoll.

3. Voraussetzungen der Elternarbeit

Eine wesentliche Voraussetzung für eine angemessene Elternarbeit ist, daß, neben einer gründlichen Abklärung des Hilfebedarfs eines Kindes, eine Abklärung des Hilfebedarfs und der Motivation der Eltern vorgenommen wird. Fachkräfte in Einrichtungen der Jugendhilfe müssen also einerseits den familiären Zusammenhang und die familiären Hintergründe erfassen können, die dazu geführt haben, daß Kinder in Einrichtungen betreut werden, denn selbst Ansätze der Kooperation erfordern ein Verständnis der Lebenssituation einer Familie. Andererseits ist es notwendig, daß Interventionen in einer Familie begründet werden können und auf theoretisch begründbaren und methodisch strukturierten Arbeitsweisen beruhen. Dies ist die Voraussetzung dafür, daß gezielte Interventionen in der Familie durchgeführt werden.

Bei allen Formen der Arbeit mit Eltern und anderen Bezugspersonen der Kinder ist der Erfolg der Kooperation mit Eltern nicht zuletzt davon abhängig, ob seitens der Fachkräfte geeignete Kommunikationsschritte und -formen gewählt werden:

  • Eine gründliche Auftragsklärung ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Kooperation zwischen Fachkräften und Eltern. Zu Beginn der Betreuung des Kindes sollte der Auftrag mit den Eltern geklärt werden. Auch bei Kooperationsproblemen im Verlauf der Betreuung ist es sinnvoll, den Auftrag jeweils neu zu klären und gegebenenfalls neu zu definieren. Der Hilfeplan und die Fortschreibungen der Hilfeplanung bieten ebenfalls die Möglichkeit, den Auftrag und die Kooperation mit den Eltern zu thematisieren.
  • Die Umgebung, in der die Gespräche stattfinden, trägt wesentlich zur Gesprächsatmosphäre bei. Deswegen ist ein geeigneter Raum eine wichtige Voraussetzung für eine angemessene Durchführung von Kontakten mit den Eltern. Besuche bei den Eltern tragen dazu bei, die Lebensumstände der Eltern kennenzulernen und den Eltern zu signalisieren, daß diese Lebensumstände von den Fachkräften akzeptiert werden.
  • Der Kommunikationsstil der Fachkräfte ist von großer Bedeutung. Eine höfliche, verständnisvolle und gleichzeitig sachliche Gesprächsführung sind wesentliche Voraussetzungen dafür, daß eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Eltern entstehen kann. Dies schließt nicht aus, daß Konfliktsituationen oder Auseinandersetzungen auftreten. Bei schwierigen Gesprächen ist es sinnvoll und oft notwendig, daß zwei Fachkräfte gemeinsam die Gespräche führen.
  • Geeignete Kommunikationsformen der Fachkräfte sind eine wesentliche Voraussetzung für die Arbeit mit den Eltern. Klare Informationen und klare Absprachen vermeiden Mißverständnisse und Irritationen. Eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Absprachen am Ende eines Kontakts ist hilfreich, damit diese im Gedächtnis haften bleiben. Eine schriftliche Fixierung von Absprachen ist sehr sinnvoll, um die Arbeit mit den Eltern zu dokumentieren und Vereinbarungen festzuhalten.

Die Kommunikation der Fachkräfte basiert in der Regel auch auf deren Werthaltungen und deren Einstellungen allgemeiner Art wie auch gegenüber einzelnen Elternpaaren oder Elternteilen. Folgende Leitlinien sind in diesem Zusammenhang für die Atmosphäre der Zusammenarbeit mit Eltern von Bedeutung (Conen, 1996):

  • Fachkräfte und Eltern arbeiten gemeinsam (Hand in Hand) an der Erziehung der Kinder. Dies bedeutet, daß die gemeinsame Arbeitsbasis die Sorge um das Wohl des Kindes und dessen Entwicklung ist. Selbst wenn unterschiedliche Erziehungsstile oder unterschiedliche Auffassungen zu einzelnen Punkten der Erziehung vorhanden sind, sollte immer wieder diese gemeinsame Basis ins Blickfeld gerückt werden.
  • Die generelle Aufgabe der Fachkräfte ist es, Hilfe zu Erziehung für die Eltern anzubieten. Dies beinhaltet, daß die Eltern in ihrer Erziehungsfunktion unterstützt werden. Professionelle Hilfe zur Erziehung beinhaltet auch das Bewußtsein, daß diese Hilfe nur punktuell und nur über einen gewissen Zeitraum notwendig sein wird (außer eine Hilfe zur Erziehung hat die Verselbständigung von jungen Menschen zum Ziel). Danach sollen die Eltern wieder die vollständige Erziehungsfunktion übernehmen.
  • Fachkräfte und Eltern gehen eine Partnerschaft auf Zeit ein, solange sie bei der Erziehung der Kinder kooperieren. Partnerschaft setzt Wärme und Offenheit voraus und die Bereitschaft, trotz möglicher schwieriger Situationen miteinander zu kooperieren.
  • Eine positive Einstellung gegenüber den Eltern, die die Eltern annimmt, deren Selbstbewußtsein stärkt, sie stützt und berät und ihnen letztlich die Verantwortlichkeit für ihr Kind überläßt, ist von großer Bedeutung.
  • Um eine angemessene Kooperation zu erreichen, ist ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Eltern notwendig, insbesondere angesichts eines Erziehungsauftrags der Fachkräfte, der in vielen Fällen lediglich auf Zeit angelegt ist.
  • Von Bedeutung ist außerdem eine ausreichende Sensibilität im Hinblick auf Problemlage und Lebenssituation der Familie, die auch das Wertesystem der Eltern berücksichtigt und Interventionen an die individuellen Gegebenheiten der Familie anpaßt.
  • Elternarbeit erfordert die Fähigkeit, eine produktive Kommunikation zwischen Kindern und Eltern herstellen zu können und destruktive Interaktionen zwischen den Familienmitgliedern unterbrechen zu können.
  • Ein bedeutendes Ziel der Elternarbeit ist es, Hilfe für die Eltern bereitzustellen, um ihre elterlichen Aufgaben wieder wahrnehmen zu können, ihre Autorität wieder zu erlangen und alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
  • Die Anerkennung der elterlichen Rechte und Fähigkeiten, die die Eltern als Personen mit anderen Interessen und Bedürfnissen wahrnimmt und akzeptiert, stellt eine grundlegende Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit dar.
  • Der schrittweise Rückzug aus der Kontrolle und Verantwortung für das Kind in dem Maß, in dem die Eltern einen größeren Teil der Verantwortung übernehmen möchten, ist letztlich das Ziel der Hilfe zur Erziehung.

Zum Aufbau angemessener Einstellungen und Kommunikationsstile in der Kooperation mit Eltern sowie zur Korrektur eventuell unangemessener Haltungen eignen sich kollegiale Rückmeldungen, konkretes handlungsorientiertes Training sowie Supervision. Darüber hinaus ist zu prüfen, inwieweit strukturelle Voraussetzungen der jeweiligen Einrichtung die genannten Kommunikationsweisen und Haltungen bei den Fachkräften fördern (Conen, 1996).

Zum Verständnis der Verarbeitungsprozesse bei Eltern, die eine Hilfe zur Erziehung erhalten, ist auch von Bedeutung, daß die Fachkräfte sich darüber im Klaren sind, daß die Inanspruchnahme einer Hilfe zur Erziehung von Eltern in vielen Fällen als eigenes Versagen empfunden wird, das mit Hilfe der Abwehrmechanismen abgewehrt oder in Form eines Trauerprozesses adäquat verarbeitet wird (Günder, 1989). Es lassen sich folgende Abwehrmechanismen unterscheiden:

  • Rationalisierung: Handlungen oder Gefühle, die leidvoll, destruktiv oder unvernünftig waren, werden im Nachhinein als sinnvoll und angemessen interpretiert.
  • Isolierung und Abspaltung: Zwei sich eigentlich ausschließende Vorstellungen oder Handlungen haben nebeneinander Bestand, trotz der bestehenden Widersprüchlichkeit oder fehlenden Logik.
  • Projektion: Gefühle oder Verantwortungsbereiche werden auf Andere übertragen, weil so Ängste und Unzufriedenheit aufgrund des Verhaltens Anderer erklärbar sind, und ihre Ursache im eigenen Gefühl oder Handeln nicht realisiert werden muß.
  • Verdrängung: Gefühle oder Impulse, die schmerzlich sind oder sich gegen die eigene Person richten, werden vernichtet oder vergessen.
  • Reaktionsbildung (Verkehrung ins Gegenteil): Es werden den eigentlichen Gefühlen oder Impulsen genau entgegengesetzte Gefühle oder Handlungen produziert. Verdrängung führt oft zu einer Reaktionsbildung.
  • Identifikation: Als Form der Abwehr von Konflikten dient die Identifikation mit einer anderen Person dazu, die eigenen Gefühle und Impulse durch die Gefühle und Impulse einer anderen Person zu ersetzen. Oft erfolgt eine Identifikation mit derjenigen Person, die einen selbst bedroht.
  • Phantasie: Die Flucht in Phantasien oder Tagträume dient dazu, eigene Gefühle oder eigenen Schmerz nicht fühlen zu müssen.
  • Rückzug: Der Rückzug in Gleichgültigkeit (bis zur Apathie) drückt aus, daß jemand aufgegeben hat, sich mit den eigenen Gefühlen und der eigenen Lebenssituation auseinanderzusetzen.

Abwehrmechanismen bei den Eltern sollten durch die Fachkräfte respektiert werden, denn sie dienen auch der Verarbeitung einer belastenden Situation. Wenn Eltern Trauerreaktionen zeigen, sollte darauf in einfühlsamer Weise reagiert werden und die Eltern sollten in der Bewältigung dieser Trauerreaktionen und beim Aufbau einer realistischen, zukunftsorientierten Sichtweise unterstützt werden.

4. Formen der Kooperation

Kooperation mit Eltern und Familien der Kinder und Jugendlichen, die in stationären und teilstationären Gruppen betreut werden, stellt eine unabdingbare Form der Elternarbeit dar und ist gleichzeitig eine notwendige Basis für alle weiteren Formen der Arbeit mit Eltern und Familien. Die grundsätzliche Notwendigkeit der Gestaltung einer kooperativen Arbeitsbeziehung zwischen Fachkräften der Jugendhilfe und Familien wird daher auch von verschiedenen Autoren betont (z.B. Schindler, 1996; Heekerens, 1993). In der Praxis der Jugendhilfe haben sich verschiedene Arbeitsformen und Methoden herauskristallisiert (Verband katholischer Einrichtungen der Heim- und Heilpädagogik, 1992). Außerdem existieren spezifische Formen der Arbeit mit Eltern als regelmäßige Elternkreise, die durch einen externen Moderator moderiert werden (Huber, Deubelius & Müller-Harder, 1987), und es finden sich spezifische Formen und Aspekte der Arbeit mit Eltern, die sich aufgrund familiärer Lebenslagen ergeben (Dusolt, 1993).

Die Formen der Kooperation mit den Eltern lassen sich durch Kontaktintensität, Frequenz, Methoden und Dokumentationsformen unterscheiden (vgl. Tab. 1). In der Regel ist eine Kombination verschiedener Kooperationsformen notwendig, die einander ergänzen und entsprechend der pädagogischen Notwendigkeiten eingesetzt werden können. Die Kooperation mit Eltern setzt aber bestimmte organisatorische Aspekte voraus, insbesondere bestimmte zeitliche Ressourcen und in der Regel eine bestimmte Frequenz, die notwendige Voraussetzungen für eine strukturierte Arbeit darstellen.

Nr

Arbeitsform

Arbeitsziele

Kontakt-
intensität

Sinnvolle Frequenz

Methoden

Dokumen-
tation

 

 

1

2

3

4

5

6

 

 

 

 

1

Hausaufga-
benbuch

X

 

 

 

 

 

niedrig

täglich

Einträge in Tages- oder Wochenplan

Tages- oder Wochenplan

2

Briefe

X

X

 

 

 

 

niedrig

nach Bedarf

Schriftlicher Kontakt

Kopie des Briefs

3

Telefonat

X

X

 

 

 

   

mittel

1 x pro Woche

Telefonischer Kontakt

freie Notiz oder Kontaktliste

4

Kurzkontakt

X

X

 

 

 

 

mittel

1 x pro Woche

Kurzer persönlicher Kontakt

freie Notiz oder Kontaktliste

5

Eltern-
gespräch

X

X

X

X

 

 

hoch

1 x pro Monat

Strukturiertes Gespräch

Dokumenta-
tionsbogen oder Protokoll

6

Hausbesuch (bei den Eltern)

 

X

X

X

 

  

hoch

nach Bedarf

Längerer persönlicher Kontakt in der Wohnung der Eltern

Dokumenta-
tionsbogen oder Protokoll

7

Gruppen-
besuch (der Eltern in der Gruppe)

 

X

X

X

 

 

hoch

nach Bedarf

Längerer persönlicher Kontakt in der Einrichtung

Dokumenta-
tionsbogen oder Protokoll

8

Hilfeplan-
gespräch

 

 

X

X

X

hoch

halbjährlich (und bei Bedarf)

Strukturiertes Gespräch zur Hilfeplanung mit der Fachkraft im Jugendamt

Hilfeplan-
protokoll

9

Konflikt-
gespräch

 

 

 

X

 

X

hoch

nach Bedarf

Strukturiertes Gespräch zur Klärung von Konflikten

Protokoll

10

Elterntreff

 

 

 

X

 

X

hoch

1 x pro Quartal

Strukturierte Veranstaltung für alle Eltern

Protokoll

11

Elternwo-
chenende

 

 

 

X

 

X

hoch

nach Bedarf

Strukturierte Arbeits- und Freizeit-
veranstaltung für Eltern

Protokoll

12

Moderierter Elternkreis

 

X

X

X

 

X

hoch

1-2 x pro Quartal

Strukturierte und regelmäßige Veranstaltung für Eltern und Erzieher, Moderation durch einen externen Moderator

Protokoll (i.d.R. durch Moderator)

Tabelle 1: Übersicht über Formen der Kooperation mit Eltern (*Arbeitsziele: 1 = Informationsaustausch, 2 = Koordination von Übergabesituationen, 3 = Koordination von Alltagssituationen, 4 = Koordination von Erziehungsstilen, 5 = Hilfeplanung, 6 = Bewältigung von Konfliktsituationen).

 

Es lassen sich verschiedene Formen der Kooperation mit jeweils unterschiedlichen inhaltlichen und methodischen Aspekten unterscheiden, die in der Regel auch eine bestimmte Kontaktintensität zu den Eltern, eine bestimmte Frequenz und bestimmte Arten von Dokumentation nahelegen. Diese Arbeitsformen werden in der Regel kombiniert, um bestimmte Arbeitsziele in der Arbeit mit den Eltern zu erreichen:

  1. Der Informationsaustausch dient dazu, wichtige Aspekte des Verlaufs der jeweiligen Betreuungszeiten zwischen Eltern und Fachkräften in Einrichtungen auszutauschen. Hierzu kommen vor allem die Führung eines Hausaufgabenbuch, Briefe, Telefonate und Kurzkontakte in Frage. Hausaufgabenbuch und Briefe stellen selbst schon Dokumentationen dar. Die Dokumentation von Telefonaten und Kurzkontakten kann über eine Liste der Kontakte mit den Eltern, die Kurznotizen zu den einzelnen Kontaktterminen enthält, oder über Protokolle erfolgen.
  2. Die Koordination von Übergabesituationen zwischen den Alltagssituationen bezieht sich auf die Gestaltung der Situationen, bei denen das Kind das Lebensfeld und die Bezugspersonen wechselt. Die 'Schnittstellen' zwischen den verschiedenen Lebenssituationen in Einrichtungen und bei den Eltern haben deswegen eine besondere Bedeutung, weil hier einerseits in der Regel Informationsaustausch zwischen Fachkräften und Eltern stattfindet und andererseits über die konkrete Ausgestaltung dieser Schnittstellen das Verhältnis zwischen Eltern und Fachkräften in wesentlichen Aspekten definiert wird. Zur Absprache mit den Eltern bezüglich der Gestaltung und Koordination dieser Übergabesituationen sind ausführlichere Gespräche notwendig (die im Rahmen von Hausbesuchen bei den Eltern, Besuchen der Eltern in der Einrichtung oder Elterngesprächen erfolgen können); diese kann auch im Rahmen von Hilfeplangesprächen erfolgen. Die Dokumentation der Absprachen kann in Dokumentationsbögen oder Protokollen erfolgen.
  3. Die Koordination von Alltagssituationen der Kinder erfordert in der Regel Elterngespräche, bei denen die Abstimmung der jeweiligen Alltagssituationen erfolgt. Hierbei ist das Ziel, Alltagssituationen gemäß gemeinsamer Absprache zu gestalten. Dies ist in vielen Fällen besonders zu Beginn der Hilfe zur Erziehung notwendig. Eine solche Koordination der Alltagssituationen, die die Kinder erleben, ist sinnvollerweise Teil der Hilfeplanung und deren Fortschreibung. Im Verlauf der Hilfe zur Erziehung sind in vielen Fällen in gewissen Abständen Koordinationsgespräche zusätzlich zu den Hilfeplangesprächen notwendig. Die Dokumentation kann in Dokumentationsbögen oder Protokollen erfolgen.
  4. Die Koordination von Erziehungsstilen beinhaltet die Abstimmung von Verhaltensweisen und Regeln zwischen Eltern und Fachkräften. Sie ist in der Regel integraler und notwendiger Bestandteil der Hilfe zur Erziehung. Wenn unterschiedliche Erziehungsstile und Regelsysteme zu einer Belastung für die betreuten Kinder werden oder den Zielen der Erziehung entgegenstehen, sind die Überprüfung und die Koordination von Erziehungsstilen in einem Hilfeplangespräch sinnvoll. Als Arbeitsformen eigenen sich alle genannten Kooperationsmethoden. Die Dokumentation kann in Dokumentationsbögen oder Protokollen erfolgen.
  5. Hilfeplangespräche dienen neben der Planung der Hilfe für das Kind auch immer der Kooperation und der Absprache mit den Eltern. Sie finden regelmäßig unter Einbezug der zuständigen Fachkraft im Jugendamt statt, das in der Regel auch die Hilfeplanung dokumentiert.
  6. Die Bewältigung von Konfliktsituationen zwischen Eltern und Fachkräften, die auch bei der Bereitschaft beider Seiten zu einer produktiven Kooperation immer wieder auftreten können, setzt Kompromißbereitschaft voraus. Darüber hinaus erfordert sie die Fähigkeit zum Umgang mit solchen Konflikten sowie Strategien zur Deeskalation von Konflikten. Für die Klärung von Konflikten sind gesonderte Konfliktgespräche sinnvoll, die von Elterngesprächen unterschieden werden sollten. Teilweise sind konflikthafte Verläufe in der Kooperation zwischen Eltern und Fachkräften nur unter Einschaltung einer unbeteiligten dritten Instanz (z.B. Fachdienste der Jugendhilfeeinrichtung, Fachkräfte aus der Erziehungsberatung, Fachkräfte des Jugendamts) zu bewältigen. Die Dokumentation kann in Dokumentationsbögen oder Protokollen erfolgen.

Teilweise ist es sinnvoll, die Arbeit mit Eltern in Gruppen durchzuführen. Dies bietet sich immer dann an, wenn spezifische Ziele für mehrere Eltern erreicht werden sollen. Solche Ziele können die Pflege von Kontakten zu den Eltern sein, die Vermittlung bestimmter Informationen oder die Bearbeitung spezifischer Themen, die mehrere Familien betreffen. Hierfür eigenen sich Elterntreffs oder Elternwochenenden. Eine besondere Form der Arbeit mit Gruppen von Eltern stellt der moderierte Elternkreis dar (Huber, Deubelius & Müller-Harder, 1987). Die Eltern und die Fachkräfte der Einrichtung treffen sich mit einem Moderator in regelmäßigen Abständen, um alle relevanten Belange der pädagogischen Arbeit und der Kooperation miteinander zu besprechen. Daher eignet sich diese Form der Elternarbeit für verschiedenste Ziele. Die Dokumentation erfolgt üblicherweise durch den Moderator.

Teilweise ist bei den Eltern der Wunsch vorhanden, bestimmte Aspekte ihres Erziehungsverhaltens oder ihrer familiären Situation zu ändern. Teilweise zeigt sich, daß die Kooperation mit den Eltern unbefriedigend ist im Hinblick auf die Ziele der Hilfe, die in der Regel eine Rückführung der Kinder in den Haushalt der Eltern vorsieht; oder die Kooperation mit den Eltern stößt an Grenzen. In all diesen Fällen erscheint es sinnvoll oder notwendig, andere und weitergehende Formen der Elternarbeit, wie Elterntraining oder therapeutische Ansätze, zu verwenden. Auf solche Ansätze in der Arbeit mit den Eltern geht der zweite Teil ein.

Autor

Dr. phil. Helmut K. Adler, Dipl.-Psych./Soziologe (M.A.). Berufliche Tätigkeit: Leitung einer teilstationären Abteilung im Projekt Petra (http://www.projekt-petra.de); freiberufliche Tätigkeiten als Dozent (FH), Fortbildungen, Beratung und Supervision

Arbeitsschwerpunkte:

  • Ambulante Hilfen zur Erziehung/therapeutische Hilfen für Familien
  • Fortbildung, Supervision, Beratung und Organisationsentwicklung
  • Lehraufträge (FH) für Soziale Arbeit, Sozialarbeitswissenschaft

Email: h.k.adler@t-online.de

Quelle

Aus: Unsere Jugend 2001, Heft 4, S. 149-158. Eingestellt am 10.06.2002. Vier Sätze mit veralteten Zahlen wurden im März 2015 von den Herausgebern gelöscht (markiert durch: "..."), da der Autor nicht erreicht werden konnte.