Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Jugendämter, Landesjugendämter

Robert Sauter

Die institutionelle Grundstruktur der Kinder- und Jugendhilfe

Mit der Bestimmung der Träger wird geklärt, welche Institutionen für die Durchführung der einzelnen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist. Sie werden in den Allgemeinen Vorschriften des SGB VIII in § 3 genannt:

§ 3 Freie und öffentliche Jugendhilfe

(1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen.

(2) Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Leistungsverpflichtungen, die durch dieses Buch begründet werden, richten sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Ausführung betraut werden.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird hierfür meist die Bezeichnung als öffentliche bzw. freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe verwendet. Träger der freien Jugendhilfe sind im Wesentlichen die Jugend- und Wohlfahrtsverbände, die Kirchen, Fachorganisationen und deren Zusammenschlüsse. Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind in der Regel die Jugendämter und die Landesjugendämter als kommunale bzw. staatliche Fachbehörden.

"Öffentliche Jugendhilfe als Teil der staatlichen Leistungsverwaltung bedarf für ihr Handeln einer sicheren, für den Bürger und die Verwaltung verständlichen Rechtsgrundlage" (Gesetzesbegründung 1989). Behörden können also nur in dem Umfang und in der Weise tätig werden, wozu sie durch entsprechende Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen) ermächtigt sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die behördliche Tätigkeit "mit Eingriffen in die Rechtssphäre des Bürgers verbunden" ist (a.a.O.), also zum Beispiel aus Gründen des Kindeswohls in das elterliche Erziehungsrecht eingegriffen wird oder bestimmte Tätigkeiten unter einem Erlaubnisvorbehalt stehen.

Hieraus ergibt sich eine wesentliche und durchgängige Grundnorm der öffentlichen Jugendhilfe. Zwar ist ihr Zweck "die Förderung der Erziehung und Entwicklung junger Menschen. Bei der Wahl der Mittel hat die Jugendhilfe die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach Artikel 6 Abs. 2 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht, d.h. der öffentlichen Jugendhilfe kommt - im Gegensatz zur Schule (Artikel 7 GG) - kein eigenständiger Erziehungsauftrag zu. Für die Praxis der Jugendhilfe bedeutet dies, dass Leistungen der Jugendhilfe - jedenfalls sofern sie unterhalb der Schwelle des staatlichen Wächteramts, d.h. einer konkreten Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen, ansetzen - Kindern und Jugendlichen nur mittelbar, nämlich über eine Unterstützung der Eltern zugute kommen können. ... Solange elterliches Handeln ... nicht den Tatbestand des § 1666 BGB erfüllt, also eine Gefährdung des Kindeswohles darstellt, ist die öffentliche Jugendhilfe nicht legitimiert, eigenständig die Interessen des Kindes gegen die Interessen der Eltern wahrzunehmen. Vielmehr hat sie der Grundentscheidung der Verfassung Rechnung zu tragen, die den Eltern, nicht einer staatlichen Instanz, die Wahrung der Kindesinteressen anvertraut hat" (Gesetzesbegründung 1989).

Auch dort, wo die Kinder- und Jugendhilfe die Entwicklung von Kindern in einer umfassenden, im Detail gar nicht voll zu beschreibenden Weise fördert - etwa in der Kindertagesbetreuung oder in der Jugendarbeit -, geschieht dies nicht nach eigenem Recht wie in der Schule, sondern im Auftrag und mit ausdrücklicher Billigung durch die Eltern. Eingriffe in dieses elterliche Erziehungsrecht, z.B. die Inobhutnahme eines Kindes bei schwerer Misshandlung gegen den Willen der Erziehungsberechtigten, bedürfen deshalb immer auch der Genehmigung durch das Familiengericht.

Die Unterscheidung in örtliche und überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ergibt sich aus der unterschiedlichen Aufgabenstellung. Als Grundsatz gilt, dass die örtlichen Träger für die konkrete Leistungserbringung für die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien zuständig sind, die überörtlichen Träger für die Unterstützung dieser Aufgabe in Form von fachlicher Beratung und Weiterentwicklung sowie für aufsichtliche Aufgaben.

Subsidiaritätsprinzip - das Verhältnis von Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe

Das besondere Verhältnis zwischen den Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe findet seinen Ausdruck im Subsidiaritätsprinzip als eines wichtigen Gestaltungsfaktors der Jugendhilfe, der in § 4 SGB VIII detailliert ausgeführt wird:

§ 4 Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe

(1) Die öffentliche Jugendhilfe soll mit der freien Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten. Sie hat dabei die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten.

(2) Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen.

(3) Die öffentliche Jugendhilfe soll die freie Jugendhilfe nach Maßgabe dieses Buches fördern und dabei die verschiedenen Formen der Selbsthilfe stärken.

Die Hervorhebung des Subsidiaritätsprinzips im SGB VIII hat jugendhilfespezifische historische Hintergründe. Die Wurzeln der Kinder- und Jugendhilfe in unserem heutigen Sinne liegen in Stiftungen, Diensten und Organisationen, die sich aus den Kirchen, aus der städtischen Bürgerschaft, aus der Jugendbewegung und anderen Reformbewegungen heraus bis zu Beginn des 20. Jahrhundert entwickelt hatten - ein Umstand, der schon im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1924 entsprechende Berücksichtigung fand. Begrifflich ist das Prinzip der Subsidiarität wesentlich aus der Katholischen Soziallehre des 19. Jahrhunderts heraus entstanden. Danach sollen Aufgaben und Herausforderungen vom Individuum selbstbestimmt und eigenverantwortlich bewältigt werden; erst wenn diese Anstrengung zur Überforderung führt und der Einzelne damit nicht mehr zum Ziel kommt, soll - unterstützend, d.h. subsidiär - die Gemeinschaft tätig werden. Dasselbe Prinzip gilt dann z.B. auch für das Verhältnis zwischen den politischen Ebenen: die vorrangige Verantwortung der Gemeinde, erst danach die subsidiäre Betätigung staatlicher Ebenen.

In der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe wird ein großer Teil der Aufgaben in Diensten und Einrichtungen der Träger der freien Jugendhilfe durchgeführt. Dies gilt insbesondere für die Einrichtungen der Jugendarbeit, der Kindertagesbetreuung, der Heimerziehung und der Jugend- und Familienberatung. Mit dieser Vielfalt soll auch den unterschiedlichen Vorstellungen der Eltern und Erziehungsberechtigten Rechnung getragen werden, die sich z.B. in religiösen Orientierungen oder erzieherisch-konzeptionellen Vorstellungen darstellen (siehe hierzu auch das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII).

Örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe

Nach den bis 2008 geltenden Regelungen waren als örtliche Träger die Landkreise und die kreisfreien Städte bestimmt; der überörtliche Träger wurde durch Landesrecht geregelt (§ 69 SGB VIII a. F.). Mit der Föderalismusreform von 2006 wurden die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern neu geregelt. Damit wurde der bundesgesetzliche Durchgriff auf die kommunale Ebene, wie er in dieser Bestimmung zum Ausdruck kam, aufgehoben. Nunmehr bestimmen die Länder auch, wer örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist (§ 69 Abs. 1 n. F.). In der Praxis haben sich indes durch diese Neuregelung in keinem Bundesland relevante Änderungen ergeben.

Neben den Landkreisen und kreisfreien Städten können nach Landesrecht auch kreisangehörige Gemeinden öffentliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe sein. Von diesem Recht hat z.B. Nordrhein-Westfalen aufgrund der dortigen besonderen Kommunalstruktur (große kreisangehörige Städte) Gebrauch gemacht. Dort können kreisangehörige Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen nach eigener Entscheidung in die Funktion eines öffentlichen Trägers der Jugendhilfe eintreten und eigene Jugendämter unterhalten. Dies erklärt die überdurchschnittlich hohe Zahl der dortigen Jugendämter. In einigen anderen Ländern (insbesondere Bayern) wurde kreisangehörigen Gemeinden die Zuständigkeit für einzelne Leistungsbereiche der Kinder- und Jugendhilfe übertragen (Kindertagesbetreuung, Förderung der Jugendarbeit); sie werden damit aber nicht zu Trägern der öffentlichen Jugendhilfe im umfassenden Sinne des § 69 Abs. 1 SGB VIII.

Bundesrecht bestimmt nach wie vor, dass jeder örtliche Träger ein Jugendamt, jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt einzurichten hat (§ 69 Abs. 3 SGB VIII). Diese Vorschrift ist schon deshalb notwendig, weil in zahlreichen anderen Gesetzesbereichen (z.B. im Familienrecht) die Existenz eines Jugendamts vorausgesetzt wird. Diese Bestimmungen würden andernfalls buchstäblich ins Leere laufen. Unbeschadet der Frage der Zuordnung innerhalb der Struktur der jeweiligen Kommunalverwaltung muss das Jugendamt als eine "Organisationseinheit", in der die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe im Wesentlichen zusammengeführt sind, errichtet werden. Allerdings wurden die bis zur Jugendhilferechtsreform 1989 allgemein üblichen Bezeichnung "Kreisjugendamt" (Landkreise) oder "Stadtjugendamt" (kreisfreie Städte) zwischenzeitlich häufig in andere Bezeichnungen umgewandelt, z.B. "Amt für Kinder, Jugendliche und Familie" oder "Fachbereich Familie und Jugend".

Die Jugendämter sind als kommunale Fachbehörden eingerichtet. Die Ausgestaltung und Durchführung der Aufgaben im Einzelnen fällt in den "eigenen Wirkungskreis der Gemeinde" und damit in die alleinige Zuständigkeit des Landkreises oder der Stadt. Die Jugendämter sind also keine staatlichen Unterbehörden, auf die die jeweilige Landesregierung oder die Bundesregierung mit Verwaltungsanweisungen durchgreifen könnte. Damit ist letztlich die Landrätin oder der Landrat, die Oberbürgermeisterin oder der Oberbürgermeister als Dienstherr dafür verantwortlich, was das Jugendamt tut.

Aufgaben des Jugendamts als Fachbehörde des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe

Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe zur Förderung junger Menschen und zur Unterstützung der familiären Erziehung sind in einem eigenen Leistungs- und Aufgabenkatalog aufgeführt (§ 2 SGB VIII). Er beschreibt, was im Rechtssinne unter Kinder- und Jugendhilfe zu verstehen sei.

Leistungen der Jugendhilfe sind nach § 2 Abs. 2 SGB VIII:

  1. Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14),
  2. Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21),
  3. Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege (§§ 22 bis 25),
  4. Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40),
  5. Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40)
  6. Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (§ 41).

Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind nach § 2 Abs. 3 SGB VIII:

  1. die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
  2. die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a),
  3. die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44),
  4. die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47),
  5. die Tätigkeitsuntersagung (§ 48, 48a),
  6. die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50),
  7. die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51),
  8. die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52),
  9. die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellungen und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53),
  10. die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis zur Übernahme von Vereinsvormundschaften (§ 54),
  11. Beistandschaft, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft und Gegenvormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 58a),
  12. Beurkundung (§ 59),
  13. die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60).

Die genannten "Leistungen" können von allen Trägern der Jugendhilfe durchgeführt werden. In zahlreichen Leistungsbereichen (z.B. Kindertagesbetreuung, Heimerziehung) sind - wie erwähnt - überwiegend Träger der freien Jugendhilfe tätig. Die "anderen Aufgaben" werden von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen; im Einzelfall können Träger der freien Jugendhilfe mit ihrer Ausführung betraut werden. Die Leistungsverpflichtungen richten sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 und 3 SGB VIII).

Die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ergibt sich etwas verklausuliert aus einer Negativ-Abgrenzung in § 85 Abs. 1 SGB VIII (sachliche Zuständigkeit): "Für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben nach diesem Buch ist der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist". In der Praxis sind es dann in der Regel die Jugendämter, welche diese Aufgaben durchführen, soweit sie nicht von Trägern der freien Jugendhilfe übernommen wurden.

Zur Frage, wie die öffentlichen Träger dieser Gesamtverantwortung nachkommen sollen, gibt der Gesetzgeber in § 79 SGB VIII zwar keinen detaillierten, aber doch einen orientierenden Rahmen vor:

§ 79 Gesamtverantwortung, Grundausstattung

(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung.

(2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen gewährleisten, dass zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch

1. die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen; hierzu zählen insbesondere auch Pfleger, Vormünder und Pflegepersonen;
2. eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a erfolgt.

Von den für die Jugendhilfe bereitgestellten Mitteln haben sie einen angemessenen Anteil für die Jugendarbeit zu verwenden.

(3) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für eine ausreichende Ausstattung der Jugendämter und der Landesjugendämter zu sorgen; hierzu gehört auch eine dem Bedarf entsprechende Zahl von Fachkräften..

Die Fachdiskussion zu dieser Gesamtverantwortung der öffentlichen Jugendhilfe betrifft insbesondere die folgenden Gesichtspunkte:

  • Planungsverantwortung: Sie bezieht sich zunächst auf die Jugendhilfeplanung im engeren Sinne (§ 80 SGB VIII), darüber hinaus auf die Beteiligung an benachbarten Planungsprozessen im kommunalen Bereich wie z.B. der Sozialraumplanung, der kommunalen Bildungsplanung oder der Abstimmung der "Frühen Hilfen" mit anderen Trägern des Sozial- und Gesundheitsbereichs.
  • Steuerungsfunktion: Jugendämter sollen dafür Sorge tragen, dass die verschiedenen Akteure innerhalb und außerhalb der Jugendhilfe, die zum Wohle der Kinder tätig sind, zusammenarbeiten und die Aktivitäten sinnvoll aufeinander bezogen sind. Mit dieser Steuerungsfunktion hat sich insbesondere der 14. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung von 2013 befasst.
  • Verfahrenssicherheit: Für die jungen Menschen und ihre Familien muss immer wieder deutlich gemacht werden, wie sie ihre Ansprüche auf die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe geltend machen können und in welcher Weise sie selbst an den Entscheidungsverfahren beteiligt sind, z.B. in der Hilfeplanung der Hilfen zur Erziehung nach § 36 SGB VIII.
  • Fachlichkeit: Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe müssen auf der Grundlage fachlicher Standards erbracht werden, wie sie sich u.a. aus den einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen (vor allem Sozialpädagogik, Psychologie) ergeben und in den Empfehlungen von Landesjugendämtern und anderen Fachinstitutionen zum Ausdruck kommen.
  • Anwaltsfunktion: Kinder- und Jugendhilfe hat sich grundsätzlich und vorrangig am Wohl des Kindes und am Recht eines jeden jungen Menschen "auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" zu orientieren und zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen (§ 1 SGB VIII).
  • Wächteramt: Die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe ist insbesondere dann gefragt, wenn es um den Schutz von Kindern vor Gewalt, Vernachlässigung oder andere Formen der Kindeswohlgefährdung geht. Der Gesetzgeber hat diesen Schutzauftrag in den vergangenen Jahren deutlich mehrfach präzisiert (vgl. insbesondere § 8a SGB VIII).

Verwaltungsorganisation der Jugendämter

Aufbau und Organisation der Jugendämter unterscheiden sich je nach Größe und sozialer Struktur der Stadt oder des Landkreises, nach den Kommunalverfassungen der Länder, nach kommunalpolitischen Schwerpunktsetzungen und verwaltungsinternen Richtlinien. Die Aufgaben des Jugendamts sind organisatorisch auf Abteilungen oder Sachbereiche aufgeteilt. Die Verwaltung des Jugendamtes hat die Aufgabe der Erledigung der laufenden Geschäfte. Die Mitarbeiter/innen des Jugendamts kommen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, in der Regel sind es Fachkräfte der Sozialen Arbeit, z.B. Sozialpädagog/innen, Sozialarbeiter/innen sowie Verwaltungswirte (§ 72 SGB VIII). Praktisch in jedem Jugendamt gibt es

  • einen oder mehrere Soziale Dienste (Allgemeiner Sozialer Dienst, Bezirkssozialarbeit), denen die sozialpädagogischen Fachaufgaben zugeordnet sind, häufig auch mit regionaler Aufteilung;
  • die Wirtschaftliche Jugendhilfe, die für die finanzielle Abwicklung zuständig ist (Finanzierung der Leistungen und Aufgaben, finanzielle Förderung von freien Trägern, Festsetzung von Kostenbeiträgen);
  • Amtsvormundschaft und Beistandschaft zur Wahrnehmung der rechtlichen Vertretung von Kindern und Jugendhilfe in den gesetzlich bestimmten Fällen;
  • die Jugendförderung, je nach Schwerpunkt auch der Betrieb eigener Jugendfreizeiteinrichtungen, kommunale Jugendpflege, Jugendschutz;
  • die Zentralen Dienste einschließlich Planungsaufgaben und Statistik sowie Organisationsmanagement.

Die Leiter/innen der Jugendämter sind ausgewiesene Fachleute der Kinder- und Jugendhilfe mit pädagogischer oder verwaltungswirtschaftlicher Fachausbildung und meist langjähriger Berufserfahrung. Sie sind kommunale Beamte oder Angestellte und berichten in der Regel der Leitung des Sozialdezernats oder der Sozialabteilung.

Da die Jugendämter bei ihrer Tätigkeit mit sehr persönlichen Angelegenheiten in Berührung kommen, sind sie in besonderer Weise zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen selbst sowie deren Eltern und anderer Erziehungsberechtigter verpflichtet. Hält das Jugendamt eine Entscheidung zum Wohle des Kindes für erforderlich, der die Eltern nicht zustimmen (z.B. die Herausnahme eines Kindes aus der Familie und die Unterbringung in einem Heim), so ist dafür immer die Entscheidung des Familiengerichts einzuholen. Strenge Vorschriften bestehen bezüglich des Datenschutzes, dem im Kinder- und Jugendhilferecht ein eigenes Kapitel gewidmet ist (§§ 61 bis 68 SGB VIII). Die Sozialdaten, die ein Jugendamt aus einem "Fall" gewinnt, dürfen ausschließlich zur Gewährleistung der jeweiligen Jugendhilfeaufgabe verwendet werden. Selbst wenn ein Jugendamtsmitarbeiter in der Öffentlichkeit ungerechtfertigt angegriffen wird, darf er sich nicht mithilfe der ihm zugänglichen Sozialdaten verteidigen.

Der Jugendhilfeausschuss - Zweigliedrigkeit der Jugendhilfebehörden

Das Jugendamt ist als so genannte zweigliedrige Behörde organisiert. Sie besteht aus der Verwaltung des Jugendamts (s.o.) und dem Jugendhilfeausschuss; beide bilden zusammen die behördliche Einheit "Jugendamt". Der Jugendhilfeausschuss ist damit in die Behördenstruktur integriert und gleichzeitig als beschließender Ausschuss im Rahmen der Gemeindeordnung bzw. Landkreisordnung ausgestaltet. Er setzt sich aus Repräsentant/innen des Gemeindeparlaments sowie aus Persönlichkeiten zusammen, die von den Jugend- und Wohlfahrtsverbände, den Schulen und anderen mit Erziehung und Bildung befassten Institutionen vorgeschlagen bzw. benannt werden.

Der Jugendhilfeausschuss befasst sich mit grundsätzlichen und bedeutsamen Angelegenheiten der Jugendhilfe, mit Anregungen und Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe, mit aktuellen Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien und der Entwicklung von Problemlösungen, mit der Jugendhilfeplanung und der Vorbereitung des Abschnitts "Jugendhilfe" im kommunalen Haushaltsplan (vgl. §§ 70, 71 SGB VIII sowie länderspezifische Regelungen).

Die Sonderstellung dieser Struktur im kommunalen Gefüge ergibt sich aus der weiter oben ausgeführten historischen Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. Heute wird der hervorgehobene Status des Jugendhilfeausschusses aber auch als Ausdruck der Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engagements in den Verbänden und der Bedeutung der "Zivilgesellschaft" angesehen, wie sie zur Sicherung und Weiterentwicklung des Sozialstaats unverzichtbar sind.

Überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe

Während als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe noch durchgängig die Landkreise und kreisfreien Städte bezeichnet werden konnten, stellt sich die Darstellung der überörtlichen Träger etwas vielschichtiger dar. Die meisten Länder haben sich selbst als überörtliche Träger bestimmt. In drei Fällen sind so genannte Höhere Kommunalverbände überörtliche Träger, nämlich der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe in Nordrhein-Westfalen sowie mit Teilaufgaben der Kommunale Sozialverband Mecklenburg-Vorpommern. In den beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg ist das Land sowohl örtlicher als auch überörtlicher Träger.

Bei den jeweiligen überörtlichen Trägern bestehen in allen Ländern Landesjugendämter entsprechend § 69 Abs. 3 SGB VIII. Eine Ausnahme bildet Niedersachsen, wo die Aufgaben auf andere Behörden übertragen wurden. Die staatlichen Landesjugendämter bestehen entweder als organisatorischer Bestandteil einer selbständigen Landesbehörde (Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt) oder sind innerhalb der zuständigen obersten Landesbehörden, in der Regel der Sozialministerien, organisiert. In einzelnen Bundesländern bestehen weitere Besonderheiten, z.B. die Übertragung einzelner Aufgaben auf staatliche Mittelbehörden oder untere staatliche Behörden, auf die hier nicht detailliert eingegangen werden kann. Sie müssen gegebenenfalls in den Ausführungsgesetzen der Länder nachvollzogen werden.

Wie auf der örtlichen Ebene stellt sich auch das Landesjugendamt als eine zweigliedrige Behörde dar. Es besteht aus der Verwaltung des Landesjugendamts und dem Landesjugendhilfeausschuss, dessen Zusammensetzung in § 70 SGB VIII geregelt ist.

Aufgaben des Landesjugendamts als Fachbehörde des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe

Die Aufgaben des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe und damit - mit den erwähnten Einschränkungen - der Landesjugendämter ergeben sich aus § 85 Abs. 2 SGB VIII.

§ 85 Sachliche Zuständigkeit

(2) Der überörtliche Träger ist sachlich zuständig für

1. die Beratung der örtlichen Träger und die Entwicklung von Empfehlungen zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch,

2. die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Trägern und den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe, insbesondere bei der Planung und Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und Hilfen für junge Volljährige,

3. die Anregung oder Förderung von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen sowie deren Schaffung und Betrieb, soweit sie den örtlichen Bedarf übersteigen; dazu gehören insbesondere Einrichtungen, die eine Schul- oder Berufsausbildung anbieten, sowie Jugendbildungsstätten,

4. Planung, Anregung, Förderung und Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe,

5. die Beratung der örtlichen Träger bei der Gewährung von Hilfe nach den §§ 32 bis 35a, insbesondere bei der Auswahl einer Einrichtung oder der Vermittlung einer Pflegeperson in schwierigen Einzelfällen,

6. die Wahrnehmung der Aufgaben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen (§§ 45 bis 48a),

7. die Beratung der Träger von Einrichtungen während der Planung und Betriebsführung,

8. die Fortbildung von Mitarbeitern in der Jugendhilfe,

9. die Gewährung von Leistungen für Deutsche im Ausland (§ 6 Abs. 3), soweit es sich nicht um die Fortsetzung einer bereits im Inland gewährten Leistung handelt,

10. die Erteilung der Erlaubnis zur Übernahme von Pflegschaften oder Vormundschaften durch einen rechtsfähigen Verein (§ 54).

Nach § 2 Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) sind bei den Landesjugendämtern auch die Zentralen Adoptionsstellen eingerichtet. Nach Landesrecht können den Landesjugendämtern noch weitere Aufgaben mit einem gewissen Sachzusammenhang zu den gesetzlichen Jugendhilfeaufgaben zugewiesen werden.

Die Aufgaben der Landesjugendämter haben sich seit Inkrafttreten des SGB VIII stärker in Richtung einer Fachbehörde mit der Aufgabe der Konzeptentwicklung, der Förderung der Zusammenarbeit der Träger der Kinder- und Jugendhilfe und der Fortbildung - summarisch der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe - entwickelt.

Daneben bestehen die traditionellen aufsichtlichen Funktionen fort. Sie kommen insbesondere in den Aufgaben zum "Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen" (§§ 45 bis 48a SGB VIII) zum Ausdruck, der so genannten Heimaufsicht. Nach § 45 Abs. 1 SGB VIII bedarf der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, der Erlaubnis. Ausgenommen sind nur bestimmte Einrichtungen der Jugendarbeit, Schülerheime mit Schulaufsicht und bestimmte Einrichtungen für Zweckbestimmungen außerhalb der Jugendhilfe. Vor der Erteilung der Erlaubnis sind die entsprechenden Voraussetzungen vor Ort zu überprüfen; hierfür und zur Abwehr von Gefahren können die mit der Überprüfung beauftragten Personen Grundstück und Räume der Einrichtungen betreten (§ 46 SGB VIII). Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Landesjugendamt im Rahmen dieser Heimaufsicht einer Einrichtung insgesamt oder einzelnen Mitarbeitern die weitere Tätigkeit untersagen (§§ 47, 48 SGB VIII).

Hinweise zur weiteren Vertiefung

  1. Eine systematische und detailreiche Darstellung der Rechtsentwicklung des SGB VIII findet sich bei Wabnitz, Reinhard-Joachim: 25 Jahre SGB VIII. Die Geschichte des Achten Buches Sozialgesetzbuch von 1990 bis 2015. Berlin: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ 2015.
  2. Die Gesetzesbegründungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetz von 1989, welches in Art. 1 das SGB VIII enthält, sind im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu finden: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz - KJHG), Bundestagsdrucksache 11/5948 vom 01.12.1989.
  3. Der 14. Jugendbericht 2013 steht ebenfalls als Bundestagsdrucksache zur Verfügung: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland - 14. Kinder- und Jugendbericht - und Stellungnahme der Bundesregierung. Bundestagsdrucksache 17/12200 vom 30.01.2013.
  4. Benutzerfreundlich gestaltete Informationen über die Arbeit der Jugendämter bietet die Website www.unterstuetzung-die-ankommt.de/. Sie wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter gestaltet.

Autor

Informationen zur Person von Dr. Robert Sauter sind auf seiner Website zu finden: www.robert-sauter.de

Hinweis

Eingestellt am 18.01.2016