Ehrenamtliche Familienhilfe

Konrad Leube

Kompetente Laien

Der "Laie" ist ursprünglich das einfache Kirchenmitglied, das im Unterschied zum Klerus und zur Mönchsgemeinde nicht studiert und keine höheren Weihen erhalten hat. Von daher haften dem Begriff bis heute Bedeutungen wie "unmündig", "unverständig", "unfachlich" an. Moderner ausgedrückt: ohne formale Ausbildung, ohne Prüfung, ohne Titel und Amt (ohne die höheren Weihen der Profession). Aber muss das auch heißen: "null Ahnung" oder "blutiger Laie"?

Seit der Reformation und vor allem durch die Aufklärung wurde der Laie zunehmend für mündig erklärt und wertgeschätzt. Eine Laienbewegung entstand, nicht nur in den Kirchen. Unser Rechtssystem kennt heute ehrenamtliche Laienrichter; Laienmalerei ("naive") wird gesammelt und gehandelt; Laienchöre und -theater haben ausverkaufte Vorstellungen. Die Hobby- und Do-it-yourself-Bewegung hat weiter dazu beigetragen, dass Menschen ihre Begabungen entdecken, entwickeln und sich mehr zutrauen.

Aber nicht nur die Freizeit, gerade unser Alltag ist voll von Laientätigkeit. Alles, was wir nicht beruflich machen, tun wir "laienhaft". Man könnte auch sagen: wir tun es als Bürger. Bürgerinnen und Bürger ziehen relativ wohlgeratene Kinder groß (ohne pädagogische Ausbildung), sie kochen köstliches Essen (ohne Kochlehre), sie pflegen ihre Alten (ohne Pflegeerlaubnis), sie sind Wäscher, Raumpfleger, Buchhalter, Steuerfachleute, sie können Homebanking, sie schindeln ihr eigenes Haus. In all diesen Verrichtungen sind sie "Laien", - aber gleichzeitig hochkompetent. Wenn etwas fehlt, gehen sie zum Profi, in die Bücherei, in die Hobbythek oder ins Internet und machen sich schlau.

Laie ist also nicht gleich Laie. Es gibt eine große Bandbreite davon: vom Ahnungslosen, der nicht dazulernt, über den Gutwilligen, der sich selbst überschätzt, bis hin zum sicheren Quasi-Profi, der aus Erfahrung gelernt und sich fortgebildet hat, ohne indes eine formale Ausbildung durchlaufen und einen Beruf daraus gemacht zu haben.

Wenn wir im folgenden von ehrenamtlicher Familienhilfe reden, sprechen wir von geschulten und erfahrenen Nichtprofessionellen. Sie arbeiten ehrenamtlich, aber keineswegs laienhaft. Mit einem Begriff aus der Fachsprache könnte man sie Semi- (Halb-) Professionelle nennen.

Familienhilfe im Kinderschutzbund

Der Kinderschutzbund, obwohl meist von pädagogischen Fachleuten präsidiert, war von Anfang an eine Laienbewegung. Hier sammelten sich BürgerInnen, die "etwas für Kinder tun" und sie schützen wollten, z.B. gegen Verkehrsgefahren, gegen Umweltschäden, vor allem aber gegen schlagende und missbrauchende Erwachsene, Eltern eingeschlossen. Empörung als Motivation war so verbreitet wie Mitgefühl. Aus dieser Zeit datiert das Logo des Kinderschutzbundes: das einsame Kind unter dem schützenden Dach.

Die BürgerInnen arbeiteten ehrenamtlich, waren aber keineswegs alle "Laien". Viele hatten einen pädagogischen oder pflegerischen Grundberuf, viele hatten Kinder großgezogen und Erfahrung in Familien-Management. Viele lasen Fachbücher und gingen auf Fortbildungsseminare des Verbandes. Vorstände fingen an, Fachkräfte einzustellen. Kinderschutzzentren und Kinderhäuser entstanden. Arbeitsgruppen machten sich daran, fachlich-methodische Grundsatzschriften zu erarbeiten. Man begann das Phänomen Gewalt auf dem Hintergrund der familiären Paar- und Gruppendynamik zu sehen und die Hilfeansätze umzuarbeiten: von der Empörung zum Verstehen, vom spontanen Handeln zum überlegten Vorgehen, vom Zugriff auf das Kind zur Hilfe für die ganze Familie. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung ist die "Qualitätssicherung": empirisch überprüfte Professionalität.

Neben diesem Strang von Professionalisierung gibt es weiterhin aktive Bürgerinnen und Bürger, Laien und Laiinnen, die von Fachlichkeit nicht viel halten, für Fortbildung keine Zeit finden und sich ganz auf ihren "gesunden Menschenverstand" und ihre Lebenserfahrung verlassen. Das kann gut gehen und ausreichen; im Alltag funktioniert ja nachbarschaftliche und freundschaftliche Beratung und Hilfe ganz gut. Aber an den Kinderschutzbund wenden sich eben Menschen in ganz schwierigen Lebenslagen, und besonders bei Gewalt in Familien kann unkundig-spontanes Helfenwollen die Lage komplizieren statt erleichtern. Durch gut gemeintes einseitiges Parteinehmen und Eingreifen in einem Familienkonflikt hat schon manche Helferin sich und ihren Verband in Verruf gebracht.

Familienhilfe auf Vereinsbasis, wie sie im Kinderschutzbund Tradition hat, wird also sicherlich auf Dauer mehrere Formen von Laienarbeit nebeneinander haben:

  • das spontane nachbarschaftliche und lokalpolitische Bürger-Engagement zu Gunsten von Kindern und Familien;

  • das gutgemeinte Sicheinlassen auch auf ganz schwierige Familienprobleme aufgrund eigener Lebenserfahrung;

  • und die qualifizierte Familienarbeit von Menschen, die sich ausführlich weitergebildet haben und regelmäßig Supervision in Anspruch nehmen.

Von dieser dritten Gruppe soll die Rede sein.

Sozialpädagogische Familienhilfe

Im Bereich der Öffentlichen Jugendhilfe entstand Familienhilfe als Alternative zur Heimeinweisung von Kindern, mit denen die Eltern nicht zurecht kamen. Es erwies sich als humaner, wirksamer und kostengünstiger, die Kinder in der Familie zu belassen und der Familie einen Helfer, eine Helferin zur Seite zu stellen, welche die Eltern (besonders die Mutter) berät und unterstützt und die Kinder fördert. Damit ist gleichzeitig ein Paradigmenwechsel erfolgt. Die Fokussierung auf ein "schwieriges" Kind oder schwierige Eltern wurde aufgegeben zugunsten eines Blicks auf das System Familie. Die Ressourcen dieses Systems zu erweitern wurde zum Arbeitsansatz. Das zweite Merkmal: Familienhilfe war das erste aufsuchende und nachgehende Hilfeangebot, das die öffentliche Jugendhilfe finanziert.

Zunächst waren die FamilienhelferInnen eine bunt gemischte Gruppe von Studierenden, AbsolventInnen und Arbeitssuchenden verschiedenster pflegerischer, pädagogischer und sozialpädagogischer Berufe. Im Lauf zunehmender Professionalisierung in den 80er Jahren entstand ein Berufsbild, das als Zugangsstandard das Fachhochschul-Diplom in Sozialarbeit/ Sozialpädagogik festlegte. Der Begriff "Sozialpädagogische Familienhilfe" (SPFH) setzte sich durch. Seit der Aufnahme dieser Hilfeart in das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz - KJHG) gehört Sozialpädagogische Familienhilfe fest zum Katalog der Pflichtangebote der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt). Hauptamtliche FamilienhelferInnen sind heute in der Regel Fachkräfte mit Diplom (§72 KJHG). Als freiberufliche Honorarkräfte kommen aber nach wie vor auch ErzieherInnen, LehrerInnen, StudentInnen u.ä. zum Einsatz.

"Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie." So beschreibt §31 des KJHG die Familienhilfe. Das klingt einfach, erfordert aber eine hohe und vielseitige Kompetenz der Fachkräfte. Als Anforderungsprofil wird eine Mischung aus rechtlich-sozialarbeiterischer, pädagogisch-therapeutischer und alltagspraktischer Kompetenz beschrieben.

Der Zeitaufwand pro Familie kann je nach Aufgabenstellung sehr hoch sein und sich über mehrere Jahre erstrecken. Einen guten, materialreichen Überblick über das Arbeitsfeld gibt das Handbuch Sozialpädagogische Familienhilfe (1997).1

Soweit in kurzen Zügen die Entwicklung der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Davon zu unterscheiden ist nun die Familienhilfe, die überwiegend von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen getragen wird.

Familienhilfe mit Ehrenamtlichen

Die Familienhilfe im Kinderschutzbund unterscheidet sich, was das Ziel der Arbeit angeht, wenig von der beschriebenen Sozialpädagogischen Familienhilfe. Die oben zitierte Formulierung des §31 KJHG passt auch auf die ehrenamtliche Familienhilfe. Familien, die wegen innerer oder äußerer Schwierigkeiten um Hilfe nachfragen, sollen beraten, entlastet, unterstützt und begleitet werden, bis sie sich stabilisiert haben.

Doch gibt es spezifische Unterschiede zur SPFH:

  1. Die FamilienhelferInnen sind Bürgerinnen und Bürger aus unterschiedlichsten Berufsgruppen; sie durchlaufen eine Ausbildung und bilden sich ständig weiter.

  2. Die FamilienhelferInnen sind keine Einzelkämpfer, sondern Teil einer Helfergruppe von mindestens acht Personen.

  3. Die Ehrenamtlichen arbeiten eng mit Fachkräften zusammen, die ihnen Ausbildung, Praxisanleitung und Supervision bieten.

  4. Die fachlichen Grundlagen ("Prinzipien") des Kinderschutzbundes sind auch hier die Basis der Arbeit.

  5. Die Familienhilfe ist eingebunden in ein vielfältiges Angebot des örtlichen Trägerverbandes zur Entlastung und Unterstützung von Familien (z.B. in Familienzentren oder Kinderhäusern).

  6. Das Team des örtlichen Verbandes wiederum ist vernetzt mit den Einrichtungen der örtlichen Jugendhilfe.

Diese Qualitätsmerkmale haben sich im Lauf der 80er und 90er Jahre herausgebildet. Einzelne DKSB-Orts- und Kreisverbände (in Bayern z.B. Immenstadt und Rosenheim) haben damals Pionierarbeit geleistet und mitgearbeitet an dem Grundsatzpapier "Familienhilfe im Deutschen Kinderschutzbund - Merkmale, Bedingungen, Ausbildung", das 1994 vom Gesamtverband veröffentlicht wurde und das als "Diskussionspapier" bis heute in alle Konzepte hineinwirkt2. Das Stichwort Qualitätssicherung fehlt noch in dieser Schrift, aber genau darum geht es: Formulierung fachlicher (Mindest-) Standards für die Arbeit auch der Ehrenamtlichen.

Die folgenden Ausführungen zu den genannten Merkmalen ehrenamtlicher Familienhilfe sind aus der Perspektive des Kinderschutzbundes geschrieben. Dieser hat sie jedoch nicht (allein) erfunden. Ehrenamtliche FamilienhelferInnen gibt es in vielen Organisationen und Institutionen, so z.B. vereinzelt an klassischen Familienberatungsstellen (z.B. Erlangen), an Familienzentren (z.B. des SOS-Kinderdorf-Vereins), in Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbänden. Die fachlich qualifizierte Laienhilfe des Kinderschutzbundes wird in diesem Zusammenhang als ein Modell gesehen, das es wert ist, ausführlich dargestellt zu werden.

Das Konzept

Familie zu leben und Kinder großzuziehen ist nie leicht gewesen und wird heute für viele Familien durch zusätzliche Faktoren erschwert: Armut (Einkommen, Arbeitslosigkeit, Wohnung), Beziehungsstress (zwischen den Elternpersonen, zwischen Eltern und Kindern), Belastung durch die Schule, Belastung durch Trennung und Scheidung, Gesundheitsprobleme, Isolation der Familie und fehlende Hilfemöglichkeiten im engeren oder weiteren Umfeld, Problemlösungsversuche durch Drogen oder Gewalt, zusammengefasst: Überforderung bei den Eltern und Vernachlässigung bei den Kindern. Krisen sind vorprogrammiert.

Auf solche Krisen reagiert Familienhilfe, je nach Situation eher durch den professionellen Strang (Beratung) oder den nachbarschaftlichen Strang (praktische Unterstützung) oder - die besondere Stärke von Familienhilfeprojekten - durch eine spezifische Kombination aus beidem. Es gibt dabei kein Problem, das den FamilienhelferInnen nicht begegnet, bis hin zu Gewalt, Vernachlässigung, sexueller Ausbeutung, manifester Sucht oder psychischen Störungen. Das erwähnte Grundsatzpapier des Kinderschutzbundes grenzt bei diesen Problemen stark ab und spricht von "Ausschluss des Einsatzes von Familienhelferinnen ... als alleiniges Angebot" (S.5). Das wichtige Wörtchen ist hier "alleinig". Die Warnung ist angebracht, wo Laienhelferinnen versuchen, mit den bloßen Mitteln von Nachbarschaftshilfe und ohne Team und ohne die Möglichkeiten fachlicher Rücksprache (Supervision) zu helfen.

Die Regel ist heute jedoch ein kooperatives bzw. arbeitsteiliges Vorgehen von HelferInnen und Fachkräften, je nach Bedarf und Situation. Soweit die eigenen Möglichkeiten des Verbandes reichen, gibt es "schnelle Hilfe aus einer Hand", bei Bedarf Kooperation mit spezialisierten Fachstellen. Den ehrenamtlichen FamilienhelferInnen kommt dabei oft die unterstützende Arbeit zu, den Fachkräften die Beratungs- oder Therapie-Gespräche. Beides ist aufeinander abgestimmt und Teil eines Hilfeplans.

Zur Illustration einige typische Beispiele aus der Praxis:

Hintergrund: ein DKSB-Ortsverband mit Mütter-Väter-Zentrum, Beratungsstelle mit zwei Halbtags-Sozialpädagoginnen und 15 FamilienhelferInnen.

Entlastung

Eine alleinerziehende Mutter, sie hat drei Vorschulkinder und ist mit dem vierten Kind schwanger, kommt zu einem Gespräch. Es wird deutlich, dass sich die junge Frau von ihrer derzeitigen Lebenssituation stark überfordert fühlt. Vor allem scheint es ihr nicht zu gelingen, ihren Kindern klar und konsequent Regeln zu vermitteln und ihren Haushalt zufriedenstellend zu organisieren. - Wir bieten lösungsorientierte Beratung zur Erziehung und zur familiären Situation durch eine hauptamtliche Mitarbeiterin an, daneben lebenspraktische Hilfe und Begleitung durch eine ehrenamtliche Familienhelferin. Die Familienhelferin besucht einmal wöchentlich die Familie, entlastet die Mutter durch die Betreuung der Kinder oder durch Ausflüge und nimmt auch mal nur zwei Kinder mit, sodass das dritte in den Genuss kommt, die Mutter für sich alleine zu haben. Die Familienhelferin unterstützt die Mutter bei Behördengängen und Großeinkäufen. Sie steht für Fragen zur Organisation des Haushalts zur Verfügung, und im Fall der kurzzeitigen Erkrankung der Mutter kann sie auch mal ganztags da sein.

Mutter krank

Durch die akute Erkrankung einer alleinerziehenden Mutter wurde die Unterbringung von zwei Kleinkindern, die Erledigung der nötigsten Haushaltsarbeiten sowie die schnelle Abwicklung von Behördenangelegenheiten notwendig. Wir konnten dies alles innerhalb eines Tages organisieren. Im Anschluss an die Operation der Mutter, die von der Familienhelferin regelmäßig im Krankenhaus besucht wurde, wünschte die Mutter eine weitergehende Begleitung.

Flucht vor dem Mann

Eine mit ihren Kindern nach einer extrem gewalttätigen Auseinandersetzung vor dem Ehemann flüchtende Mutter nahm mit einer ihr bekannten Familienhelferin spätabends Kontakt auf und wurde von dieser noch in der gleichen Nacht sicher untergebracht. In den folgenden Tagen fanden mehrere Krisengespräche statt. Die sehr verzweifelte und depressive Mutter wurde von uns zu allen zuständigen Behörden begleitet. Sämtliche Telefonate (u.a. zu der weit entfernt lebenden Herkunftsfamilie) konnte sie von unserem Büro aus führen. In der ganzen dafür notwendigen Zeit wurden die Kinder von uns betreut.

Entscheidungsfindung

Eine Frau sucht uns auf. Sie leidet sehr unter den Gewaltattacken ihres alkoholkranken Lebensgefährten und sagt, sie wolle sich trennen. Jedoch ist sie mit den beiden gemeinsamen Kindern (12 und zweieinhalb Jahre) finanziell völlig von ihm abhängig. Auch hat sie große Sorge, wie die Kinder wohl auf eine Trennung reagieren könnten. In mehreren Gesprächen werden ihre rechtliche und finanzielle Lage im Falle einer Trennung besprochen. Auch die praktische Seite (z.B. andere Wohnung) wird genau erörtert. Da zwischen den Partnern jedoch noch eine emotionale Bindung besteht, kann auf Wunsch der Mutter auch ein Weg der Hilfe für den Mann aufgezeigt werden. Die Frau hat nun eine Perspektive. Sie stellt ihren Mann vor die Entscheidung und setzt ihm eine Frist. Sie kommt über einen längeren Zeitraum zu Beratungsgesprächen.

Krisenintervention

Eine junge Ausländerin, Mutter von drei Kindern (zwei, vier und fünf Jahre) ruft auf Anraten einer Freundin bei uns an und möchte am liebsten gleich vorbeikommen. Sie ist in großer finanzieller Notlage aufgrund schwieriger familiärer Umstände. Eine halbe Stunde später ist die Frau bei uns. Sie hat keinen Pfennig mehr in der Tasche und steht bereits bei allen Bekannten in der Kreide. Es gelingt uns, ihre Scham zu mildern und ihre Verzweiflung ein wenig aufzufangen. Ein Anruf beim Sozialamt kann vieles klären, und der verantwortliche Sozialarbeiter sagt definitiv zu, unter bestimmten Voraussetzungen (bei deren Erfüllung wir behilflich sind) umgehend Geld auszuzahlen. Nachdem die schlimmste Belastung genommen ist und die Frau wieder "atmen" kann, ist es möglich, Gesprächstermine zu vereinbaren, um die gesamte familiäre Situation und weitere Zukunftsperspektiven zu besprechen.

In den Beispielen ist das wichtigste Hilfe-Prinzip zu erkennen, das Familienhilfe des DKSB auszeichnet: Hilfesuchende werden unter allen Umständen so akzeptiert, wie sie kommen; Zuhören und Verstehen geht jeder Aktion voraus. Dieses Prinzip ist längst Allgemeingut der gesamten helfenden Zunft, außerhalb dieser Berufsgruppen ist es aber keineswegs selbstverständlich und deshalb wichtiger Gegenstand der Ausbildung.

BürgerInnen - gesucht und ausgebildet

Laien-FamilienhelferInnen werden üblicherweise durch öffentliche Ausschreibung in Mitgliederrundbriefen und in der Tagespresse gefunden. Dabei ist wichtig, das Aufgabenfeld klar zu umreißen, sonst werden leicht Menschen angezogen, die ungeeignet sind, weil sie selbst Hilfe brauchen. Die Ausbildung als Bedingung sollte ebenfalls schon in der Ausschreibung angesprochen werden. Die BewerberInnen werden am besten von der ausbildenden Fachkraft auf ihre Eignung geprüft. Als Merkmale für die Eignung werden genannt: eine "stabile Lebenssituation und ausreichende soziale Kontakte ...; Motivation, miteinander und voneinander zu lernen; positive Erfahrungen mit Elternrollen; reflektierter Umgang mit eigenen Problemen und adäquate Lösungen für eigene Probleme; Einfühlungsvermögen, Toleranz, Geduld und Zeit für konfliktbelastete Eltern und Kinder"3.

Erfahrungsgemäß melden sich zu einer Ausbildung immer auch Fachkräfte (Erzieherinnen, Diplom-SozialpädagogInnen, LehrerInnen), die entweder in einer Familienphase mit kleinen Kindern sind oder in Teilzeit arbeiten oder eine sinnvolle Nebenbeschäftigung als aktive BürgerInnen suchen. Die meisten BewerberInnen haben Primärerfahrung mit eigenen Kindern und Partnern. Gruppen von FamilienhelferInnen bestehen deshalb nur zu einem Teil aus echten "Laien".

Wie die Begründung einer Projektgruppe Familienhilfe praktisch aussehen kann, beschreibt ein süddeutscher Kreisverband so:

"Nach der Gründung des Kreisverbandes im Jahr 1993 beschlossen die Vorstandschaft und einige interessierte Mitglieder im Jahr 1995, eine Ausbildung zur Familienhilfe anzubieten. Damit sollte zweierlei erreicht werden:

  • Ein Stamm von FamilienhelferInnen würde dieses Angebot des Kreisverbandes gegebenenfalls durchführen können.

  • Die Vorstandschaft und die Aktivengruppe würden durch die Ausbildung einen Zugang zu den Grundsätzen der Arbeit des Deutschen Kinderschutzbundes gewinnen und persönlich vertiefen.

Eine Gruppe von 18 Frauen fand sich nach einem Informationsabend durch die Fachberaterin beim Landesverband, Frau M., zusammen. An 18 Tagen, jeweils vierzehntägig mittwochs von 14-19 Uhr (zusammen ca. 80 Arbeitsstunden) traf sich die Gruppe. Die Ausbildungsleitung hatte Frau M. übernommen. Die Kosten wurden je zur Hälfte auf die Teilnehmerinnen und den Kreisverband umgelegt. Die Ausbildungsnachmittage waren durch ein gute äußere Umgebung sowie die Versorgung mit Essen und Trinken für die Frauen zusätzlich attraktiv, was nicht unterschätzt werden sollte.

Der Anteil an Selbsterfahrung in der Ausbildung trug wesentlich dazu bei, dass sich in der Gruppe ein großes Vertrauen aufbaute, das noch Jahre danach als wichtiger Träger für die Zusammenarbeit anzusehen ist und ausstrahlt auf den gesamten Umgang der Aktiven innerhalb des Kreisverbandes miteinander. Der Kreisverband hat seit dem Ausbildungsende die Familienhilfe in sechs Familien übernommen. Alle aktiven Helferinnen nehmen an der vierwöchentlichen Supervisionssitzung teil."

Elemente der Ausbildung

Die vorliegenden Ausbildungspläne für FamilienhelferInnen enthalten im Kleinen ein Curriculum für ein Studium der Sozialpädagogik.4 In einem Umfang von 60 bis 80 Ausbildungsstunden (so die meistens genannte Unter- und Obergrenze) können viele Dinge nur angedeutet werden. Dennoch ist es wichtig, dass sie vorkommen. Folgende Inhalte gehören mehr oder weniger ausführlich zur Ausbildung:

  1. Systemisches Sehen und Handeln (in der Ausbildungsgruppe, in der Familie, im Helfersystem);

  2. Familie in ihren natürliche Krisen und besonderen Belastungssituationen;

  3. Gewalt, Vernachlässigung, sexuelle Ausbeutung; Süchte, Krankheiten;

  4. Kommunikation (Wertschätzen, Zuhören, Gespräch führen);

  5. Lösungs- und Ressourcenorientierung, Empowerment;

  6. Das örtliche Helfer-System und seine Vernetzung; Helferkonferenz;

  7. Ich als HelferIn (meine Motivation, meine Familie, meine Werte); Nähe und Distanz;

  8. Die Prinzipien der sozialen Arbeit (des DKSB).

Ein quantifiziertes Ausbildungskonzept, in dem die Einheiten thematisch und zeitlich festgelegt sind, ist bisher nicht veröffentlicht. Als Beispiel, wie eine FamilienhelferInnenausbildung aussehen kann, sei der Plan eines Ortsverbandes im Allgäu wiedergegeben (die Ausbildung erstreckte sich über acht Monate.)

Ausbildungsplan

(Wochenenden mit je neun Ausbildungsstunden, Abende zu zwei Stunden)

ReferentInnen: Diplom-Psychologin (Supervisorin), Familientherapeut, Leiterin Familienhilfe, Diplom-Sozialpädagogin (FH), Leiter des Jugendamts

1. Wochenende: Helfen statt Strafen? Prinzipien der Kinderschutzarbeit
Abend: Elemente der Gesprächsführung 1
Abend: Elemente der Gesprächsführung 2
Abend: Ursachen von Belastungen und Problemen in Familien
Abend: Krisenhafte Zuspitzungen und Krisenintervention
Abend: Vertiefung, praktische Übungen, Rollenspiele
Abend: Gesprächsführung (Übungsabend)
Abend: Fremdmeldungen - Handlungsleitlinien
Abend: Vertiefung, praktische Übungen, Rollenspiele
Abend: Situationen von Familien allgemein und speziell im Oberallgäu

2. Wochenende: Selbsterfahrung
Abend: Aufgaben und Zuständigkeiten von Behörden und Beratungseinrichtungen einschließlich des Jugendamtes
Abend: Vertiefung, praktische Übungen, Rollenspiele
Abend: Systemischer Ansatz in der Arbeit mit Familien 1
Abend: Rechtliches Basiswissen
Abend: Schwerpunkte der Entwicklungspsychologie
Abend: Psychische Auffälligkeiten

3. Wochenende: Gewalt in Familien
Abend: Systemischer Ansatz in der Arbeit mit Familien 2
Abend: Vertiefung, praktische Übungen, Rollenspiele
Abend: Sexueller Missbrauch
Abend: Aufgaben und Methoden der Familienhilfe 1 (Fallarbeit)
Abend: Aufgaben und Methoden der Familienhilfe 2 (Fallarbeit)

Als Erfahrung von TeilnehmerInnen solcher Ausbildungen wird regelmäßig berichtet, dass sie für ihre persönliche Lebensführung und die eigene Familie mindestens ebenso viel profitieren wie für die Arbeit mit hilfesuchenden Familien.

Team und Supervision als Norm

Gruppen von ehrenamtlichen FamilienhelferInnen haben in der Regel eine Größe von acht bis 16 Mitgliedern. Die Gruppen schmelzen während der Ausbildungsphase immer etwas ab, weil manche erkennen, dass "das" doch nichts für sie ist, oder den zeitlichen Aufwand und das erforderliche Engagement unterschätzt haben. Nach der Ausbildung ist es wichtig, dass die TeilnehmerInnen bald zum Einsatz kommen, damit Motivation nicht verloren geht und Erfahrung gemacht werden kann. Es ist also immer wichtig, den Bedarf an HelferInnen richtig einzuschätzen und nicht "ins Blaue hinein" auszubilden.

Nach einer Ausbildung, im praktischen Einsatz in der Begleitung von Familien (was überwiegend heißt: von Müttern und Kindern), ist es unerlässlich, dass Ehrenamtliche fachlichen Rückhalt haben. Dies geschieht durch regelmäßige Treffen der HelferInnengruppe, bei denen unter Leitung der eigenen Fachkräfte oder unter externer Leitung praktische Fragen der Arbeit und ganz konkrete Fälle besprochen werden (Praxisanleitung). Daneben muss es noch Supervision durch eine nicht zum Verband gehörende Fachkraft geben, als Gruppensupervision oder bei akutem Bedarf auch als Einzelsupervision. Supervision ist für jeden, der in diesem Feld arbeitet, unerlässlich, damit die eigenen Grenzen und blinden Flecken in der Wahrnehmung und die eigene Verstrickung der helfenden Person in das System der Hilfesuchenden bearbeitet werden können.

Sehr bewährt hat sich eine Arbeitsweise im "Tandem". Immer zwei Ehrenamtliche zusammen bilden ein Team, konsultieren sich gegenseitig, vertreten sich gegenseitig in den betreuten Familien und arbeiten zum Teil auch als Zweierteam in derselben Familie, wenn eine Helferin allein überfordert wäre. Nach entsprechender praktischer Erfahrung kann so ein Teil des Beratungsbedarfs durch kollegiale Beratung abgedeckt werden.

Die Prinzipien des helfenden Handelns

Unter dieser Überschrift hat der Kinderschutzbund 1983 zum erstenmal seine fachlichen Grundsätze zusammengestellt. Sie wurden immer wieder und neu ausformuliert, u.a. von einem der führenden theoretischen Köpfe des Kinderschutzes, Wilhelm Brinkmann.5 Die Überarbeitung und Erweiterung der offiziellen Fassung des Verbandes erfolgte 1996.6

Hier die wichtigsten Stichworte: "Unsere" Hilfe ist nicht strafend, nicht kontrollierend, wird nicht aufgedrängt, ist zeitlich und inhaltlich überschaubar, beruht auf Vereinbarung, orientiert sich an den Bedürfnissen der Hilfesuchenden, hat deren Selbständigkeit zum Ziel, kann auch anonym sein, ist streng vertraulich; Zusammenarbeit mit Behörden und anderen Hilfeeinrichtungen nur nach Absprache. "Wir" arbeiten nicht als Einzelkämpfer, sondern immer im Team und immer mit fachlichem Rückhalt (Ausbildung und Supervision).

Eine Formulierung von Brinkmann, die eine prägnante Zusammenfassung darstellt, möchte ich hier stellvertretend zitieren. Sie bezieht sich auf Familien mit Gewaltbelastung, kann aber für die Arbeit in Familien generell handlungsleitend sein:

"Hilfe wird deshalb zunächst und vorrangig in einem offenen und übersichtlichen Beziehungsangebot an die Familie bestehen. In dessen Rahmen können die Betroffenen - möglicherweise zum erstenmal in ihrem Leben - die Erfahrung eines gewaltarmen, unterstützenden, verständnisvollen, akzeptierenden Kontaktes machen."7

Ein solches Beziehungsangebot zu gestalten und die eigenen Kritik- und Kontrollbedürfnisse dabei im Zaum zu halten, ist nicht einfach, ist aber der Schlüssel zu einer Familienhilfe, die wirklich hilft. Reinhart Wolff in einem Artikel über den "neuen Kinderschutz" der Kinderschutzzentren fasst noch kürzer zusammen: "Die leicht erreichbare solidarische Hilfe, frei wählbar und von hoher Qualität."8

Noch einmal sei allerdings daran erinnert, dass die Qualität in der Arbeit von ehrenamtlich arbeitenden "Laien"-FamilienhelferInnen, auch innerhalb des Kinderschutzbundes, sehr unterschiedlich sein kann, je nachdem wie ernst die Prinzipien als Qualitätsmerkmale genommen werden, wie stark sie verinnerlicht werden und wie konsequent danach gehandelt wird.

Vernetzung und Kooperation

Ehrenamtliche Familienhilfe, wie andere soziale Arbeit auch, wird nur im Ausnahmefall in einem rein bilateralen Beziehungsprozess zwischen Hilfesuchendem und Helfendem bestehen können. Oft genug werden die Ressourcen nicht ausreichen, so dass materielle, beraterische oder therapeutische Hilfe von anderer Seite in Anspruch genommen werden muss. Es ist deshalb wichtig zu wissen, zu welchen Leistungen die staatlichen und kommunalen Stellen verpflichtet sind und welche Angebote die öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe der Region bereitstellen.

Dieses gesamte Hilfenetz einer Region zu kennen ist also notwendig, reicht aber nicht aus. Es kann nämlich immer noch passieren (und passiert in der Praxis auch häufig), dass Hilfesuchende von einer Stelle zur nächsten weitergeschickt werden, ohne dass die Stellen aufeinander fachlich bezogen kooperieren und eine wirksame Hilfe gegeben wird. Es wäre also eminent wichtig, in einer großstädtischen oder einer ländlichen Region durch Versammlung und Weiterbildung der Fachdienste Konzepte der Hilfe zu verabreden, in denen die Beiträge der verschiedenen Institutionen so klar definiert sind, dass es im einzelnen Fall leicht wird zu wissen, wer für ein integriertes Hilfekonzept an den runden Tisch zu laden wäre.9

Solche Konzepte, speziell zu den Problemen der Gewalt in Familien, werden innerhalb des Kinderschutzes schon seit ca. 20 Jahren entwickelt, sie sind aber noch wenig nach außen kommuniziert und stehen oft unverbunden neben Konzepten der "Mitbewerber" wie z.B. von Frauenhäusern, Familiennotrufen oder auch der Polizei. Wo die Kommunikation stattfindet, wird auch der ehrenamtlichen Familienhilfe der ihr gebührende Stellenwert eingeräumt. Nahezu "unschlagbar" ist im Konzert der Helferangebote die Fähigkeit der Ehrenamtlichen, schnell, unbürokratisch, praktisch und auch mal nachts oder am Wochenende effektiv Hilfe zu leisten - was die Profis in der Regel nicht zu bieten haben.

Wo ehrenamtliche Familienhilfe verantwortungsvoll und fachlich solide betrieben wird, wird sie zunehmend als tragender Baustein im Hilfenetz einer Region gesehen und in Anspruch genommen. Leider hinkt die Bereitschaft des öffentlichen Jugendhilfeträgers, solches fundierte Engagement auch finanziell zu stützen, der verbalen und fachlichen Anerkennung oft weit hinterher.

Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, Finanzierung

Ehrenamtliche (Laien-) Familienhilfe hat es schwer, sich zu finanzieren. Auch wenn die Bürgerinnen und Bürger ihre Zeit unentgeltlich zur Verfügung stellen, so entstehen doch Kosten durch die qualifizierte Ausbildung und die laufende fachliche Begleitung und Supervision. Diese Kosten werden von den Trägervereinen zunächst durch Mitgliedsbeiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht, zusätzlich durch die Spenden von Sponsoren, die für ein solches Projekt zu gewinnen sind.

Es kommt aber früher oder später der Zeitpunkt, wo sich die öffentliche Jugendhilfe der Qualitäten dieses Dienstes eines "freien Trägers der Jugendhilfe" bewusst wird und das Jugendamt an den Verein herantritt mit der Bitte, die Betreuung von Familien zu übernehmen. Jetzt erheben sich zwei Fragen. Erstens: ist die Stadt oder der Landkreis bereit, dafür etwas zu zahlen? Zweitens: wie steht es nun mit dem Prinzip der Freiwilligkeit?

Um mit dem zweiten zu beginnen: Freiwillige Inanspruchnahme war seit jeher eines der wichtigsten Prinzipien oder Qualitätskriterien ehrenamtlicher Familienhilfe. Das Prinzip ist, dass Menschen sich selbst melden, dass Hilfe nicht aufgedrängt wird. Würde dieses Prinzip durch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt nicht über Bord geworfen?

Das Prinzip stammt aus Zeiten, als das Jugendamt noch (und überwiegend zu Recht) als Kontroll- und Eingriffsbehörde wahrgenommen wurde. Speziell in Fällen von Gewalt in Familien konnte man nicht davon ausgehen, dass die Jugendämter ein Konzept des verstehenden Zugangs und der unterstützenden Hilfe mittragen würden. Den Familien konnte also nur geholfen werden, wenn sie freiwillig um Hilfe nachsuchten. Seit Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist aber ein Wandel eingetreten. Die Jugendämter verstehen sich zunehmend als Anbieter oder Vermittler von fachlichen Hilfen und suchen die Zusammenarbeit mit anderen Trägern der Jugendhilfe, besonders auch mit solchen, deren Service sie selbst nicht im Angebot haben.

Wenn heute ein Jugendamt um die Übernahme einer Familienhilfe nachsucht, ist in der Regel nicht mehr zu befürchten (weder für die FamilienhelferInnen noch für die Familie), dass der Kinderschutzbund als verlängerter Arm der Behörde Kontrolle ausüben soll. Da die Familie jetzt ein Wahlrecht hat, kann sie das Angebot der Familienhilfe auch ablehnen. Zunehmend wird auch zur Regel, dass sich die HelferInnen aus diesem Anlass mit der Familie zusammensetzen und die Alternativen durchsprechen. Freiwilligkeit ist also gegeben - soweit eine Familie, die unter massivem Problemdruck steht oder vom Jugendamt auf §1666a BGB hingewiesen wurde, "freiwillig" handeln kann.

Nun zur Finanzierung. Wenn das Jugendamt Sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 KJHG durch Fachkräfte anbietet, wird diese selbstverständlich auch finanziert. Bei ehrenamtlicher Familienhilfe ist das noch nicht selbstverständlich. Das Ehrenamt bekommt zwar immer wieder Ehre, ist aber als ein Dienst, der Zuschüsse braucht, bei vielen Jugendämtern noch nicht genügend im Blick. Vom Gesetz her wäre eine Förderung ohne weiteres möglich. § 73 KJHG sieht vor, dass Ehrenamtliche "bei ihrer Tätigkeit angeleitet, beraten und unterstützt werden" sollen. Dass solche Anleitung, Beratung und Unterstützung nur von Fachkräften kommen kann, die entsprechend bezahlt werden müssen, dürfte klar sein. Eine Förderung z.B. des Kinderschutzbundes ist nach § 74 auf dem Hintergrund der §§ 16 und 27 ff. KJHG möglich, wenn der freie Träger "die fachlichen Voraussetzungen" und die sonstigen Bedingungen erfüllt.

Dass ein Familienhilfe-Projekt dies tut, muss es dem öffentlichen Träger nachweisen: durch ein fachlich fundiertes Konzept, durch eine solide Ausbildung der Ehrenamtlichen und durch eine Praxis, die bei den betroffenen Familien wie bei den FachkollegInnen Anklang findet. Gelingt dieser Nachweis, wird es dem öffentlichen Träger schwer fallen, sich auf die Klausel "im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel" zurückzuziehen. Er wird zumindest die Kosten der Fachkräfte, welche ausbilden, anleiten und supervidieren, sowie die anfallenden Sachkosten der Fachkräfte wie der ehrenamtlichen FamilienhelferInnen bezuschussen müssen. Viele Städte und Landkreise geben diese Zuschüsse inzwischen, manche sogar so reichlich, dass den ehrenamtlichen FamilienhelferInnen ein Anerkennungshonorar von fünf bis acht Mark pro Stunde gezahlt werden kann. Damit wird nicht nur das Engagement dieser BürgerInnen anerkannt, sondern auch ihre Semi-Professionalität.

Literatur und Anmerkungen

  1. Elisabeth Helming, Heinz Schattner, Herbert Blüml (Deutsches Jugendinstitut): Handbuch Sozialpädagogische Familienhilfe. Hg. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Stuttgart: Kohlhammer, 1997.

  2. Familienhilfe im Deutschen Kinderschutzbund - Merkmale, Bedingungen, Ausbildung. Herausgeber Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V., Hannover 1994.

  3. Ebenda S.10.

  4. z.B. ebenda S. 12-17.

  5. z.B. in Wilhelm Brinkmann: Kindesmisshandlung und Kinderschutz - Überlegungen zu problemangemessenen Hilfen. Kinderschutzzentrum Mainz 1991.

  6. Zuletzt abgedruckt in: Deutscher Kinderschutzbund, Verständnis und Grundlagen "Gewalt gegen Kinder", Hannover 2000.

  7. a.a.O. S.10.

  8. Reinhart Wolff: Hilfe ohne Kontrolle. Der "neue Kinderschutz" als Pionier für zeitgemäßere Konzepte sozialer Arbeit. In: Blätter der Wohlfahrtspflege 6/1992.

  9. Auch an dieser Stelle gehört der Kinderschutzbund zu den Pionieren. So hat z.B. der Ortsverband Immenstadt für die Fachkräfte der Region Oberallgäu schon zweimal ein dreijähriges Qualifizierungs- und Vernetzungsprojekt veranstaltet mit dem Titel "Systemisches Handeln bei Sexueller Gewalt gegen Kinder, Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung in Familien". Dokumentation 1998 OV Immenstadt, in einer Kurzfassung erhältlich beim DKSB Bundesverband, Hannover.

Autor

Dr. Konrad Leube
Ernst-Thälmann-Straße 6
36433 Moorgrund-Möhra

Quelle

Leicht gekürzter Vorabdruck des Artikels "Ehrenamtlich und semiprofessionell: Laienfamilienhilfe" aus: Kinderschutz 2002. Ein Handbuch. Hg. von Wilhelm Brinkmann. Band 3: Handlungskonzepte und Projekte, Instrumentarien und Methoden des Kinderschutzes. Donauwörth: Auer 2002. Eingestellt am 24.10.2001, überprüft im Mai 2015