Bereitschaftspflege - Familiäre Bereitschaftsbetreuung

Andreas Sahnen

Entwicklungsgeschichte

Der Aufbau erster familiärer Formen der Notunterbringung von Kindern und Jugendlichen war in den 1980er Jahren eine Folge der zunehmenden sozialpädagogischen Kritik an der damals fast ausschließlichen Unterbringung in Heimen.

Mit der Neuregelung des Kinder- und Jugendhilferechts im Achten Sozialgesetzbuch wurde in § 42 SGB VIII (Inobhutnahme) der Notunterbringung von Minderjährigen bei Personen letztlich die rechtliche Grundlage gegeben.

"Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen, im Fall von Satz 1 Nr. 2 auch, ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen" (§ 42 Abs. 1 SGB VIII).

So kann für ein kleines Kind in der Regel die Unterbringung in der Familie einer geeigneten Person am sinnvollsten sein, während ein in seiner gegenwärtigen Lage verhaltensauffälliges älteres Kinder oder Jugendlicher möglicherweise besser in einer Einrichtung mit ausreichend vorhandenem Fachpersonal untergebracht wird.

Gleichzeitig beinhaltet dies eine Verpflichtung des öffentlichen Trägers, differenzierte Angebote im notwendigen Umfang im Rahmen seiner Gesamt- und Planungsverantwortung (§ 79 SGB VIII) zur Verfügung zu stellen.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte im Jahr 2002 empirische Ergebnisse und praktische Empfehlungen mit dem Titel "Bereitschaftspflege - Familiäre Bereitschaftsbetreuung". In der Einführung wird beschrieben, wie die Autoren von der Bezeichnung "Bereitschaftspflege" zum Terminus "Familiäre Bereitschaftsbetreuung" gewechselt sind: "Startete das Projekt noch unter dem Begriff 'Bereitschaftspflege', so musste im Laufe des Projekts zunehmend festgestellt werden, dass der Appendix 'Pflege' weder der Tätigkeit der Betreuungspersonen und -familien noch der beratenden Fachkräfte gerecht wird. Erkennbar unterscheiden sich bei der untersuchten Betreuungsform die Tätigkeitsmerkmale von Krisenintervention, Schutz und Clearing im Kontext von Diagnostik und Hilfeplanung von den spezifischen Merkmalen der Tages-, Kurzzeit- und Vollzeitpflege" (BMFSFJ: Bereitschaftspflege - Familiäre Bereitschaftsbetreuung, 2002, S. 9).

Mit dieser Empfehlung wurde die nachfolgende Begriffsdefinition den Praktiker/innen an die Hand gegeben: "Familiäre Bereitschaftsbetreuung ist ein familiäres Angebot der Krisenintervention und dient vor allem dem Schutz und der Abklärung des Hilfebedarfs für Kinder und Jugendliche in drohenden oder akuten Gefährdungssituationen und ist somit zeitlich bis zur Entscheidung für eine Reintegration in die Herkunftsfamilie oder eine Überleitung in eine geeignete Folgehilfe begrenzt" (BMFSFJ: Bereitschaftspflege - Familiäre Bereitschaftsbetreuung, 2002, S. 12).

Inzwischen ist der Begriff der Familiären Bereitschaftsbetreuung gut eingeführt und etabliert. Die Landesjugendämter erarbeiteten Rahmenkonzeptionen dazu, z.B. der Landschaftsverband Rheinland (LVR: Rahmenkonzeption Familiäre Bereitschaftsbetreuung, 2. Aufl. 2010).

Von der Familiären Bereitschaftsbetreuung zu unterscheiden ist die so genannte Kurzzeitpflege. Kurzzeitpflege wird aufgrund eines vorübergehenden und zeitlich einschätzbaren Ausfalls, wie z.B. einer Entbindung, einer Kur oder eines Krankenhausaufenthaltes der betreuenden Person, für Kinder benötigt. Diese Form der Vollzeitpflege ist nicht Gegenstand dieses Aufsatzes.

Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) und Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) in FBB

Die Familiäre Bereitschaftsbetreuung (FBB) ist als spezielle Form der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege in der Pflegekinderhilfe etabliert. Die FBB wird im Schnittpunkt zweier unterschiedlicher Aufgaben angeboten: der Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) und der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII).

Die Inobhutnahme gehört zu den hoheitlichen Aufgaben der Jugendhilfe und wird auch ohne Zustimmung des Personensorgeberechtigten zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl vom öffentlichen Träger der Jugendhilfe ausgesprochen. Die vorläufige Schutzmaßnahme wird vom Allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes eingeleitet. Sie ermöglicht Gefahrenabwehr, kurzfristige Klärung von Problemlagen und das Aufzeigen von Hilfen und Unterstützungsangeboten.

Mit dem Einverständnis der Eltern (Personensorgeberechtigte) wird FBB, insbesondere für Säuglinge und Kinder im Vorschulalter, als vorläufige Hilfegewährung bei geeigneten Personen in Vollzeitpflege geleistet. Gleichzeitig wird das Hilfeplanverfahren eingeleitet. Gegen den Willen der Personensorgeberechtigten ist aufgrund der Gefährdung des Kindeswohls unverzüglich eine familiengerichtliche Entscheidung einzuholen.

Gründe für die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen in FBB sind häufig Überforderungssituationen der Eltern, konflikthafte Partnerbeziehungen, oft verbunden mit der Erfahrung von Gewalt, psychische Erkrankungen der Eltern, Be- und Erziehungsproblematiken, Vernachlässigung, Misshandlung u.a..

Unterstützung der Eltern zur Rückführung und Perspektivklärung (§ 37 Abs. 1 SGB VIII)

Im SGB VIII ist die Beteiligung und Unterstützung von Eltern fest verankert. Durch § 37 Abs. 1 SGB VIII wird der Stellenwert der Elternarbeit deutlich. Ziel der Jugendhilfe ist eine mögliche Rückführung des Kindes zu den Eltern oder die Vermittlung in eine bedarfsgerechte Hilfe für das Kind. Während der Phase der Bereitschaftsbetreuung erfolgt eine sensible, aber umfassende Diagnostik und Klärung, sowie die am kindlichen Zeitempfinden ausgerichtete Perspektivenentscheidung im Hilfeplanprozess.

Die befristete Aufnahme in FBB mit der verbindlichen Regel zur Beendigung durch Rückführung oder Weitervermittlung schafft eine besondere Anforderung an die Pflegeperson und fordert ein hoch-professionelles System unterstützender Hilfen zur temporären Umsetzung ein.

Bei stationären Hilfen ist eine zum Wohl des Kindes gelingende Zusammenarbeit mit den Eltern herzustellen. Im Rahmen der Hilfeplanung ist ein Konzept zur Unterstützung der Eltern (Stufenplan) zu erarbeiten. Die Perspektivenentscheidung zur Rückführung oder Weitervermittlung in eine Anschlusshilfe ist prognostisch festzustellen, nach Zeitablauf zu überprüfen und umzusetzen.

Die Anforderungen, die im § 37 Abs. 1 SGB VIII aufgezeigt werden, verdeutlichen die Dimension der Aufgabenstellungen an die sozialen Dienste und Institutionen, die im Hilfeplanverfahren nach der Trennung des Kindes von den Eltern gleichzeitig anzustoßen und zu initiieren sind:

  • ASD: Hilfeplanverfahren und Prognose zur Rückführung - Perspektivklärung orientiert am kindlichen Zeitempfinden
  • Eltern/ Vormund: als Personensorgeberechtigte z.B. Antragstellung von Hilfen zur Erziehung
  • FBB: Hilfe für das Kind, Beruhigung und Schutz, Entwicklungsförderung, Kontaktbegleitung, Unterstützung des Kindes im Übergang
  • Fachberatung FBB: Beratung und Qualifizierung der FBB, Vor- und Nachbereitung sowie Begleitung der Kontakte, entwicklungsgerechte, am Kind orientierte Ausgestaltung von Übergängen von der Aufnahme zur Rückführung oder Weitervermittlung in geeignete Anschlusshilfe
  • Arzt/ Psychologe: medizinische und entwicklungspsychologische Diagnostik zum Kind
  • Ambulante Hilfe: Hilfe für die Eltern, Clearing zur Option Rückführung (Familienaktivierung), Rückführungsmanagement

In der Praxis ist immer wieder festzustellen, dass mit der Inobhutnahme und Trennung des Kindes von den Eltern die unterstützende ambulante Arbeit mit den Eltern eingestellt wird. Insbesondere in der Zeit der schwersten Krise einer Familie ist Elternarbeit aber weiterhin notwendig, z.B. zur Verarbeitung der als Scheitern empfundenen Fremdunterbringung, zur Klärung der Eltern-Kind-Beziehung, zur Behebung der Erziehungsschwierigkeiten u.a.m.. Der Einsatz ambulanter Hilfen als direkte Ansprechpartner für die Eltern ist mit der Hilfe für das Kind in FBB anzubieten und zu vernetzen, wenn die Familienaktivierung mit der Prognoseentscheidung zur Rückführung Ziel der Hilfeplanung ist.

Rückführungsbemühungen werden dort gefordert, wo positive emotionale Bindungen der Kinder zur Herkunftsfamilie die Rückführung im Interesse und zum Wohl des Kindes sinnvoll erscheinen lassen.

Haben sich bei lang andauernder Misshandlung (bei Vernachlässigung, physischer bzw. psychischer Misshandlung oder sexuellem Missbrauch) die Beziehungen zur Herkunftsfamilie angstbesetzt, traumatisch und/oder destruktiv entwickelt, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob positive Bindungen bestehen oder realistischerweise entstehen können (vgl. Münder u.a.: Frankfurter Kommentar SGB VIII, § 37 SGB VIII RN 14).

Die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt soll "innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums" getroffen werden. Ist eine Rückführung zu den Eltern innerhalb eines am Entwicklungsalter des Kindes orientierten Zeitrahmens nicht möglich, ist vorrangig zu prüfen, ob eine Vermittlung in eine andere Familie (z.B. Verwandten-/ Netzwerkpflegefamilie oder Fremdpflegefamilie) in Betracht zu ziehen ist.

Verweildauer von Säuglingen und Kindern im Vorschulalter in FBB

In der Praxis der Pflegekinderhilfe stellt die überlange Verweildauer der Kinder in FBB die größte fachliche Herausforderung dar. Gerade Säuglinge und Kleinkinder binden sich nach gewisser Zeit auch an ihre Bereitschaftspflegeeltern, selbst wenn diese von Anfang an in der Rolle von Bereitschaftspflegeeltern tätig sind. Allgemein wird eine besondere Trennungsempfindlichkeit für Kinder zwischen etwa sechs Monaten und sieben Jahren konstatiert, mit einer hochsensiblen Phase zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Mit zunehmender Verweildauer der Kinder im Übergang, mit Aufenthaltszeiten von über einem Jahr, werden Wünsche der Bereitschaftspflegefamilien nach dem Verbleib des Kindes geweckt. Daraus entsteht eine neue Beratungs- und Prüfsituation. Pflegepersonen auf Zeit könnten als Pflegepersonen auf Dauer für das Kind nicht die Passung anbieten, die nur durch eine bedarfsgerechte Vermittlung eröffnet wird.

Ein Qualitätsmerkmal gelingender Bereitschaftsbetreuung ist die zeitliche Befristung und Beendigung der Hilfe. Säuglinge bis zum ersten Lebensjahr sollten maximal sechs Monate in FBB verweilen. Grundsätzlich sollte nach einer Dauer von höchstens sechs Monaten die weitere Perspektive für das Kind und seiner Familie geklärt sein, so dass die Rückführung oder Weitervermittlung eingeleitet werden kann. Die "Brücke des Übergangs" bei Rückführung oder Weitervermittlung ist für die Kinder entwicklungs- und situationsgerecht pädagogisch auszugestalten.

Zur Beschleunigung der Abläufe und zur Erreichung zeitlicher Vorgaben wurde z.B. im Jugendamt der Stadt Düsseldorf mit dem Bezirkssozialdienst vereinbart, dass die Einleitung der Hilfeplanung spätestens fünf Tage nach der Inobhutnahme des Kindes erfolgt. Die Prognoseentscheidung zur Perspektive erfolgt spätestens nach drei Monaten auf Grundlage der dann vorliegenden Diagnostik zum Kind und zu den Eltern.

Die Bereitstellung von Hilfen für die Eltern zur Vorbereitung der Rückführung (ambulante Hilfe: Clearingauftrag zur Prüfung der Rückführungsmöglichkeit und im Anschluss die Einleitung Rückführungsmanagement) ist zeitnah nach der Trennung vom Kind zu starten oder bereits eingeleitete ambulante Hilfen sind fortzusetzen. Die Entscheidung zur Perspektive und die Einleitung der Rückführung oder der Vermittlung des Kindes in eine bedarfsgerechte Anschlusshilfe sollte nach sechs Monaten erfolgt sein.

Diese zeitlichen Vorgaben können in der Regel nicht eingehalten werden, wenn im Verlauf der Hilfen Sorgerechtsverfahren beim Familiengericht einzuleiten sind. Es mag im Einzelfall durch die frühzeitige Einbindung des Familiengerichts und gerichtliche Weisungen an die Eltern gelingen, nachfolgende Sorgerechtsverfahren zu beschleunigen. Die Stärkung von Kinderrechten in den Grundrechten könnte dieses Dilemma abschwächen. Die in § 37 Abs. 1 SGB VIII genannten Eckpunkte sollten entsprechend in das BGB übertragen werden.

FBB - Eignung

Die Pflegepersonen in Familiärer Bereitschaftsbetreuung verfügen über persönliche und pädagogische Kompetenzen, die sie durch eigene erbrachte Erziehungsleistung oder aus beruflichen Kontexten heraus mitbringen. Eine pädagogische Ausbildung der Pflegeperson wird nicht vorausgesetzt.

Die Auswahl, Information, besondere Vorbereitung und Qualifizierung der Bewerber/innen sind jedoch Voraussetzung für die Anerkennung als Pflegepersonen für die familiäre Bereitschaftspflege.

Die Pflegeperson/en in familiärer Bereitschaftsbetreuung wirken als positives Vorbild und haben Verständnis und Einfühlungsvermögen für die besondere Belastungssituation des aufgenommen jungen Menschen. Kinder und Jugendliche erfahren Versorgung, Sicherheit, Halt und Orientierung.

Ein Kinderzimmer muss für das aufzunehmende Kind vorhanden sein. Säuglinge und Kleinkinder in FFB benötigen nach Erfahrungen von Beziehungsabbruch und Trennung eine konstante Hauptbezugsperson, die sie feinfühlig versorgt und Kontakt anbietet.

Während der Zeit der Bereitschaftsbetreuung bietet die Pflegeperson dem Kind eine verlässliche Beziehung an, signalisiert aber auch, dass sie es wieder loslassen kann, wenn der Übergang zurück zu den Eltern oder zu neuen Bezugspersonen Ziel der Hilfeplanung ist. Kinder in FBB benötigen eine realistische, altersbezogene Aufklärung über ihre aktuelle Situation. Sie sollen feinfühlige Zuwendung, Verständnis und Unterstützung im Umgang mit Gefühlen von Trauer, Angst und Ärger (z.B. über den Verlust der Eltern) erfahren.

FBB - Aufgaben

An die Pflegepersonen, die Familiäre Bereitschaftsbetreuung übernehmen, werden entsprechend der Notsituation hohe und differenzierte Anforderungen gestellt: Bereitschaft zur ad hoc Aufnahme, Stabilisierung des Kindes in der Krisensituation, Elternkontakte, Wahrnehmung von Diagnostik- und Behandlungsterminen, Kontakte im Rahmen gutachtlicher Tätigkeiten (z.B. mit dem Verfahrensbeistand oder Sachverständigen und in familiengerichtlichen Verfahren), intensive Kontakte im Rahmen der Ausgestaltung des Übergangs zur Rückführung oder weiterer Jugendhilfe-Maßnahmen (z.B. die auf Dauer angelegte Lebensform in Vollzeitpflege) u.a.m.. Erklärtes Ziel ist es, Kinder, die in Not geraten sind, schnell aufnehmen und bedarfsgerecht zu versorgen. Erforderliche Übergänge zur kind- und situationsorientierten Ausgestaltung werden ermöglicht und unterstützt.

FBB - Aufgaben der Fachberatung

Die Fachberatung begleitet Kind, Eltern und Pflegepersonen in der Bereitschaftsbetreuung sorgsam. Sie verfügt über ein pädagogisches Handlungs- und Beratungskonzept zur verhaltensorientierten Anleitung für die Beziehungsgestaltung und den Umgang mit dem Kind, insbesondere in belasteten Situationen (z.B. nach traumatischer Schädigung, in Situationen von Trauer, im Übergang zur Rückführung oder Weitervermittlung).

Kind und Pflegepersonen werden intensiv durch die Fachberatung begleitet, beraten und unterstützt:

  • Unterstützung für das Kind: Beruhigung, Verarbeitung von Schockreaktionen und Desorientierung, Integration des Erlebten in die jetzige Situation, Stabilisierung und Neuorientierung
  • Beratung und Begleitung der Pflegepersonen beim Ankommen und bei der Beruhigung des Kindes, bei Versorgung und Betreuung, Gewährleistung strukturierter Tagesabläufe, erforderlicher Präsenz, Sicherung der Entwicklungsaufgaben des Kindes, medizinischer Versorgung, Kontaktregelungen, Zielvereinbarungen im Hilfeplanverfahren
  • Unterstützung der Eltern und gegebenenfalls wichtiger Bezugspersonen des Kindes: Beruhigung und Klärung der Situation, Informationen zum Verfahren, Rollenklärung, Vereinbarungen zur Kontaktregelung, Zielvereinbarungen im Hilfeplanverfahren

Kontaktregelungen zu den Eltern werden bei offener Perspektivenplanung in der Regelmäßigkeit angeboten, die für das Kind erforderlich ist, um die Beziehung zu erhalten. Im Kinderschutzfall werden die Kontakte immer begeleitet und außerhalb des Wohnbereichs der Pflegepersonen geplant. Die Eltern, die Pflegepersonen und das Kind erfahren eine gute Vor- und Nachbearbeitung, damit die Kontakte gelingen und kindgerecht ausgestaltet werden können.

Bereitschaftspflegepersonen werden qualifiziert und fortgebildet, z.B. durch regelmäßige Gruppenangebote, Seminartage und Fachtage (z.B. zu Themen wie Erste Hilfe für das Kind, sicherer Schlaf des Säuglings, kindliche Entwicklung, Bindung, Besuchskontakte, Traumatisierungen u.a.).

Die Fachberatung erhält neben der internen Fallberatung im Rahmen kollegialer Beratung das Angebot regelmäßiger Supervision.

FBB - Eckpunkte zu den Standards am Beispiel des Stadtjugendamtes Düsseldorf

  • Steuerung der Aufnahmen in FBB:
    • orientiert am Entwicklungsalter und Bedarf des Kindes
    • Kinder bis zum 36. Lebensmonat werden vorrangig in FBB platziert
    • Handlungsgrundsatz: Geschwister werden im Rahmen von Inobhutnahme gemeinsam aufgenommen (weitere Erfahrung von Trennung soll vermieden werden), Diagnostik der Beziehungsqualitäten und Geschwisterrollen während der Unterbringungszeit besser möglich
  • Aufnahmesituation:
    • Direktaufnahmen aus der Klinik möglich
    • Aufnahmen in der Regel in den Räumen des Trägers; Zielsetzung: beruhigte Aufnahmesituation für alle Beteiligten - keine Direktaufnahmen am Ort der Krise
    • Beteiligte: Eltern/Begleitperson (BSD/Vormund) und Kind sowie FBB und FB FBB
    • gegebenenfalls Terminabsprachen mit den Eltern zu Besuchskontakten.
  • medizinische Versorgung des Kindes nach der Aufnahme:
    • zeitnahe Vorstellung des Kindes beim Kinderarzt, im Regelfall am nächsten Werktag
    • bei Auffälligkeiten sofortige Vorstellung in der Kinderklinik
    • bei Spuren von Misshandlungen sofortige Vorstellung in der Rechtsmedizin der Universitätsklinik
  • Diagnostik zum Kind:
    • Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ): Entwicklungsdiagnostik
    • Kinderschutzambulanz: Diagnostik bei Verdacht von Gewalt in der Familie, Bindungsdiagnostik
  • Zusammenarbeit mit den Eltern/ Herkunftsfamilie:
    • Aufnahmegespräch wenn möglich mit den Eltern; Ambulante Hilfen sind zu diesem Zeitpunkt teilweise involviert
    • Gesprächsangebot zur Vorbereitung der begleiteten Besuchskontakte (Regeln)
    • Information zur Hilfe für das Kind für die Eltern und eventuell weiteren involvierten Verwandten. Austausch mit den Geschwistern bei getrennter Unterbringung, um einen Kontakterhalt zu gewährleisten
    • Begleitete Besuchskontakte in den Räumen des Trägers; der Kinderschutz muss sichergestellt sein. Ein kindgerechter Kontakt muss möglich sein (Frequenz: 1 x pro Woche 1 Stunde)
    • die Vor- und Nachbereitung erfolgt mit der Familiären Bereitschaftsbetreuung und, wenn nötig, mit dem Kind und den Eltern
    • weitere begleitete Besuchskontakte pro Woche nach Vereinbarung im Hilfeplan
  • Fachberatung FBB:
    • erster Hausbesuch nach Neuaufnahme innerhalb von fünf Werktagen nach der Aufnahme
    • Kontakte mit der FBB: i.d.R. einmal wöchentlicher Kontakt
    • Hausbesuche i.d.R. einmal im Quartal bei Belegung
    • weitere Kontakte, regelmäßige Telefonate und außerordentliche Kontakte bei Veränderungen im Familiensystem (z.B. Krisen, Trennung, Auszug etc.)
    • Auswertungsgespräch nach Entlassung und Jahresauswertung unabhängig von der Belegung
    • Beobachtungsberichte zum Kind und Bedarfsbeschreibung
  • Krisenmanagement, Fachaufsicht § 37 Abs. 3 SGB VIII und Schutzauftrag § 8 a SGB VIII:
    • Auslöser von Krisen können sein: Unfall des Pflegekindes, Erkrankung der FBB, Veränderungen von besonderer Bedeutung in der FBB-Familie (z.B. Trennung/ Auszug), Anzeigen zu Lasten der FBB-Familie (z.B. aus dem Umfeld/ der Nachbarschaft der FBB)
    • Krisenberatung Fachteam FBB: Ist eine Entlastung der FBB bei den Betreuungszeiten für das FBB-Kind erforderlich, erfolgt die Einsatzplanung "Ergänzungshilfe". Gegebenenfalls Prüfung zur Verlegung des Kindes in andere FBB-Stelle oder Aufnahme des Kindes in Kleinkinderschutzgruppe im Kinderhilfezentrum
  • Rückführung:
    • Ziel der Rückführung oder Vermittlung in eine andere Hilfeform ist es, dem Kind eine stabile Integration zu ermöglichen, um in der Zukunft weitere Ortswechsel und Beziehungsabbrüche zu vermeiden
    • die Gestaltung der Übergänge erfolgt kind- und situationsorientiert
    • die Planung orientiert sich am Alter, dem Entwicklungsstand und den Vorerfahrungen des Kindes
    • das kindliche Zeitempfinden wie auch die Reaktionen des Kindes auf Anbahnungskontakte werden berücksichtigt
    • Vorbereitung der Rückführung, Begleitung und Wechsel
    • Abstimmung mit den Eltern zum "Fahrplan" der Rückführung
    • Kontakt zunächst im Fachdienst - Intensivierung im Besuchskontaktraum/ auf dem Spielplatz
    • dann Kontakte im Haushalt der Eltern, evtl. unter Hinzuziehung einer ambulanten Hilfe zur Unterstützung des Übergangs
  • Vermittlung des Kindes in eine stationäre Anschlusshilfe, z.B. Pflegefamilie u.a.:
    • Bedarfsbeschreibung zum Kind, Beratung beteiligter Fachkräfte, Abstimmung zum "Fahrplan", Kontaktanbahnung und Begleitung zur Ausgestaltung des Übergangs
  • Biografiearbeit:
    • Tagebuch/ Fotobuch mit Inhalte wie Aufnahme und Ankunft, erste Tage, Entwicklungsschritte (wie Laufen, 1. Zahn), Eigenarten und Besonderheiten, Kontakt zu den Eltern
  • Qualifizierung der FBB:
    • einmal monatlich moderierte Gruppenarbeit mit dem Ziel des Austauschs von Informationen, der gemeinsamen Reflexion von Themen oder Fallsituationen, dem Treffen von Vereinbarungen, dem Eruieren von Fortbildungsbedarfen (Teilnahme verpflichtend für alle FBB)
    • Fortbildungstage: zwei Tagesveranstaltungen pro Jahr (z.B. zu Themen wie erste Hilfe, Traumata etc.)
  • Supervision:
    • Gruppen- und Fallsupervision für die FBB
    • Einzelsupervision nach Vereinbarung in schwierigen Fällen
    • Team- und Fallsupervision für FB FBB
  • Personalausstattung:
    • die Fachberatung in der FBB ist mit Kontinuität und hoher Qualität zu gewährleisten und fordert eine spezifische Form der Fachlichkeit. Der Beratungsaufwand für gut geeignete FBB-Kräfte ohne sozialpädagogische Ausbildung ist höher zu veranschlagen
    • "Dies bedeutet: 1:6 bei ausschließlich Laienkräften und 1:8 bei professionellen Betreuungskräften in der FBB" (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Bereitschaftspflege - Familiäre Bereitschaftsbetreuung, 2002, S. 500; vgl. Rahmenkonzeption Familiäre Bereitschaftsbetreuung - LVR 2010).
    • 1:7 Vollzeitstelle pro Kinder in FBB

Qualitätsentwicklung und bedarfsgerechter Ausbau der FBB

Dem bundesweiten Anstieg der Fallzahlen in der Inobhutnahme ist mit einem bedarfsgerechten Ausbau der Familiären Bereitschaftsbetreuung für Säuglinge und Kinder im Vorschulalter zu begegnen. Öffentlichkeitsarbeit ist nachhaltig zu betreiben, damit in den Regionen geeignete Personen angesprochen, informiert und vorbereitet werden.

Das Angebot der FBB kann von freien und öffentlichen Trägern gleichermaßen angeboten werden. Das Kinderschutzgesetz bietet die Chance einer Vereinheitlichung der Standards in familiärer Bereitschaftsbetreuung (FBB). § 79 a SGB VIII verpflichtet den öffentlichen Träger zur Qualitätsentwicklung für die Gewährung und Erbringung von Leistungen. Der öffentliche Träger steht damit in der Verantwortung, notwendige und gewünschte Standards zu definieren und die erforderlichen Rahmenbedingungen zur Leistungserbringung zur Verfügung zu stellen.

Autor

Andreas Sahnen, Diplom-Sozialarbeiter, Zusatzqualifikation in systemischer Familienberatung, seit 1994 Fachberatung im Pflegekinderdienst, seit 2002 Sachgebietsleiter Pflegekinderdienst im Jugendamt, Mitarbeit in verschiedenen Facharbeitskreisen zur Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe

Hinweis

Veröffentlicht am 15.09.2015