Familienerholung als niedrigschwelliges Angebot präventiver Familienförderung

Karin Germer

 

Staatliche Urlaubsförderung scheint angesichts der vielen harten Sozialhilfethemen, die unsere Gesellschaft bewegen, oberflächlich betrachtet ein Luxusgut zu sein. Bisher scheint auch die dezentrale Arbeit der gemeinnützigen Familienerholung der Wahrnehmung ihrer Potentiale seitens der eher auf lokale Netzwerke bezogenen Kinder- und Jugendhilfe entgegen gestanden zu haben.

 

Aber wenn man genauer hinsieht, leistet Familienerholung heute wichtige Präventionsarbeit. Als sogenannte "Kann-Leistung" ist der Individualzuschuss zur Familienerholung bei Sparzwängen bereits in acht Bundesländern geopfert worden (1). Wenn eine Gesellschaft die Prävention aber stärker in den Fokus rückt, können der Verzahnung und besseren Zusammenarbeit der drei Bereiche des § 16 SGB VIII Schlüsselfunktionen zuwachsen.

 

Seit den Anfängen in den 1950er Jahren hatte Familienerholung auch den Anspruch, neben dem Erholungsaspekt familienpädagogische Arbeit zu ermöglichen. Darum dürfte sie 1961 Eingang ins Jugendwohlfahrtsgesetz gefunden haben. Seit 1991 gehören Familienerholung und Familienfreizeiten im Kinder- und Jugendhilferecht (§ 16 SGB VIII) gemeinsam mit Familienberatung und Familienbildung zu den präventiven Hilfen für alle Familien.

 

Die Zuordnung der gemeinnützigen Familienerholung zur Kinder- und Jugendhilfe und die damit gesetzten Anforderungen an Fachlichkeit, Arbeitsweise und Zielgruppenorientierung bedeuten keine Einschränkung in der Vielfalt und Reichweite gemeinnütziger Familienerholungsarbeit. Der Auftrag lautet generell: Förderung der Erziehung in der Familie. Diese richtet sich grundsätzlich an alle Familien und ist inhaltlich nicht auf Aspekte beschränkt, die sich unmittelbar auf die erziehungsrelevante Interaktion zwischen Eltern und Kindern beziehen. Die "Vermittlung von kultureller, sozialer, personaler und instrumenteller Kompetenz als Inhalt von Erziehung und Bildung im Lern- und Erfahrungsfeld Familie" (12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung) wird immer dann gefördert, wenn für die Bewältigung des Familienalltags Stärken aufgebaut und Überbelastungen abgebaut werden. § 16 SGB VIII ist ressourcen- und nicht defizitorientiert angelegt.

 

Die gesetzliche Maßgabe, dass die Angebote "insbesondere in belasteten Familiensituationen" wirksam werden sollen (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) ist mit allem Nachdruck zu verfolgen. Allerdings bedeutet das "insbesondere" nicht "überwiegend". Das heißt, die Zielerreichung sollte nicht immer wieder daran gemessen werden, ob die besonders belasteten Familien in der Überzahl sind. Sie ist vielmehr danach zu beurteilen, mit welcher Offenheit, Intensität und Qualität sich die Einrichtungen um diese Zielgruppen bemühen und sich ihnen engagiert zuwenden.

 

In das Angebot der Familienerholung sollen alle Generationengemeinschaften einbezogen sein, in denen verbindlich Verantwortung für und mit Kindern sowie für pflegebedürftige Angehörige gelebt und geleistet wird. Selbstverständlich gilt dies auch für Ein-Elternfamilien, für sogenannte Patchwork-Familien, für Adoptiv- und Pflegekinderfamilien, für die Gemeinschaft mit Großeltern und für andere in besonderer Verantwortung für einander lebende Verwandtschaftsbeziehungen. Familienerholung heute ist mit einem hohen Maß an Pluralität und Heterogenität von Familienwirklichkeit konfrontiert.

 

Im Zuge der generell gewachsenen öffentlichen Aufmerksamkeit für Familien und deren realen Unterstützungs- und Förderungsbedarf werden auch von der Politik zunehmend anspruchsvollere, spezifische Erwartungen an die Art und Qualität der gemeinnützigen Familienerholungsarbeit gestellt, insbesondere im Interesse "besserer" Wahrnehmung elterlicher Erziehungsverantwortung, ohne allerdings die Sicherstellung der hierfür nötigen konzeptionellen, fachpersonellen und finanziellen Bedingungen adäquat mit zu benennen. Auf diese Weise gerät gemeinnützige Familienerholung zunehmend in ein Finanzierungsdilemma, das umso größer wird, je mehr und konsequenter sie zeit- und bedarfsgerecht ihrem öffentlichem Auftrag nachzukommen versucht.

 

Dass Familienbildung und deren Förderung überwiegend auf Familienbildungsstätten beschränkt sind und Bildungsarbeit in Familienferienstätten bisher wenig öffentliche Anerkennung findet, könnte damit zusammenhängen, dass die vielfältige, aber niedrigschwellige und informelle Bildungsarbeit der Familienferienstätten nicht als hinreichend bedeutsam angesehen wurde, lässt sie sich doch auch schwer in messbaren und analysierbaren Fakten und Zahlen darstellen. Beide Bereiche, Bildung wie Beratung, sind elementarer Bestandteil von Familienerholungsarbeit und auch abseits formaler Angebote präsent. Dieses Potential noch stringenter in der Arbeit der Einrichtungen umzusetzen, bleibt eine wichtige Zukunftsaufgabe. Deren Wirkmöglichkeiten sollen hier im Blick auf informelle Bildungsarbeit verdeutlicht werden.

 

Was kann gemeinnützige Familienerholung zur Prävention beitragen? Einige Thesen

 

  1. Erholung als Auszeit vom Alltag ist ein Wert an sich und dient der Gesundheitsvorsorge.

 

Der Alltag von Familien ist heute oft stark durchorganisiert. Familie muss häufig erst "hergestellt" werden. Unser Leben hat die früher selbstverständlichen Ordnungen verloren. Viele Menschen sind daher wieder auf der Suche nach Halt, auch nach Orten guter Spiritualität. Denn zum gelingenden Leben brauchen wir Ressourcen und Zeit, um Abstand vom Funktionieren müssen zu bekommen und um Freiräume und Muße zu erleben. Auch Rückhalt und Freundschaft in Gemeinschaft mit anderen Menschen zu erfahren ist eine wichtige Ressource.

 

  1. Erholungszeiten können genutzt werden, um Menschen mit Themen in Berührung zu bringen, die im Alltag außen vor bleiben.

 

Zu solchen Themen gehören beispielsweise:

 

  1. Gesundheitsfragen: Bewegung, Ernährung
  2. Erziehungsfragen: Stärkung der Erziehungs- und Medienkompetenz
  3. Hauswirtschaftliche Fragen: Umgang mit Geld und Wirtschaften
  4. und in konfessionellen Häusern auch mit Glaubensfragen: Besinnung und Religiosität zu erleben in einer "Gemeinde auf Zeit". Oft machen Eltern über ihre Kinder ganz neue Erfahrungen mit dem Glauben. Die spirituelle Ebene ist ein positiver Faktor, um Halt für eine Persönlichkeit zu geben.

Dass in Familienferienstätten keine langen Zugangswege zu Bildungsangeboten zu überwinden sind, lässt sich nutzen, um möglichst für alle Einrichtungen einen Standard thematischer Angebote bzw. inhaltlicher Arbeit zu den Themen a bis c zu entwickeln. Hier sind Beteiligung, Kooperation und Vernetzung anzustreben.

 

  1. Erholungszeiten bieten ungeahnte Möglichkeiten zum informellen Lernen.

 

Bildung ist eine wichtige Ressource, um Präventionsangebote überhaupt wahrnehmen zu können!

 

Das Programm "Stärke" in Baden-Württemberg

 

Aus der konkreten Arbeit eines Feriendorfs wird hier ein Programm vorgestellt, das fast idealtypisch vermittelt, welche der eben genannten Potentiale in Familienerholungsarbeit stecken.

 

Seit 2005 stehen in Baden-Württemberg keine Individualzuschüsse zur Familienerholung mehr zur Verfügung. Aber das Landesprogramm "Stärke" des Sozialministeriums ermöglicht es seit einigen Jahren u.a., in einem Feriendorf mehrere Familienbildungswochen für Eltern mit Kindern bis 14 Jahren durchzuführen. Die Unterkunfts- und Verpflegungskosten und sonstigen Ausgaben werden über "Stärke" (1.000 € pro Familie und Woche) und besondere Aktivitäten über Spenden der Diakonischen Bezirksstelle finanziert. Aus der Finanzierung 1.000 € pro Familie müssen die Maßnahmeträger alle Kosten des Kurses anteilig bestreiten. Als Eigenanteile für die Familien bleiben: 30 € pro Elternteil (auch für Alleinerziehende) und 20 € pro Kind.

 

Die Teilnahme am Elternkurs ist Teil der Familienbildungswoche und für alle Eltern verbindlich. Der Kurs umfasst 5 x 3 Stunden; während dieser Zeit werden die Kinder betreut. Zum Kurs gehören außerdem gemeinsame Aktivitäten: gemeinsam spielen, basteln, schwimmen, reiten, grillen, kleine Wanderungen und einen Tagesausflug mit dem Bus machen, ein Vorleseabend für Kinder, ein gemütliches Beisammensein.

 

Für den Kurs wird so geworben:

 

Kurs für Eltern: (Auf-) Wachsen in familiären Zusammenhänge

Die bunten Buchstaben wirken fröhlich und ansprechend und haben nichts Beunruhigendes, obwohl es sich um ein Bildungsangebot handelt. Das gilt auch für den erklärenden Text:

 

Erholen - entspannen - sich stärken - 7 Tage Abstand vom Alltag bekommen, Schönes erleben, nette Leute kennenlernen und Anregungen für zu Hause mitnehmen!

 

Dies klingt freundlich und nicht nach Anstrengung.

 

Bereits in diesen Überschriften sind wichtige Ziele von Familienerholungs-Arbeit verpackt:

 

  1. Eltern sind eine wichtige Zielgruppe
  2. Familie als wichtigen Ort des Aufwachsens bestärken und erlebbar machen - daran können Menschen "wachsen"
  3. Abstand vom Alltag bekommen
  4. Austausch: Erfahrungen zu teilen verhilft oft zu Problemlösungen
  5. Anregungen für zu Hause

 

Zielgruppe dieses Angebots sind: Familien in einer herausfordernden Lebenssituation, die andere Familien kennenlernen und sich in einer entspannten Umgebung austauschen wollen, um mit neuen Ideen gestärkt in ihren Alltag zurückzukehren.

 

Als "Einheiten" des Elternkurses werden in der Ausschreibung genannt:

 

  • "Familie als Team": In erlebnisreicher Umgebung erfahren Sie sich selbst und als Familie, was zusammenhalten bedeutet, wie es sich anfühlt, wenn man sich aufeinander verlassen und wie man zu Hause die Freizeit miteinander gestalten kann.
  • "Alles in Bewegung": Spielerischer Umgang miteinander kann Stressabbau sein. Wir lernen den anstrengenden Alltag fröhlich zu gestalten, denn im Spiel gibt es klare Regeln, einen respektvollen Umgang und im guten Spiel gibt es keine Verlierer.
  • "Gute Ernährung für Kinder": Es gibt Anregungen, was es heißt, sich gut zu ernähren, wie die Essenssituationen positiv gestaltet werden können. Wir geben Tipps für eine ansprechende, kindgerechte und preisgünstige Zubereitung der Mahlzeiten.
  • "Auskommen mit dem Einkommen": Wenn das Einkommen knapp ist, ist die Einteilung eine Herausforderung. Wir wollen mit Ihnen den Blick darauf werfen und Tipps geben.
  • "Die Bedeutung von Grenzen und Regeln in der Erziehung"möchten wir Ihnen nahe bringen und Ihren Fragen dazu Raum geben.

 

Zur Umsetzung: Das Feriendorf stellt Unterkunft und Verpflegung. Die Planung und Leitung der Woche werden durch eine externe Sozialpädagogin erbracht; dazu kommen Fachreferent/innen für die Themen des Elternkurses.

 

Informelles Lernen als Potential der Familienerholung

 

Auch unabhängig von gezielten Kursen geht es in der Arbeit der Familienferienstätten generell darum, Familien durch die besondere Art des Zusammenseins Anregungen zu geben, wie sie den Alltag besser meistern können. Dabei spielt informelles Lernen eine wichtige, aber bisher kaum beachtete Rolle, obwohl im informellen Lernen ein großes Potential der Familienerholung liegt (2). Informelles Lernen eröffnet Möglichkeiten, Selbstwirksamkeit als personelle Ressource zu entdecken.

 

In folgenden Bereichen wird u.a. informell gelernt:

 

  • "Alltagsbildung" (Hygiene, Zubereitung von Essen, Situierung formaler Lerninhalte usw.)
  • emotionale Selbstregulation
  • Formen der Konzentration
  • Formen der Bewältigung von Stress
  • Spiritualität und geistliches Leben
  • zahlreiches Einzelwissen

 

Um formell lernen zu können, bedarf es der Ressource des informellen Lernens, als Bedingungsmöglichkeit für formelles Lernen. Eigentlich ist die Familie der Ort, wo vorrangig informell gelernt wird - aber auch Urlaubssettings wirken auf die Personen und auf die Struktur der Familie. Darum werden im Folgenden einige Gelegenheiten zum informellen Lernen in Familienferienstätten vorgestellt:

 

  1. Mahlzeiten in Familienferienstätten mit Verpflegungsangebot:
    • Als Familie gemeinsam am Tisch eine Mahlzeit einzunehmen ist eine Kulturtechnik, die im Alltag fast zu verschwinden droht. Dabei werden u.a. Tischmanieren gespiegelt; der Tag erhält durch Mahlzeiten eine Struktur.
    • Essen am Buffet: Wie geht das, sein Essen am Buffet zu holen? Anstellen, es wird nachgelegt, man muss nicht drängeln...
    • Kennenlernen von gesunden Mahlzeiten, die schmecken: Wenn andere sie probieren und essen, kann es nicht so schlimm sein - oder vielleicht sogar gut schmecken.
  2. Begegnung mit anderen Familien und Generationen
    • Kennenlernen anderer Familienformen: Alleinerziehende, Patchwork- und Pflegefamilien, Großeltern, Einzelkind - Geschwisterkinder
    • Zusammentreffen mit Menschen mit Behinderungen: Viele Familien haben diesbezüglich keine Erfahrungen aus ihrem Alltag und sind entsprechend unsicher.
    • Kennenlernen anderer sozialer Milieus, Werte, Bildungs- und Kulturhintergründe, religiöser bzw. kirchlicher Verbundenheit.
    • Begegnung verbessert auch Teilhabechancen. Sie kann zum Austausch führen, wo oft gilt: "Geteiltes Leid ist halbes Leid!"
  3. Gestaltete Angebote, wie Spiele, Basteln und andere kreative oder sportliche Tätigkeiten, sprechen viele Fähigkeiten bei Erwachsenen wie Kindern gleichermaßen an, die Inhalt, Stufen und Ergebnis informellen Lernens sind. Eine Auswahl:
    • bewerten
    • entscheiden
    • sich selbst organisieren
    • teamfähig sein
    • sich an Regeln halten
    • Verantwortung übernehmen
    • anderen helfen
    • Mut aufbringen
    • sich selbst realistisch einschätzen können
    • Respekt vor anderen Einstellungen
    • kommunikativ sein
    • Einfühlungsvermögen haben
    • usw.
  4. Und wenn Kinder allein am Kinderprogramm teilnehmen, eröffnet das weitere informelle Lernmöglichkeiten:
    • Ablösungsprozesse aus dem Schutzraum "Familie"
    • Entdecken eigener Möglichkeiten
    • Entwickeln von Beziehungsfähigkeit und Freundschaft
    • Umgehen mit Ablehnung

 

All dies geschieht eher beiläufig! Wenn man informelles Lernen anregen will, bedarf es guter pädagogischer Konzepte und Begleitung.

 

In Freizeit und Urlaub gibt es eine Vielfalt informellen Lernens in non-formalen pädagogischen Settings. In Familienferienstätten gehören dazu beispielsweise:

 

Die "blaue Stunde" am Abend

 

Kleineren Kindern wird eine Gute Nacht-Geschichte vorgelesen, um deutlich den Übergang von der Aktivität des Tages zur Nachtruhe zu gestalten, also ein Ritual vorzuleben. Für manche Kinder ist es eine neue Erfahrung, andere Menschen lesend zu erleben und vorgelesen zu bekommen. Vorlesen ist - gerade in unserer digitalisierten Welt - für die Leseerfahrungen von Kindern ein wichtiger Entwicklungsschritt, der in den Alltag übernommen werden kann.

 

Singen in der Gruppe

 

Keine alltägliche Erfahrung mehr: Wer gemeinsames Singen in der Gruppe erlebt, belebt diese Form der Freizeitgestaltung möglicherweise neu in seiner Familie oder wird Mitglied in einem Chor.

 

Nachtwanderung

 

Eine Nachtwanderung zu machen kann dazu beitragen, in der Gemeinschaft die Angst vor dem Dunkel zu überwinden. Vorher müssen alle Handys und Taschenlampen eingesammelt werden.

 

Gemeinde auf Zeit

 

In konfessionellen Familienferienstätten gibt es Andachten und/oder Familiengottesdienste, die gemeinsam gestaltet werden, oder auch Freizeiten zu Ostern, Pfingsten und Advent: Hier kommen Menschen oftmals ganz neu mit religiösen Inhalten in Berührung und lassen sich über ihre Kinder darauf ein. Die "Gemeinde auf Zeit" bietet Gelegenheit, niedrigschwellige Zugänge zur Religion kennenzulernen. Darüber kann erfahren werden, wie man respektvoll mit der Religion des/der anderen umgeht, und auch keinen Glauben zu haben wird respektiert.

 

Lagerfeuer

 

Ein Lagerfeuer ist pädagogisch betrachtet eine komplexe Angelegenheit:

 

  • Mitarbeitende der Familienfreizeit/Familienferienstätte sammeln mit Eltern und Kindern gemeinsam auf einer Wanderung Holz und erfahren dabei etwas über den Wald (Natur- und Umweltbildung).
  • Ein Lagerfeuer aufzuschichten ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die ältere Kinder und Jugendliche gemeinsam mit einer verantwortlichen Person übernehmen können.
  • Das Feuer zu entzünden erfordert, dann auch die Verantwortung für das Feuer zu übernehmen. Das stärkt die Persönlichkeit und sorgt dafür, dass weniger "Unfug" mit dem Feuer gemacht wird. Die Kinder begegnen einer "ernsthaften Situation".

 

Denn beim informellen Lernen spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, die sich erst durch die Gemeinschaft und das Gruppengeschehen ergeben. Beim "Lagerfeuer" ist dies das Begegnen einer "ernsthaften Situation". Weitere Faktoren sind:

 

  • Bedeutung von signifikanten Anderen: Offensichtlich ist das Vorbild älterer Geschwister von Bedeutung sowie von signifikanten Anderen. Familienerholung ermöglicht Begegnung mit anderen Milieus und Vorbildern, gerade wenn jugendliche Mitarbeitende involviert sind (auch intergenerationell).
  • Anerkennung und "kleine Öffentlichkeit" (unmittelbare positive Anerkennung): Familienerholung bietet zahlreiche Möglichkeiten für Anerkennung und "kleine Öffentlichkeit" (etwas Vormachen, Geschichten vorlesen, Gedicht sprechen, in einer Andacht einen Part übernehmen, ein Feuer anzünden).
  • Anderen etwas zeigen bzw. lehren: Informelles Lernen wird dann besonders wirksam, wenn es das eigene Lehren ermöglicht. Der Rollenwechsel von Lernen - Lehren - Lernen in der Familienerholung kann Gästen bzw. Jugendlichen dieses Glücksgefühl geben, wenn sie anderen etwas zeigen können.
  • Ernsthaftigkeit der Situation: "Echte Situationen" erhöhen die Intensität des Lernens.

 

Und informelles Lernen wirkt umso intensiver, je höher die Dosis des Lernens, also die zeitliche Intensität ist.

 

Begegnung fördert Teilhabe

 

Begegnung fördert Teilhabe: Familien begegnen in Familienferienstätten nicht nur anderen Familien. In der entspannten Urlaubssituation kommen Familienmitglieder auch mit Mitarbeitenden der Familienferienstätte leichter ins Gespräch. Menschen öffnen sich en passant am Lagerfeuer oder auf der Wanderung und berichten von ihren Sorgen und Nöten, manchmal auch von glücklichen Momenten. Oft kann ad hoc ein Rat gegeben werden; manchmal kann Hilfe am Wohnort der Familien angebahnt werden, wenn zum Beispiel an Beratungsstellen vermittelt wird.

 

Fazit

 

Hier schließt sich der Kreis der Betrachtung vom Anfang dieses Artikels, als vom sinnvollen Zusammenwirken der präventiven Angebote im § 16 SGB VIII geschrieben wurde. Wie sehr die Familienbildung als Themenfeld mit der Familienerholung verwoben ist, sollte hinreichend deutlich geworden sein; hier ist viel Spielraum zum Ausbau von Kooperationen.

 

Zusammenfassend ist zu sagen: Familienferienstätten sind als Erholungs-, Bildungs- und Kommunikationszentren wichtiger Bestandteil unserer Bildungskultur, deren Wert für die Gesellschaft an sich und besonders vor dem Hintergrund der aufgezeigten Präventions- und Lernpotentiale nicht gering zu schätzen ist.

 

Anmerkungen

 

  1. Die Zuschüsse wurden abgeschafft in Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es aber besondere Programme von Maßnahmeträgern, die Familienerholung und Bildung verbinden.
  2. Die Ausführungen über informelles Lernen beruhen auf einem Vortrag von Prof. Annette Scheunpflug (Universität Bamberg, Koordinatorin Forschungsprojekt "Bildung als Landschaft"http://www.uni-bamberg.de/allgpaed/bal/: ), gehalten am 10.02.2015 beim Fachtag der Evangelischen Familienerholung.

 

Autorin

 

Dr. Karin Germer ist bis zum 31.12.2015 Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung. Informationen zur Arbeit der BAG Familienerholung sind im Netz unter www.bag-familienerholung.de zu finden. Ferner gibt es das Anfrageportal www.urlaub-mit-der-familie.de. Die Familienferienstätten bieten z.B. seit einigen Jahren auch die Möglichkeit an, "Urlaub mit Pflegebett" zu machen. Den alle zwei Jahre erscheinenden Katalog "Urlaub mit der Familie" erhalten Multiplikator/innen kostenlos.

 

Hinweis

 

Veröffentlicht am 16.06.2015