Jugendhilfe im Wandel - zwischen neuer Steuerung, Sozialraumorientierung und zunehmenden Finanzdruck: Welche Konsequenzen ergeben sich für die Organisationsentwicklung der freien Träger?

Petra Mund

Vorbemerkung

Die folgende Beschreibung der Situation in der Kinder- und Jugendhilfe wurde im Jahr 2003 verfasst und bezieht sich auf den damaligen Status Quo. Die Ausführungen sind somit als eine Grundlage für die Reflexion des gegenwärtigen wie des zukünftigen Diskurses in der Kinder- und Jugendhilfe zu verstehen. Dabei sind die Ausführungen an manchen Stellen ungebrochen aktuell: Auch weiterhin wird insbesondere in Bezug auf die stationären Hilfen zur Erziehung darum gerungen, wie die steigenden Kosten (von 2000 bis 2012 sind die Ausgaben um 2,65 Mrd. Euro gestiegen, und im Jahr 2012 brachten die Kommunen über 7,4 Mrd. Euro für Hilfen zur Erziehung auf [vgl. Fendrich et al. 2014, S. 36]) mit den schwindenden finanziellen Handlungsspielräumen der öffentlichen Träger zu vereinbaren sind, wie das Verhältnis zwischen freien und öffentlichen Trägern zukünftig zu gestalten ist und welche Rolle Sozialraumorientierung in diesem Kontext spielen soll.

Damit und auch vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, wie insbesondere der Inklusion und der Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, sind die Träger der Kinder- und Jugendhilfe gegenwärtig wie zukünftig gefordert, auf die stabile Instabilität in ihrer Umwelt mit einer flexiblen und gleichzeitig verlässlichen Organisationsstruktur zu reagieren, damit im Sinne der Adressat/innen professionelle Soziale Arbeit möglich ist und wirkliche Teilhabe hergestellt werden kann.

Die Umsteuerungsprozesse innerhalb der Jugendhilfe, die im wesentlichen von der Notwendigkeit der Kostenreduktion getrieben werden, fordern gerade auf der Seite der freien Träger ein enorm hohes Maß an Flexibilität der Mitarbeiter/innen. Organisationen müssen also in Zukunft ihre Kultur derart weiterentwickeln, dass sie gleichermaßen für Flexibilität und Beständigkeit steht.

Im Folgenden werden zunächst die aktuellen Entwicklungen innerhalb der Jugendhilfe dargestellt werden, um dann erste allgemeine Antworten auf die Frage zu geben, wie freie Träger der Jugendhilfe zukünftig organisiert sein sollten, um auch weiterhin den steigenden Anforderungen gerecht werden zu können. Wie dann jedoch die notwendigen Anpassungsleistungen konkret in der Praxis umgesetzt werden, hängt von den jeweiligen Realitäten der Organisation ab.

Aktuelle Situation in der Jugendhilfe

Organisationen Sozialer Arbeit im Spannungsfeld gesamtgesellschaftlicher Rahmenbedingungen

Die freien Träger der Wohlfahrtspflege sehen sich seit einigen Jahren einem zunehmenden Veränderungsdruck ausgesetzt, der im Wesentlichen durch schwindende finanzielle Mittel ausgelöst wurde.

Dabei steht insbesondere die Jugendhilfe immer mehr unter einem enormen Legitimationszwang hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den benötigten Ressourcen und der tatsächlich erbrachten Qualität der Hilfen. Maßgeblich im Bereich der kostenintensiven Hilfen zur Erziehung werden Nachweise der ökonomischen Mittelverwendung (Effizienz) und der Wirksamkeit der erbrachten Leistungen (Effektivität) immer stärker eingefordert. Diese Entwicklung wird sich auch in Zukunft durch den noch weiter fortschreitenden finanziellen Zusammenbruch und Rückzug der Kommunen als maßgebliche Kostenträger weiter verschärfen. Die Bedingungen, die bislang weitestgehend die Zusammenarbeit zwischen freien und öffentlichen Trägern bestimmt haben, ändern sich daher ebenfalls grundlegend. Bereits die Einführung des § 78a ff SGB VIII, mit dem die Prospektivität der Leistungsentgelte eingeführt wurde, stellte bereits eine wesentliche Abkehr von der in diesem Bereich bis zu dato geltenden Praxis des Selbstkostenprinzips über Zuwendungen dar. Zunehmend herrschen auch im sozialen Bereich die Gesetzte des freien Marktes.

An die Organisationen innerhalb des sozialen Bereiches werden im Zuge dieser Entwicklungen in den kommenden Jahren noch weiter reichende Forderungen nach grundsätzlichen Veränderungen herangetragen werden.

Soziale Arbeit hat sich im Großen und Ganzen nie in einem altruistischen Vakuum vollzogen, sondern war und ist stets in einem erheblichen Maße von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst. Ursprünglich als eng begrenzte Armen- und dann Arbeiterpolitik entwickelt, wird die zum heutigen Zeitpunkt sehr ausdifferenzierte staatliche Sozialpolitik mit ihren Sicherungssystemen (vgl. Bäcker 2001, S. 1709) in den vergangenen Jahren immer mehr auf den Prüfstand gestellt. Unter dem Stichwort "Krise des Sozialstaates" wird der Um- und Abbau dieser sozialen Sicherungssysteme auf allen Ebenen diskutiert und auch vermehrt realisiert.

Eigentlich ist diese Diskussion nicht neu, wenngleich derzeit ein besonders heftiger Aufschrei durch die Organisationen und Verbände geht. Genau genommen, befindet sich die Bundesrepublik bereits seit 1974 - beginnend mit Ende der Wachstumsgesellschaft und dem Beginn der Massenarbeitslosigkeit - in einer Phase der strukturellen Umbrüche und Einschnitte (vgl. Eißel 1999, S.10 ff.).

Die Träger der freien Wohlfahrtspflege sehen sich daher ebenfalls zunehmend grundlegenden Veränderungen ausgesetzt. Durch die immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen und bedingt durch ein neues Aufgabenverständnis bedient sich der Staat verstärkt auch gegenüber seiner bisherigen guten Kooperationspartner neuer Steuerungsstrategien.

Nachdem die öffentlichen Träger es zunächst im wesentlichen mit den etablierten Wohlfahrtsverbänden zu tun hatten, entstanden in den 1970er und 1980er Jahren viele Projekte im Bereich der Jugend- und Sozialhilfe aus der Alternativen- und Selbsthilfeszene heraus. Die bis dato bestehende Struktur begann zunehmend brüchig zu werden. Dem über die Jahre veränderten Verständnis von Subsidiarität trug dann auch das SGB VIII bei seiner Einführung im Jahr 1990 Rechnung und fasste unter dem Begriff der freigemeinnützigen Leistungsanbieter alle nicht privat-gewerblichen Organisationen zusammen (vgl. Olk 2001, S. 1912 ff.).

Die über die Jahrzehnte gewachsenen korporatistischen Verflechtungen von Staat und Wohlfahrtsverbänden nehmen gleichzeitig zunehmend einen anderen, weniger partnerschaftlichen Charakter an.

In den letzen zehn Jahren wurde von Seiten des öffentlichen Trägers verstärkt das als "ineffizient geltende System der Privilegierung tradierter freigemeinnütziger Träger der Jugend- und Sozialhilfe auf der Basis des Subsidiaritätsprinzips durch ein effektivitäts- und effizienzorientiertes System der Steuerung ersetzt" (Olk 2001, S. 1916). Im Zuge dessen kam es auch zu wesentlichen normativen Neuordnungen innerhalb der einschlägigen Gesetzesgrundlagen, auf deren Basis nun die Leistungserbringung durch die freien Träger erfolgt. Eine genauere Betrachtung - insbesondere der Neuregelungen der §§ 93 ff BSHG sowie der §§ 78 ff SGB VIII - zeigt deutlich, dass die bisherige Vormachtstellung der freien Wohlfahrtsverbände zugunsten anderer (auch gewerblicher) Träger aufgeweicht worden ist.

Durch die Abkehr vom Selbstkostenprinzip, hin zu der Einführung leistungsbezogener Entgelte, die in einer Leistungsvereinbarung zu konkretisiert werden (§ 78b Abs. 1 SGB VIII), wird ein nachträglicher Defizitausgleich ausgeschlossen. Zudem sprechen die Paragraphen 78 ff SGB VIII konsequent von Leistungserbringer und nicht von freien Trägern der Jugendhilfe, was ebenfalls als ein Mittel für eine "Eliminierung der bedingten Vorrangstellung der Träger der Freien Wohlfahrtspflege (...) bei der sozialen Dienstleistungserstellung" (Wohlfahrt 2001, S. 1790) angesehen werden kann.

Letztlich wurde und wird weiterhin auf diesem Wege ein staatlich regulierter Quasi-Markt mit Trägerkonkurrenz und Effizienzkriterien weitestgehend erfolgreich etabliert (vgl. Olk 2001, S. 1920).

Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr angebracht, sich dieser Entwicklung entgegen zu stellen, vielmehr gilt es sich nun kritisch mit den positiven und negativen Begleiterscheinung auseinander zu setzen. So birgt beispielsweise die Finanzierung durch Leistungsentgelte immer auch die Gefahr, auf diesem Wege eine Konkurrenzsituation zu schaffen, zwischen den im wirtschaftlichen Sinne marktfähigen (also refinanzierbaren) Leistungen und den Angeboten, die sich als nicht rentabel aber notwendig erweisen, zu schaffen (vgl. Grunwald 2001, S. 22). Eine Motivation, auch defizitäre Angebote aufrecht zu halten, kann dadurch gedämpft werden.

Das Phänomen, dass durch den nun auch privatwirtschaftlich geöffneten sozialen Markt sich in einigen Teilbereichen neben dem Quasi-Markt ein echter Markt herausbildet, wie es beispielsweise in der Altenhilfe bereits der Fall ist fällt ebenfalls unter das Stichwort der "Ökonomisierung der Sozialen Arbeit". Die Gefahr der qualitativ minderwertigen Dumping Angebote ist gegeben.

Gerade in letzter Zeit beginnt sich vielerorts auch im Bereich der Jugendhilfe ein Quasi-Markt zu entwickeln. Gleichzeitig wird jedoch gerade durch eine erfolgreiche Behauptung auf dem freien Markt unter Umständen auch die Finanzierbarkeit eigentlich nicht kostendeckender Leistungen möglich werden.

So wäre es möglich, das Finanzmanagement einer Organisation der Sozialen Arbeit in Analogie zu dem des von Grunwald verwandten Vorschlags Ristocks, die Finanzierung Sozialer Arbeit, - die im wesentlichen nach wie vor von einer Mischfinanzierung getragen wird - eine Dreiteilung, der Gesamtfinanzierungsmittel vornehmen. Zu dem ideellen Bereich, kämen die Bereiche des freien Marktes und des Zuschusses (vgl. Grunwald 2001, S. 20). Ein unter Umständen bestehendes Missverhältnis zwischen ideellen und gewinnorientierten Angeboten ließe sich auf diesem Wege ausgleichen, denn in der Vergangenheit war die Teilnahme an diesen gewerblichen Geschäftsfeldern oft nicht mit den gültigen Leitbildern und Wertevorstellungen der Organisationen vereinbar. Die freien Träger der Wohlfahrtspflege befinden sich also zudem in einem grundlegenden Prozess der Auseinandersetzung mit ihren eigenen Wertevorstellungen.

Zusammenfassend lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass "die Entwicklung der 90ger Jahre (...) insgesamt zu einer nachhaltigen Deprivilegierung der sozialrechtlichen Vorrangstellung der traditionellen Jugend- und Wohlfahrtsverbände und zu einer Aufwertung anderer - insbesondere privat-gewerblicher Träger auf den sozialen Dienstleistungsmärkten beigetragen" (Olk 2001, S. 1921) hat.

Soziale Arbeit bewegt sich insgesamt in einem Spannungsfeld zwischen den immer knapper werdenden finanziellen Mitteln auf der einen Seite und den veränderten Bedingungen in der Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Träger auf der anderen Seite bei gleichzeitig zunehmenden sozialen Disparitäten - bedingt durch die Veränderung der sozialen Sicherungssysteme. Von entscheidender Bedeutung wird daher sein, welche Rolle der Staat künftig bei der Erfüllung seiner wohlfahrtsstaatlichen Aufgaben (vgl. Punkt 1.2.1) noch einnehmen will bzw. kann und wird. Dabei wird Soziale Arbeit weiterhin immer eine Pufferfunktion zwischen Staat und den Betroffenen einnehmen.

Als vorrangigste Anforderung in dieser Situation ergibt sich somit für die professionell Tätigen die Aufgabe, diese Zeit relativer Unsicherheit auszutarieren, im Sinne der Betroffenen die vorhandenen Konzepte Sozialer Arbeit weiterzuentwickeln und die eigenen organisatorischen Strukturen im Gleichklang mit den konkreten gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu optimieren.

Reformentwicklungen innerhalb der öffentlichen und freien Jugendhilfe

Seit Beginn der 1990er Jahre befinden sich öffentliche Verwaltung wie freie Träger der Jugend- und Sozialhilfe als Reaktion auf den zunehmenden Finanzdruck in einem nachhaltigen Veränderungsprozess.

Die Kommunen haben als Reaktion eine umfassende Verwaltungsreform eingeleitet, wobei der Einstieg vielerorts innerhalb der Jugendämter erfolgte (vgl. Otto/ Peter 2003, S. 11). Im Zuge dessen ist es häufig auch zu einer Umorientierung innerhalb der Einrichtungen der freien Jugendhilfe gekommen (vgl. Merchel 2001, S. 388).

Ausgangspunkte der kommunalen Entwicklungen waren das Modell des "New Public Management" aus dem angelsächsischen Raum und die Erfahrungen der niederländischen Stadt Tillburg. Insbesondere letzteres war für die Transformation des so genannten "Modell der Neuen Steuerung" in die bundesdeutschen Verwaltungen ausschlaggebend (vgl. Otto/ Peter 2002, S. 7).

Für die freien Träger sind die Strukturen der Jugendämter ein wesentlicher Faktor für die Gestaltung der eigenen Prozesse und Abläufe. In der Praxis ist es in der Vergangenheit jedoch selten vorgekommen, dass die Entwicklungen innerhalb der Jugendämter unter Einbeziehung der freien Träger geschehen ist. Den freien Trägern als Kooperationspartnern der öffentlichen Jugendhilfe insbesondere bei den Hilfen zur Erziehung gem. §§ 27 - 35 SGB VIII, blieb und bleibt es in der Konsequenz nach wie vor oftmals nur noch übrig zu reagieren und ihre Angebote und Strukturen entsprechend den neuen Anforderungen zu gestalten.

Bereits an dieser Stelle lässt sich festhalten, dass jede Art von Abkoppelung der eng miteinander verknüpften betriebswirtschaftlichen und sozialpädagogischen Prozesse als nicht sinnvoll, sondern im Gegenteil kontraproduktiv erscheint. Für den notwendigen grundlegenden Paradigmenwechsel sollte diese Trennung in Zukunft immer mehr aufgehoben werden und letztlich ganz wegfallen. Es ist bemerkenswert, dass erst im Zuge der immer knapper werdenden Mittel und der sich daraus ergebenden Vorgaben der Verwaltung die Sozialpädagogik verstärkt damit beginnt, sich innerhalb der Theorieweiterentwicklung von ihrem bisherigen Leitgedanken zu verabschieden, allein in der Lage zu sein, die Maßstäbe für ein gelingendes und nicht gelingendes Leben aufzustellen. Erst im Angesicht der komplexen zukünftigen Aufgabenstellung innerhalb der Sozialpädagogik/Sozialarbeit werden vermehrt auch die Bedürfnisse und Ziele der Betroffenen fokussiert. Es stellt sich daher die Frage, in welchen Zeiträumen die Auseinandersetzung mit dem Abschied von dem sozialpädagogischen Paradigmas wie Erath es formuliert (vgl. Schwarz/ Beck 1999a, S. 42) und ein tatsächliches Nachdenken über andere Interventionsformen und -ebenen innerhalb der Sozialarbeit, - die insbesondere auch die Grundgedanken des Empowerments mit einschließen - ohne die drastische Verknappung der Mittel stattgefunden hätte.

Gilt es doch, dass es (nicht nur) "(...) der Jugendhilfe als Dienstleistungsprofession gelingt, neben der verwaltungsorientierten auch eine reflexive Steuerung für die Weiterentwicklung von Fachlichkeit zu etablieren" (Otto/ Peter 2002, S. 9). Dass dies nur im Rahmen einer engen Kooperation zwischen den öffentlichen und freien Trägern geschehen kann, ist offensichtlich.

"New Public Management" und "aktivierender Staat" als theoretische Ausgangspunkte der Reformbewegungen

Sowohl das Modell der neuen Steuerung als auch der grundsätzliche Paradigmenwechsel innerhalb der theoretischen Interventions- und Unterstützungskonzepte Sozialer Arbeit stehen in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit den Paradigmen des "New Public Management" und des "aktivierenden Staates". Eine Skizzierung der Grundgedanken dieser beiden Konzepte ist daher als Basis für die weiteren Überlegungen unerlässlich.

In den vergangenen Jahrzehnten ist zur Umsetzung der staatlichen Wohlfahrtsgarantie in allen westlichen Industrieländern eine ausgedehnte und hochtechnokratische Sozialstaatsbürokratie entstanden. Auch in Deutschland wurden im Laufe der Zeit den kommunalen Verwaltungen vom Staat immer weitergehende organisatorische und rechtliche Zuständigkeiten zugewiesen, ohne dass gleichzeitig Möglichkeiten geschaffen wurden, in Bereichen mit sinkenden Anforderungen Einsparungen vorzunehmen. Häufig waren pauschale Kürzungen die Folge, die einen differenzierten Blick auf die tatsächlichen Sparpotentiale verbauten (vgl. Wohlfahrt 2002, S. 85). Durch diesen Aufgabenzuwachs auf der einen Seite - ohne eine Möglichkeit des gleichzeitigen Abbaus von Überflüssigem auf der anderen Seite - sind schwerfällige Verwaltungsapparate entstanden, die sich am Rande ihrer Leistungsfähigkeit befinden.

Die Erkenntnis, dass ein "Weiter-wie-bisher" einhergehend mit den gesellschaftlichen Veränderungen und den gleichzeitig schwindenden finanziellen Ressourcen letztlich zu einem wirtschaftlichen Totalzusammenbruch der Kommunen und des Staates führen würden, hat auf internationaler Ebene eine Diskussion über die tatsächlichen und auch in der Zukunft noch notwendigen Aufgaben von Staat und Verwaltung entfacht.

Die inhaltliche Debatte widmet sich dabei im Wesentlichen der Fragestellung, wie soll ein Staat aussehen, der nicht mehr durch Zentralisierung und Bürokratisierung gekennzeichnet ist, und wie soll das Verhältnis dieses "Staates der Post- oder zweiten Moderne" (Beck 1996, S. 22) zu seinen Bürgern gestaltet sein (vgl. Zimmer/ Nährlich 1997, S. 53)?

Unter dem Oberbegriff "New Public Management" lassen sich diese international als Antworten entstandenen Reformkonzepte zur Verwaltungsrationalisierung zusammenfassen. Kern all dieser Konzepte ist, dass die als unzureichend verstandene Effizienz und Effektivität der Leistungserbringung des öffentlichen Sektors durch eine stärkere Orientierung an den Gesetzen des Marktes und den privatwirtschaftlichen Unternehmen optimiert und grundlegend neu strukturiert werden soll.

Der Ausgangspunkt dieser internationalen Reformdiskussion lässt sich dabei in den Niederlanden und Großbritannien festmachen. Insbesondere in Großbritannien sind im Rahmen der Ära Margret Thatchers drei Zieldimensionen als inhaltliche Schwerpunkte des New Public Management benannt worden:

  • die Diskussion um die Kernaufgaben, die im Wesentlichen beinhaltet, dass es zu einer Reduzierung der staatlichen Verantwortung für das bislang gesetzlich verankerte Wohlstandsniveau des einzelnen Bürgers kommen soll,

  • die Veränderung der Governance Struktur mit der Kernaussage, die Wettbewerbsstrukturen des Marktes auch für die Erstellung öffentlicher Dienstleistungen nutzbar zu machen, sowie

  • der Managerialismus, der die Verbetrieblichung öffentlicher Verwaltungen mit Elementen der Binnenorganisation (wie beispielsweise der Ergebnissteuerung und Budgetierung) beschreibt und letztlich so eine Reform der öffentlichen Managementstrukturen gemäß privater Unternehmen anstrebt (vgl. Zimmer/ Nährlich 1997, S. 60 ff.).

Dieser britischen Diskussion um die Kernaufgaben liegt dabei in normativer Hinsicht eine Abkehr vom "Welfare zum Enabaling State" (Zimmer/ Nährlich 1997, S. 62) zugrunde.

Insgesamt wurde in der Vergangenheit die Neustrukturierung der Sozialpolitik entweder unter konservativen oder neoliberalen Gesichtspunkten diskutiert. Beiden Ansätzen liegt die Abkehr vom klassischen Wohlfahrtsstaat und die Etablierung eines schlanken Staates mit einem auf die wirklich Bedürftigen konzentrierten Wohlfahrtssystems zugrunde (vgl. Dahme/ Wohlfahrt 2003, S.10).

Die Reformbemühungen der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Schwerpunktsetzung auf der effizienzorientierten Optimierung der Verfahren innerhalb der Verwaltung bei gleichzeitiger Verschlankung der Aufbauorganisation werden innerhalb des internationalen Reformdiskurses "als der deutsche Sonderweg" (Wohlfahrt 2002, S. 86) bezeichnet.

Ausgehend von der Diskussion, die hierzulande im Zuge der Einführung und Etablierung des Modells der neuen Steuerung geführt wird, wird seit ca. zwei bis drei Jahren von sozialdemokratischer Seite zudem das alternative Staatskonzept des aktivierenden Staates den bisherigen Ansätzen gegenübergestellt.

Unter der Begrifflichkeit "aktivierender Staat" wird ein Staat verstanden, der zwar an einer umfassenden öffentlichen Verantwortung für gesellschaftliche Aufgaben fest hält, jedoch nicht alle Aufgaben selbst erbringen muss. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die Gesellschaft einschließlich der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu aktivieren, zu fordern und zu fördern, sich selbst als Problemlöser zu engagieren. Dieser Staat ist keineswegs ein Minimalstaat, der nur dort tätig wird, wo die Gesellschaft dies fordert, sondern im Gegenteil, der aktivierende Staat tritt der Gesellschaft und ihren Individuen fordernd und fördernd gegenüber" (Bandemer/ Hillbert 1998 nach Dahme/ Wohlfahrt 2002, S. 10 f.).

Privates Engagement soll also gefördert, gleichzeitig aber auch gefordert und zudem mit gesamtgesellschaftlichen Zielsetzungen verknüpft werden. Die derzeitige sozialdemokratische Bundesregierung hat im Dezember 2001 ein Programm verabschiedet, das sich diesen Grundgedanken eines aktivierenden Staates verpflichtet sieht. Im Rahmen dieses Programms werden Ziele wie beispielsweise die Stärkung der Selbstregulierungskräfte der Gesellschaft und der Eigenverantwortung des Einzelnen sowie die Etablierung eines neuen Prinzips der Verantwortungsteilung zwischen dem Staat und seinen Bürgern postuliert. Unter dem Grundsatz "fördern und fordern" wird somit eine Neudefinition staatlicher Sozialpolitik und der Aufgaben- und Verantwortungsteilung eingeleitet (vgl. Dahme/ Wohlfahrt 2002, S. 11 ff.).

Das Konzept des aktivierenden Staates kann im Rahmen dieser Arbeit nur sehr verkürzt und schlaglichtartig dargestellt werden. Ohnehin konzentrieren sich aktuell die Aktivierungsbemühungen auf die Zielgruppen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger/innen (vgl. Dahme/ Wohlfahrt 2002, S. 16), sodass zurzeit die Jugendhilfe nur partiell tangiert ist.

Von einer zunehmenden Implementierung und Umsetzung der Kernaussagen des aktivierenden Staates in die Strategien der deutschen Sozialstaatlichkeit werden jedoch aller Voraussicht nach in jedem Fall weitere Veränderungen grundsätzlicher Art ausgehen, die auch vor der Sozialen Arbeit nicht anhalten und langfristig auch die Jugendhilfe erreichen werden.

Da aber auch der Grundsatz "fördern und fordern", wenn er erfolgreich sein will, (eben immer auch) der professionellen Unterstützung und Methoden der Sozialen Arbeit bedarf, muss innerhalb der theoretischen Debatte die Frage gestellt werden, wie Soziale Arbeit mit diesen Entwicklungen und Forderungen umgehen will. Die überwunden geglaubte Diskussion über Zwang und Repression innerhalb der Sozialen Arbeit wird aller Wahrscheinlichkeit nach dadurch neu belebt werden:

"Die klassische (...) Kodierung von Sozialarbeit - Helfen und Kontrollieren -, aus der sie sich im Zuge ihres Professionalisierungsprozesses und ihrer Sozialpädagogisierung seit den 70er Jahren glaubte befreit zu haben, könnte die soziale Arbeit im aktivierenden Sozialstaat wieder einholen. (...) Neben Klienteninteressen müsste soziale Arbeit zunehmend wieder mehr ordnungspolitischen und sozialstaatlichen Interessen gerecht werden (...)" (Dahme/ Wohlfahrt 2002, S. 27).

Soziale Arbeit muss sich über die Existenz dieser Prozesse im Klaren sein, sich offensiv an den weiteren Diskussionen und Entwicklungen beteiligen, um so letztlich keine ungewollte Rolle zugewiesen zu bekommen, sondern aktiv eine selbst mitbestimmte Rolle einnehmen zu können.

Vom Klienten zum Kunden: Soziale Arbeit als Dienstleistung

Die geschilderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Entwicklungen haben dazu geführt, dass maßgebliche Kritikpunkte an professioneller und institutionalisierter Sozialer Arbeit definiert wurden, wie beispielsweise Zielungenauigkeit, mangelnde Effektivität und Effizienz. Eine fehlende bzw. unzureichende Dienstleitungsorientierung wurde als einer der Hauptgründe für diese Misere attestiert. Neben der im Kontext des Modells der Neuen Steuerung noch weiter ausgeführten Modernitätslücke wurde den Sozialen Diensten zudem eine Legitimitätslücke bescheinigt, die sich darauf zurück führen lasse, dass keine ausreichende Orientierung an der bei dem Adressaten ankommenden Qualität der Leistungen geschehe (vgl. Grunwald 2001, S. 115). Insbesondere die Termini "Dienstleitung", "Kunde" und "Kundenorientierung" rückten im Zuge dessen in den Mittelpunkt der fachlichen Diskussion und sind auch wesentliche Bestandteile des Modells der Neuen Steuerung (vgl. Punkt 1.2.3).

Eine Auseinandersetzung mit dieser Diskussion ist notwendig, da auch die freien Träger Sozialer Arbeit verstärkt "kundenorientierte Dienstleistungen" anbieten und das nicht nur in den ohnehin bereits weitestgehend nach marktförmigen Strukturen organisierten Segmenten wie beispielsweise im Bereich der Altenhilfe.

Die Begrifflichkeit Dienstleistung ist jedoch trotz ihrer sozialwissenschaftlichen Tradition innerhalb des fachlichen Diskurses Sozialer Arbeit derzeit erneut umstritten. Wird doch dadurch umso deutlicher, vor welchen grundlegenden Umwälzungen die gesamte Wohlfahrtspflege steht (vgl. Schaarschuch/ Flösser/ Otto 2001, S. 266).

Denn vor dem Hintergrund der zunehmenden Finanzkrise der öffentlichen Haushalte und den sich daraus ergebenden Reformen des New Public Managements und Neuer Steuerung stellt sich nun "immer intensiver (...) die Frage, einer 'Neudefinition und Transformation des Verhältnisses von Markt, (Sozial-) Staat und den Institutionen sozialer Dienstleistungserbringung'" (Grunwald 2001, S. 114).

Wenngleich auch bislang die Begriffe "Kunde" und "Dienstleistung" hauptsächlich im Bereich der freien Marktwirtschaft benutzt wurden und daher zunächst innerhalb der Sozialen Arbeit neu erschienen, so haben sie tatsächlich bereits mit Beginn der 1980er Jahren Einzug in die deutsche Diskussion um die Weiterentwicklung Sozialer Arbeit gehalten. Waren die Adressat/innen Sozialer Arbeit zunächst Klient/innen, wurden sie später zu Hilfebedürftigen, das SGB VIII machte sie dann zu Anspruchsberechtigten, zwischenzeitlich wurden sie zu Bedarfsträger/innen und seit einiger Zeit werden sie nun Kund/innen genannt (vgl. Hinte/ Litges/ Springer 2000, S. 61).

Soziale Arbeit wird in den letzten Jahren verstärkt als personenbezogene Dienstleistung verstanden, in deren Zentrum die Lebenslagen der Adressaten stehen (vgl. Grunwald 2001, S. 117). Die Erfassung der Begrifflichkeit Dienstleistung innerhalb der Sozialen Arbeit ist unter volks- und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht ganz einfach, denn zentrale Bestimmungsmerkmale von sozialen Dienstleistungen sind:

  • die Immaterialität und die Intangibilität (die Leistung ist nicht unmittelbar sicht- oder greifbar),

  • die Nicht-Lagerbarkeit der Leistungen - das Uno-actu-Prinzip (die Synchronität von Leistungserstellung und Leistungsverbrauch),

  • die Integration des externen Faktors und der Standortgebundenheit (die Adressat/innen müssen bei der Leistungserstellung vor Ort sein),

  • die Individualität (sie wird jedes Mal individuell hergestellt werden, was erhebliche Schwierigkeiten bei der Standardisierung und der Qualitätsbemessung mit sich bringt) (vgl. Grunwald 2001, S.115).

Es handelt sich also bei der Dienstleistungsarbeit um ein 'Spiel zwischen Personen' also eine Arbeit, die besonders von der Interaktion der beteiligten Personen abhängig ist. Soziale Dienstleistung hat somit immer einen Doppelcharakter, soziale Interaktion auf der einen, ökonomischer Tauschakt auf der anderen Seite (vgl. Olk 2000, S. 14).

Historisch betrachtet lassen sich zwei Positionen hinsichtlich der Bedeutung von Dienstleistung innerhalb der Sozialen Arbeit unterscheiden:

  • der vor dem Hintergrund ökonomischen Wachstums mit gleichzeitiger expandierender Staatstätigkeit geführte Diskurs um die Dienstleitungsgesellschaft in den 1970er und 1980er Jahren und

  • die "neue" Diskussion, die im Zusammenhang mit ökonomischen Wachstums- und politisch bedingten Finanzierungsproblemen entstanden ist.

Interessant ist, dass offensichtlich sowohl in Zeiten des ökonomischen Wachstums als auch der wirtschaftlichen Stagnation eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Dienstleistung und ihrer Qualität von Bedeutung zu sein scheint, wenngleich auch unter unterschiedlichen Vorzeichen.

Die Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Dienstleitung wird im letzteren Diskussionskontext als das Konzept verstanden, mit dem eine Neuformation des Interaktionsverhältnisses zwischen Professionellen und Adressat/innen möglich wird, um eine Effizienz- und Effektivitätssteigerung zu ermöglichen. Eine weitere Bestärkung erhielt dieser Diskussionsstrang zudem durch den Paradigmenwechsel in der Jugendhilfe - ausgelöst durch den neunten Jugendbericht der Bundesregegierung, in dem der Dienstleistung als die entscheidende Handlungsform innerhalb der Jugendhilfe eine wesentliche Rolle zugeschrieben wird (vgl. Schaarschuch/ Flösser/ Otto 2001, S. 268 f.).

In der öffentlichen Verwaltung wurde die Einführung des Kund/innenbegriffes oftmals als entscheidender Fortschritt gefeiert, der es ermöglichte, die Adressat/innen Sozialer Arbeit endlich würdevoll und mit dem notwendigen Respekt zu behandeln (vgl. Hinte 2000 S. 61 f.). Genau um diese Euphorie rankt sich jedoch der Konflikt, der von den Gegner/innen einer Reduzierung insbesondere der Kommunen als Dienstleitungsinstanzen angeführt wird. Die Begriffe "Kund/in" und "Dienstleistung" in ihrer gängigen, aus der Betriebswirtschaft übertragenen Konnotation stehen nach Meinung der Kritiker/innen auf der einen Seite im Widerspruch mit der Tatsache, dass ein Großteil kommunaler Leistungen eben keine Dienstleistungen darstellen, sondern Hoheitsakte, die - je nach Problemlage - im Rahmen eines Zwangskontextes erfolgen und einen nicht unerheblichen Eingriff in die Privatsphäre bedeuten.

Auf der anderen Seite führe diese Reduzierung der Kommune auf eine Dienstleistungsbehörde und ihrer Bürger und Bürgerinnen auf Kunden und Kundinnen zu einem Abbau der angestrebten Aktivierungsfunktion bei gleichzeitiger Stabilisierung einer der modernen Zivilgesellschaft eher schadenden Versorgungsmentalität. Minderheiten, an die sich Soziale Arbeit im Wesentlichen richtet, artikulieren zudem so gut wie nie einen Bedarf nach einer konkreten Dienstleistung wie es "normale" Kund/innen am Markt tun. Würde sich Soziale Arbeit daher als reine Dienstleistung verstehen und auf das Marktprinzip beschränken, würde das zentrale Merkmal ihrer Tätigkeit verloren gehen: der Wille und die Fähigkeit soziale Lebenswelten zu gestalten und zu verbessern (vgl. Hinte/ Litges/ Springer 2000, S. 62 ff.).

Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Positionen muss Soziale Arbeit sich daher ebenfalls positionieren und sich mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Transformation des Dienstleistungs- und Kund/innenbegriffs (wie innerhalb des Modells des neuen Steuerung gefordert) letztlich eben doch nur in den Bereichen der sogenannten "public utilities" (also den Bereichen innerhalb einer Verwaltung, die sich zu einen zunehmenden Anteil mit Hilfe von Beiträgen der Nutzer/innen refinanzieren - beispielsweise Schwimmbad, Müllabfuhr und Theater) beschränkt werden kann (vgl. Grunow 1996, S. 43).

Das Modell der Neuen Steuerung

Wie bereits geschildert, entwickelte mit der zunehmenden Spreizung von Aufgabenanforderungen auf der einen und begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten auf der anderen Seite Politik und öffentliche Verwaltung auch in Deutschland ein verändertes Selbstverständnis. Ausgangsgedanke der Reformen war die Implementierung von betriebswirtschaftlichem Denken und marktähnlichen Strukturen in die Verwaltung (vgl. Olk 2001, S. 1916).

Bereits im Jahr 1993 hatte die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) den Kommunen eine gegenwärtige, bisher in diesem Ausmaße noch nie da gewesene Krise konstatiert, die einen entsprechenden Veränderungsdruck erzeugte (vgl. Zielinski 2000, S. 8 f.). Die Gedanken der KGSt waren dabei - wie auch die gesamte Diskussion um die Ideen des New Public Managements - insbesondere gesellschaftspolitisch, inhaltlich und strukturell bestimmt, wohingegen die tatsächliche Einführung des Modells der Neuen Steuerung in die kommunale Praxis letztlich hierzulande fast ausschließlich fiskalisch als Mittel für eine Konsolidierung des Haushalts genutzt wurde (vgl. Prölß 2002, S. 136).

"Im Unterschied zur Entwicklung in Großbritannien ist die deutsche Reformdebatte nicht ideologisch gesteuert und in erster Linie eine Bewegung "von unten". (...) Die Verwaltungspraxis begann sich gegenüber der internationalen Reformdiskussion vor allem aufgrund ihrer defizitären Haushaltssituation zu öffnen" (Zimmer/ Nährlich 1997, S. 66).

Mit Hilfe der Einführung des so genannten Neuen Steuerungsmodells sollte neben einer Optimierung und Straffung der Mittelverwendung eine grundlegende Neuorientierung des Handelns innerhalb des öffentlichen Sektors eingeleitet werden, da wesentliche Kritikpunkte an der traditionellen deutschen Verwaltung im Sinne des Bürokratiemodells Max Webers bestanden.

Insbesondere wurden den Verwaltungen,

  • eine Managementlücke, hervorgerufen durch unklare Aufträge und nicht klar begrenzte Budgets einhergehend mit bürokratischen Steuerungsinstrumenten,

  • eine Motivations- und Attraktivitätslücke für die Mitarbeiter/innen, bedingt durch die dem rationalen Organisationsmodell immanente stark hierarchische und arbeitsteilige Organisation der Abläufe, die so gut wie keine Verantwortungsübernahme für einen effektiven Einsatz von Ressourcen und für das Endprodukt beinhaltet,

  • eine Legitimitätslücke, die die Selbstbezogenheit der Verwaltung kritisiert, sowie

  • eine Strategielücke, da die Ausrichtung und Planung innerhalb der Verwaltung oftmals politisch bestimmt ist, somit auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet und dadurch eine langfristige, über Legislaturperioden hinausgehende Planung und Umsteuerung unmöglich wird (vgl. Zielinski 2000, S. 16 f.), konstatiert.

Der deutschen Verwaltung wurde dadurch insgesamt im internationalen Vergleich eine signifikante Modernitätslücke attestiert, die durch den Zuwachs an Aufgaben mit erhöhten monetären Verpflichtungen und zunehmenden Flexibilisierungsdruck noch weiter verschärft wurde (vgl. Grunwald 2001, S. 60 f.). Durch die Einführung des Modells der Neuen Steuerung wird also der Versuch unternommen, die Verwaltung stärker auf betriebswirtschaftliche Strukturen hin umzugestalten.

Die Sichtweise des angebotsorientierten Aufgabenbegriffs, dass der Staat alleine wisse, was für seine Bürger/innen das Beste sei, wird ad acta gelegt. Die Definition der Aufgaben und die Art und Weise ihrer Erfüllung wird innerhalb des Modells der Neuen Steuerung stärker an den Adressat/innen dieser Leistungen (den Kunden) orientiert. Letztlich soll durch das Modell der Neuen Steuerung ein grundlegender Perspektivwechsel innerhalb der Verwaltung eingeleitet werden. Nicht mehr die Fokussierung auf die Binnensicht der Verwaltung steht künftig im Mittelpunkt, sondern die Outputorientierung, d.h. die Orientierung am Ergebnis.

Neben der Wirtschaftlichkeit wird gleichzeitig die Kundenorientierung in den Mittelpunkt gestellt. Ein wesentliches Steuerungsinstrument stellt dabei zunächst die Bildung von Produkten dar: "Mit der Definition von 'Produkten' als der zentralen Größe für die Organisationsgestaltung soll die Institution den nachhaltigen Impuls erhalten, ihre Leistungserstellung weniger an internen Vorgängen, sondern an der beabsichtigten Wirkungsweise für die Adressaten ('Output') auszurichten" (Merchel/ Schrapper 1996, S. 8). Produkte sind das Ergebnis des Handelns einzelner Ämter bzw. der durch die Ämter beauftragten Organisationen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben (vgl. Zielinski 2000, S. 24).

Weitere wesentliche Eckpfeiler und Steuerungsinstrumente des Modells sind somit analog zu den vorangestellten Kritikpunkten des Bürokratiemodells zu sehen, wie

  • die dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung, um die Nachteile einer geteilten Verantwortlichkeit durch die Reduktion von Schnittstellen aufzuheben,

  • die Budgetierung, die den traditionellen Haushaltsplan ablöst und einzelnen Dienstleistung - bzw. Produktbereichen - einen an dem Aufgabenvolumen orientierten finanziellen Rahmen zur Leistungserstellung zur Verfügung stellt,

  • die outputorientierte Steuerung, hinter der die Auffassung steht, dass jede Stelle über die Verantwortung für seinen (Teil-) Bereich verfügt und das nach außen gerichtete Äquivalent der dezentralen Ressourcenverantwortung darstellt, sowie

  • das Kontraktmanagement, als wesentliches Instrument zur Steuerung der vertikalen und horizontalen Beziehungen und Verpflichtungen der Verwaltung (vgl. Bassarak/ Heinz/ von der Heyden-Rynsch/ Mehls 2001, S. 11 ff.).

Es wird deutlich, dass es sich bei dem Modell der Neuen Steuerung um eine komplexe, grundlegend andere Sicht- und Herangehensweise handelt. Ihr Ziel ist es, "durch die Einführung des Managementdenkens und -handelns sowie den Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (...) deutlich zu steigern" (Zielinski 2000, S. 20).

Bei allen guten Ansätzen, die das Modell der Neuen Steuerung bietet, hat sich die Einführung in die Praxis und Realität der Verwaltungen jedoch als schleppend erwiesen (vgl. Zielinski 2000, S. 53), da gerade innerhalb des meist in der öffentlichen Verwaltungen vorherrschenden rationalen Organisationsmodells, Veränderungen einer langen Zeit bedürfen.

Neue Steuerung und ihre Auswirkungen auf die Jugendhilfe

Welche konkreten Auswirkungen hat die Einführung des Modells der Neuen Steuerung auf die Jugendhilfe?

Primäre Zielsetzung des Modells der Neuen Steuerung innerhalb der Jugendhilfe ist, die dortigen Abläufe so zu gestalten, dass zukünftig die Produkte möglichst bürgernah, effektiv und effizient bereitgehalten werden können. Im Wesentlichen ging auch mit der Implementierung des Modells innerhalb der Jugendämter der Wunsch nach einer höheren Effektivität und besseren Effizienz der öffentlichen Dienstleistungen einher. Gleichzeitig rückte die Kundenorientierung in den Mittelpunkt des Interesses (vgl. Trede 2001, S. 797).

Wie beschreiben, zielt Neue Steuerung auf eine Änderung des grundlegenden Arbeitsansatzes, weg von einem unhinterfragten Input, hin zu einem strategisch gesteuerten Output, "d.h. hin zu einem gezielten und transparenten Einsatz von Finanzmitteln zur Erreichung genau definierter und vereinbarter Ziele im Rahmen kommunalpolitsicher wichtiger Handlungsfelder" (Scholz 1996, S. 170).

Die Auseinandersetzung mit der Wirkweise und Optimierung der Sozialen Arbeit ist jedoch nicht neu. Bereits in den 1980er Jahren ist eine Diskussion um die Frage der Evaluation Sozialer Arbeit und Möglichkeiten für eine ergebnisbezogene Steuerung sozialer Dienste entstanden. Unter dem Namen aktive Professionalisierung ist in dieser Zeit ein Reformkonzept entstanden, das sich insbesondere mit der Frage, wie Soziale Arbeit ihr Handwerkszeug weiterentwickeln und verbindlicher machen kann, auseinandersetzt. Innerhalb der Reformbestrebungen der 1990er Jahre rückte dann die Auseinandersetzung mit Fragen der tatsächlichen Effizienz und der Effektivität der Leistungen der Jugendhilfe in den Mittelpunkt und forderte so die Soziale Arbeit zu einer systematischen Reflexion ihrer bisherigen Leistungsstandards. Zunächst bestanden innerhalb der fachlichen Auseinandersetzung Vorbehalte, dass die Einführung der Instrumente des neuen Steuerungsmodells in die Jugendhilfe zu einer Entwertung der eigenen (sozial-) pädagogischen Fachlichkeit führen könnte:

Die Auseinandersetzung mit ökonomischen Fragen, wie Kontaktmanagement, Controlling oder dezentrale Ressourcenverantwortung wurde, "als der Versuch der Okkupation der Fachlichkeit der sozialen Arbeit und der Jugendhilfe und der Implementierung fachfremder Effizienzgesichtspunkte" (Wohlfahrt 2002, S. 84) angesehen.

Diese Angst hat sich in der Praxis bislang nicht bestätigt. Entgegen der befürchteten Einbuße von Fachlichkeit, ist es vielmehr zu einer verstärkten Professionalisierung in der Jugendhilfe gekommen (vgl. Wohlfahrt 2002, S. 84 f.). Diese Ängste machen jedoch deutlich, dass es im Grunde auch bei dieser Diskussion - Vereinbarkeit von Jugendhilfe und dem Modell der neuen Steuerung - erneut um die Frage geht, ob und wie die traditionell wechselseitig existierenden Vorbehalte von Sozialer Arbeit und Betriebswirtschaft zu überwinden sind. Kritisch zu hinterfragen ist dennoch, ob hinter der Einführung des Modells der neuen Steuerung in die Jugendhilfe tatsächlich ursächlich wirkliche Reformbestrebungen standen, oder ob es im Grunde letztlich ausschließlich nur um Einsparbemühungen ging. In der fachpolitischen Diskussion gibt es diesbezüglich unterschiedliche Interpretationen und Sichtweisen:

"Tilburg war nicht Ergebnis politischer Vernunft auf Grund besserer Einsicht, sondern war ausgelöst durch eine existenzbedrohende Finanzkrise. Und eben diese Finanzkrise ist (...) auch Motor des Verwaltungsumbaus in Deutschland. So bleibt zum Beispiel keine Zeit, Bedarf nach Kostenaufwand und Leistungserfolg zu gestalten, sondern ohne inhaltliche Legitimation vorgegebene Budgets zwingen die Kinder- und Jugendpolitik, ihre 'Produkte' so zurechtzuschrumpfen, bis sie in das vorgegebene Kästchen passen. Da bleibt manche fachliche Position auf der Stecke" (Rabeneck 2001, S. 1).

Eine andere Sichtweise ist die, Neue Steuerung als eine hoffnungsvolle Perspektive für die Jugendhilfe anzusehen, mit deren Hilfe sie ihren Modernitätsrückstand in Bezug auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens verringern und sich gleichzeitig weiter professionalisieren kann (vgl. Merchel 2002, S. 99).

Das Modell der Neuen Steuerung auf reine fiskalische Gesichtspunkte zu verkürzen, halte ich für falsch. Wenn auch einer der Impulse, für das Einsetzen neuer Steuerungsmodelle sicherlich die Notwendigkeit des Einsparens gewesen ist, birgt das Modell der Neuen Steuerung auch durchaus positive Anätze (wie beispielsweise die dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung), die insgesamt die fachliche Weiterentwicklung vorantreiben. Dennoch ist in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung erforderlich, inwieweit sich das Kund/innen-Verständnis im Rahmen des Modells der neuen Steuerung mit dem an manchen Stellen immer noch hoheitlichen Auftrag des Jugendamtes vereinen lässt.

Mittlerweile haben Elemente der Neuen Steuerung in vielen Kommunen insbesondere im Bereich der Jugendhilfe Einzug gehalten und die erste Angst bzw. Euphorie ist verebbt. Die Verwaltungsreform ist nicht nur innerhalb der Jugendhilfe ins Stocken geraten. "Stillstand auf der Baustelle?" lautet passender weise beispielsweise der Titel des von Jörg Bogumil und Leo Kißler herausgegebenen Buches, das sich mit den Barrieren der Verwaltungsreform und ihrer Überwindung befasst. Wie nicht anders zu erwarten, gestaltet sich der Prozess der Verwaltungsmodernisierung auch im Rahmen der Jugendhilfe als langwierig und mühsam mit gemessen an den zum Teil hohen Erwartungen spärlichen Ergebnissen (vgl. Merchel 2002, S. 110).

In der Praxis ist sichtbar geworden, dass vielerorts im Zuge des Modells der Neuen Steuerung lediglich Umetikettierungen ohne tatsächliche inhaltliche Veränderungen vorgenommen wurden. Insbesondere bei genauerer Betrachtung der Produktbeschreibungen wird deutlich, dass oftmals die Kommunen mit einem großen Aufwand die Beschreibung und Definition ihrer Produkte betrieben haben, ohne das dies eine wirkliche Veränderung der Verwaltungspraxis zur Folge hatte oder dass dies völlig unabhängig von den freien Trägern geschah (vgl. Merchel 2002, S. 109).

Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt an den bisherigen Reformbemühungen ist die Konzentration auf die lokale Ebene (vgl. Wohlfahrt 2002, S. 88 f.). Dass es von immenser Bedeutung ist, die Politikverflechtungen und die Entwicklungen auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene nicht aus den Augen zu verlieren, sondern sehr ernst zu nehmen, wird gerade zum jetzigen Zeitpunkt immer offensichtlicher. Die lokalen Situationen sind eben gerade im Bereich der Jugendhilfe untrennbar mit landes- und bundespolitischen Entscheidungen verwoben.

Auf die Besonderheiten, die es bei der im Rahmen des Modells der Neuen Steuerung üblichen Einführung der Begriffe "Dienstleistung" und "Kund/in" zu beachten gilt, wurden bereits hingewiesen.

Beobachtungen der Praxis innerhalb der Verwaltungen haben außerdem gezeigt, dass es unterschiedliche Strategien und Schwerpunktsetzungen bei der Umsetzung des Modells der Neuen Steuerung gibt:

  • die betriebswirtschaftliche Strategie, die die vorherrschende Orientierung an dem Modell der Neuen Steuerung beschreibt,

  • die jugendhilfebezogene Strategie, die Orientierung vornehmlich an fachlichen Reformanforderungen beinhaltet und

  • die Verknüpfungsstrategie, die die aktive Verknüpfung bei der Ansätze vorantreibt.

Dabei birgt offensichtlich - wie eigentlich zu erwarten war - die Verknüpfungsstrategie am ehesten die Chance, Leistungen für die Bürger/innen gleichzeitig kostengünstiger und besser zu erbringen und wird somit am ehesten dem ursprünglichen Anspruch des Modells der Neuen Steuerung gerecht (vgl. Bußmann/ Esch/ Stöbe-Blossey 2003, S. 97).

Das Konzept der Neuen Steuerung steht also vor der Herausforderung, zukünftig sowohl verstärkt den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen als auch die Verknüpfung von betriebswirtschaftlichen und fachlichen Reformanforderungen voran zu treiben.

Das Paradigma der Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe

Sozialraumorientierung als eine der Strukturmaximen (vgl. Achter Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung) des SGB VIII ist das derzeitige Leitbild innerhalb des fachpolitischen Diskurses zur Sozialen Arbeit. Erneut stehen auch innerhalb dieser Debatte die Hilfen zur Erziehung im Mittelpunkt, erwartet man doch durch die Implementierung dieses Konzeptes ebenfalls eine Steigerung der Effizienz und Effektivität der erzieherischen Hilfen. Da eng mit den Handlungsansätzen einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit sowie derer der Gemeinwesenarbeit verknüpft, sind die Gedanken der Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe jedoch nicht grundsätzlich neu.

Bereits in der Diskussion um die Neuorganisation Sozialer Dienste in den 1970er Jahren und auch bei der Neuausrichtung des Allgemeinen Sozialdienstes in den 1980er Jahren sowie in der Jugendarbeit wurden die Ansätze der Sozialraumorientierung konzeptionell und praktisch weiterentwickelt (vgl. Hinte 2001, S. 129).

Die nun bereits seit einigen Jahren andauernde Aktualität verdankt das Paradigma der Sozialraumorientierung insbesondere der durch die KGSt mit Hilfe des Modells der Neuen Steuerung angestoßenen Verwaltungsreform und den sich daraus ableitenden Konsequenzen für die Jugendhilfe (vgl. Wolf 2002, S. 46).

Unter Sozialraum wird ein geographisch eingegrenztes Gebiet verstanden, in dem Menschen arbeiten, leben und wohnen, mit dem sie sich identifizieren können und wo diese zumindest einen Teil des Tages verbringen. "Bei den konzeptionellen Überlegungen zur sozialräumlichen Orientierung wird davon ausgegangen, dass die Analyse von sozialer Realität und der Wirksamkeit von vorhandener Infrastruktur sowie die Entwicklung von Handlungsperspektiven in einem eingegrenzten Raum präzise und wirkungsvoll erfolgen können" (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport 2002, S. 2). Somit stellt der Sozialraum eine Art Mikrokosmos dar, in dem sich die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und die daraus für jeden Einzelnen entstehenden sozialen Bedingungen widerspiegeln (vgl. Zielinski 2000, S. 41).

Ziel einer sozialräumlichen Arbeit ist die verstärkte Einbindung vorhandener sozialer Infrastruktur und informeller Netzwerke bei gleichzeitig größerer Berücksichtigung der Lebenswelt der Adressat/innen. Die methodischen Prinzipien einer sozialraumorientierten Sozialen Arbeit verlangen daher:

  • einen konsequenten Ansatz des professionellen Handelns an dem Willen und den Interessen der Wohnbevölkerung,

  • eine aktivierende und ressourcenorientierte Soziale Arbeit mit dem Ziel der Förderung von Selbsthilfepotentialen,

  • eine Fokussierung auf die vorhandenen Ressourcen der im Sozialraum lebenden Menschen,

  • einen zielgruppen- und bereichsübergreifenden Ansatz sowie

  • eine Kooperationen und Abstimmung der vorhandenen professionellen Ressourcen (vgl. Hinte 2002, S. 92).

Der radikale Perspektivwechsel innerhalb der Hilfen zur Erziehung, der mit einer konsequenten Sozialraumorientierung einhergeht, fordert weiter unter dem Schlagwort Flexibilisierung der Erziehungshilfen ein Umsteuern: weg von dem festgefügten System versäulter Leistungsarten und Hilfeinstitutionen gemäß den §§ 27 - 35 SGB VIII, hin zu einer Orientierung an den Sichtweisen, Bedürfnissen und Ressourcen, der (potentiell) Betroffenen (vgl. Olk 2000, S. 10). Ziel ist das Entwickeln von dem Einzelfall angemessenen, also individuellen Hilfeformen.

Letztlich wird mit einer konsequenten Einführung der Sozialraumorientierung auch eine Veränderung der bislang gängigen Finanzierungsformen gefordert. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Abkehr von der Einzelfallförderung wie beispielsweise Entgeltsätze bzw. Fallpauschalen, hin zu einem dem Sozialraum zur Verfügung stehenden Budget (vgl. Olk 2000, S. 18). "Ein Sozialraumbudget ist eine Finanzierungsform, die von ihrer Anlage her unmittelbar auf den sozialen Raum orientiert und damit quer liegt zur Einzelfall-, Immobilien- und Projektfinanzierung" (Hinte 2002, S. 107 f.).

Mit dem Einsetzen so genannter Leistungsverträge bzw. Sozialraumbudgets soll gewährleistet werden, dass neben einer Erbringung durch den öffentlichen Träger in der Qualität genau beschriebenen Leistung, auch fallunspezifische Arbeit geleistet werden kann bei gleichzeitiger höherer Planungssicherheit für die freien Träger.

Innerhalb der insgesamt durchaus hitzig geführten Debatte um Sinn und Unsinn einer sozialraumorientierten Jugendhilfe spiegelt sich eine Auseinandersetzung wider, die in der Sozialen Arbeit bereits an vielen Orten und in vielen Facetten geführt wurde und die auch im Rahmen dieser Arbeit bereits beschrieben wurden. Es scheint, als stünden sich einmal mehr finanz- und fachpolitische Argumentationen mehr oder weniger unvereinbar gegenüber.

Die Argumente der Kritiker/innen einer Sozialraumorientierung - die konsequenterweise einhergeht mit den entsprechenden Finanzierungsinstrumenten - verweisen darauf, dass unter dem Deckmantel Sozialraumorientierung oft allein fiskalische Interessen verfolgt werden, dass Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen ausgehöhlt und die Trägerpluralität zerstört wird (vgl. beispielsweise Hemker 2001, S. 191 ff.).

Es gilt zu Bedenken, dass die Diskussion allerdings nicht immer so geführt wurde: "Ein Blick zurück in die Geschichte der Sozialraumorientierung zeigt, dass gegen das fachliche Prinzip Sozialraumorientierung kaum jemand etwas einzuwenden hatte - bis genau zu diesem Zeitpunkt, als ein Finanzierungsinstrument vorgeschlagen wurde, dass das Fachprinzip effektiv unterstützen sollte. Seitdem wird ausgiebig über das Instrument diskutiert und der Blick davon abgelenkt, worum es bei dem Fachprinzip eigentlich geht" (Hinte 2001, S. 127).

Sicher ist, dass es auf viele im Rahmen einer Auseinandersetzung mit den Gedanken der Sozialraumorientierung innerhalb der Jugendhilfe entstehenden Fragen derzeit offensichtlich noch keine hinreichenden und befriedigenden Antworten gibt. Als derzeit zumindest teilweise noch unbeantwortet lassen sich folgende Fragen festhalten:

  • Welche strukturellen, vor allem organisatorischen und finanzierungstechnischen Veränderungen gehen mit einer Sozialraumorientierung einher?

  • In welchem Verhältnis steht eine sozialraumorientierte Kinder- und Jugendhilfe zu den (noch) geltenden Regelungen des SGB VIII?

  • Wie verteilen sich Verantwortlichkeiten in der sozialpädagogischen Arbeit zwischen öffentlichem und freiem Träger?

  • Wie wird im Rahmen der Sozialraumorientierung mit der bisher existierenden Vielfalt der freien Träger umgegangen - wird eine Pluralität der freien Träger zukünftig noch finanziert?

  • Wie hängt die Konzeption der Sozialraumorientierung mit den politischen Bestrebungen zusammen, den Sozialstaat effizienter zu gestalten?

Sicherlich ist es bereits jetzt möglich, auf einige Fragen Antworten zu geben. Dies ist jedoch nicht das Ziel der Arbeit. Vielmehr soll hier verdeutlicht werden, dass sich auch mit der Implementierung von Sozialraumorientierung viele Neuerungen eröffnen werden, für die es Lösungen und Handlungsvorgaben zu erarbeiten gilt. Da es letztlich noch kein hinreichend ausgereiftes Konzept in Bezug auf die konkrete Umsetzung der Prinzipien einer Sozialraumorientierung gibt und es von Kommune zu Kommune anders gehandhabt wird, bestehen für die freien Träger der Jugendhilfe noch Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten.

Insgesamt kann jedoch bereits jetzt festgehalten werden, dass mit Hilfe von Sozialraumorientierung sowohl ein Streben nach einer innovativen und professionellen Herangehensweise der Sozialen Arbeit als auch der Wunsch nach Einspareffekten einhergeht. Ob jedoch gerade der Sparwunsch erfüllt werden kann, lässt sich bislang noch nicht durch Erfahrungen aus der Praxis belegen. Mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich dabei um Effekte, die erst nach einem langen Zeitraum sichtbar werden.

Von der Organisationsentwicklung zur Organisationstransformation - die Zukunftsaufgabe der freien Träger der Jugendhilfe

Gründe für eine Organisationsentwicklung

Die Ausführungen im vorangegangenen sollten deutlich machen, dass es innerhalb der Sozialen Arbeit im Allgemeinen und in der Jugendhilfe im Besonderen gerade in den letzten zehn Jahren zu grundlegenden Veränderungen der Rahmenbedingungen gekommen ist. Wesentliche, bis zu diesem Zeitpunkt weitestgehend stabile Parameter, die die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern über lange Jahre ausmachten, haben sich verändert. Gezielte Organisationsentwicklungsprozesse haben in diesem Zusammenhang an besonderer Bedeutung gewonnen, wurden und werden sie doch seit jeher als das Instrument angesehen, mit dem sich durch die Fokussierung auf die Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter/innen nicht nur die Organisationen der Jugendhilfe auf sich verändernde Rahmenbedingungen hin einstellen und anpassen können.

Die derzeitige Situation, in der sich Organisationsentwicklungsprozesse bewegen ist - wie im vorangegangenen Kapitel ausführlich geschildert - maßgeblich gekennzeichnet durch:

  • die Verknappung der finanziellen Mittel in einem bis dato unvorstellbaren Ausmaß,

  • die vermehrte Einbindung betriebswirtschaftlicher Paradigmen in die Soziale Arbeit insgesamt und insbesondere in die Hilfen zur Erziehung,

  • die Neugestaltung der Finanzierungsformen im Rahmen des SGB VIII, im Zuge dessen es zu einer Verschiebung des Verhältnisses zwischen öffentlichem und freien Trägern Sozialer Arbeit in Richtung einer marktähnlichen Situation gekommen ist,

  • der durch das Paradigma der Sozialraumorientierung notwendig gewordenen Umstrukturierung der bisherigen Arbeitsansätze und Arbeitsweisen,

  • die zunehmende und gewollte Aufweichung der korporatistischen Verflechtungen,

  • neue Informationsstrukturen, die in einer kurzen Zeit eine Fülle von Informationen, die es zu verarbeiten gilt, übermitteln,

  • der Notwendigkeit einer verstärkten Gremien- und Netzwerkarbeit, zum einen durch gesetzliche Vorgaben wie beispielsweise durch § 78 SGB VIII bedingt, zum anderen notwendig, um den Anschluss nicht zu verlieren sowie

  • die verstärkte Konkurrenz der freien Träger untereinander.

Zu diesen externen Bedingungen für eine vielerorts fast unumgänglich werdende Organisationsentwicklung, kommen oftmals gleichzeitig noch interne Gründe hinzu, wie beispielsweise ineffiziente Arbeits- und Kommunikationsstrukturen, die sich über die Jahre der relativen Sicherheit eingeschlichen haben (vgl. Graeff 1999, S. 194 f.).

Mit Hilfe von Organisationsentwicklungsprozessen, soll - ähnlich der Organisationsgestaltung -, die Aufbau- und Ablauforganisation verändert werden, um so besser auf diese Situation reagieren und langfristig die Effektivität und Effizienz der angebotenen Leistungen erhöhen zu können. Der entscheidende Unterschied zur Organisationsgestaltung ist jedoch, dass bei der Organisationsentwicklung die von dem Wandel betroffenen Individuen im Mittelpunkt stehen, damit langfristig die Fähigkeiten der Mitarbeiter/innen bezüglich ihrer Problemlösungs- und Anpassungsmöglichkeiten für die Organisation verbessert und vor allen Dingen auch gesichert werden (vgl. Vahs 2003, S. 315).

Organisationsentwicklung, im Sinne eines partizipativen Prozess der Selbstveränderung richtet dabei die Aufmerksamkeit zudem zusätzlich genau auf die Verbesserung der Austauschbeziehungen innerhalb der Organisation und mit ihren relevanten externen Interaktionspartner/innen, um dann den Hebel für neue Entwicklungen bei der bewussten Veränderung der Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter/innen anzusetzen (vgl. Engelhard/ Graf/ Schwarz 2000, S. 66).

Das grundlegende Ziel von Organisationsentwicklung ist es, "einen organisationsweiten, partizipativen und problembezogenen Veränderungsprozess in Gang zu setzen und zu unterstützen. Langfristig sollen die Problemlösungs- und Anpassungsfähigkeit der Organisation und ihrer Mitglieder verbessert werden (Vahs 2003, S. 315). Die Organisationen sollen also durch eine Anpassung ein neues Stadium der Balance mit der sich verändernden Umwelt erreichen.

Exkurs: Die Theorie des funktionalen Dilettantismus

Immer wieder jedoch haben Studien in der Vergangenheit belegt, dass eine Vielzahl von Organisationsentwicklungsprozessen trotz eines durchaus guten Starts gescheitert sind (vgl. Wöhrle 2000, S. 13). Eine - wenn auch nicht unumstrittene - Erklärungen für das häufige Scheitern von Organisationsentwicklungsprozessen innerhalb sozialer Einrichtungen stellt - neben anderen, insbesondere die Art der Einbeziehung der Mitarbeiter/innen betreffend - die politikwissenschaftliche Theorie des funktionalen Dilettantismus dar.

Die von Wolfgang Seibel aufgestellte These des funktionalen Dilettantismus geht der Frage nach, wie es Nonprofit-Organisationen (NPO's) in der Vergangenheit immer wieder geschafft haben, dauerhaft zu bestehen, obwohl sie wirtschaftlich betrachtet oftmals ineffizient sind und bei der Lösung ihrer Probleme regelmäßig scheitern.

Seine Grundthese beinhaltet, dass NPO's überleben, weil ihr Dilettantismus eine gesellschaftliche Funktionalität besitzt und politisch erwünscht ist. Der Erfolg von Organisationen des Dritten Sektors besteht seiner Meinung nach darin, das sie symbolische Lösungen für eigentlich unlösbare Probleme produzieren; d.h., sie verschleiern diese Probleme einerseits, andererseits entlasten sie die Politik von der Suche nach effektiven Problemlösungsstrategien und tragen letztlich zur Integration und Stabilisierung einer heterogenen Gesellschaft bei (vgl. Seibel 1992, S. 15 ff. und 273 ff.).

Demnach ist der schwerfällige Wandel der Organisationen Sozialer Arbeit nach Seibel darauf zurück zu führen, dass effizient arbeitende Organisationen in diesem Bereich eigentlich gar nicht erst gewollt sind. Diese durchaus als provokant zu bezeichnende These ist als Erklärung für das Scheitern von Organisationsentwicklungsprozessen alleine sicherlich nicht ausreichend. In der Gesamtbetrachtung der Probleme der Organisationen Sozialer Arbeit im Umgang mit organisatorischem Wandel, stellten diese Gedanken in der Vergangenheit - den wirtschaftlich deutlich besseren Zeiten - jedoch einen wichtigen Aspekt dar (vgl. Grunwald 2001, S. 36 f.).

Vor dem Hintergrund der in Kapitel eins ausgeführten Entwicklungen der letzten Jahre, wird diese These jedoch zunehmend in Frage gestellt werden. Mit den immer knapper werdenden finanziellen Mitteln, steigt auch die Forderung nach Konzepten, die dem Auftraggeber ein Maximum hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität bieten. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, sind flexible Managementstrukturen notwendig, die beispielsweise hinsichtlich der Finanz- und Personalsituation zu jeder Zeit, das entsprechende Zahlen- und Datenmaterial bereit haben.

Wirklichen Dilettantismus, im Sinne der von Seibel aufgestellten These kann sich weder eine Organisation der freien Wohlfahrtspflege mehr leisten, noch kann es weiterhin politischer Wille sein, wenn die Reformbekundungen nicht nur Worthülsen darstellen sollen. Daher wird ein erfolgreicher Organisationsentwicklungsprozess umso dringender.

Stabile Instabilität als Charakteristikum der Zukunft - Eine besondere Herausforderung an die Organisationen

Die Notwendigkeit einer konsequenten und kontinuierlichen Weiterentwicklung zur Sicherung der Überlebensfähigkeit einer Organisation ist also nicht grundsätzlich neu, erfährt derzeit jedoch durch die Veränderung maßgeblicher Rahmenbedingungen eine neue Qualität. Kaum eine Organisation kann sich noch funktionalen Dilettantismus leisten.

Schon immer hatte dabei die Organisationsentwicklung als zentrale Zielstellung im Hinblick auf die Steigerung der Produktivität einer Organisation die Aufgabe, die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Mitarbeiter aus sich heraus zu fördern (vgl. Grunwald 2001, S. 149).

Zum jetzigen Zeitpunkt muss jedoch konstatiert werden, dass Organisationen Sozialer Arbeit vor einer der größten Entwicklungs- und Veränderungsaufgaben in ihrer Geschichte stehen und das die Fähigkeit des Wandels einer Organisation im Zuge dessen eine herausragende Stellung einnimmt. Hängt doch zukünftig vermehrt genau von dieser Schlüsselkompetenz die weitere Existenz der jeweiligen Organisation ab.

Auch lassen sich zudem die in den vergangenen Jahren beispielsweise durch die Einführung des SGB VIII notwendig gewordenen Veränderungen, kaum mit den nun anstehenden komplexen, auf vielen Ebenen anstehenden Entwicklungsaufgaben vergleichen.

Daher ist vielerorts ein tief greifender Paradigmenwechsel innerhalb des eigenen Selbstverständnisses erforderlich, um den veränderten gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den sich daraus ergebenden geänderten Bedingungen innerhalb der Kommunen - als die Hauptkooperationspartner - immer wieder adäquat begegnen zu können. Die auch in der Jugendhilfe zunehmende Ökonomisierung der Angebote macht den Aufbau von entsprechenden Managementstrukturen notwendig. Organisationen sozialer Arbeit befinden sich an dem Übergang von den klassischen Wohlfahrtsträgern hin zu sozialwirtschaftlichen Unternehmen.

Die ganze Situation wird überformt von dem Umstand, das auch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht mit Sicherheit sagen können, welche konkreten Formen die Jugendhilfe in den kommenden Jahren annehmen wird, da die Entwicklungen in diesem Bereich längst nicht abgeschlossen sind. Die Erfordernis eines permanenten Wandels und die dadurch immer wieder notwendig werdende Neueinstellung auf die Entwicklungen werden somit zum ständigen Begleiter werden.

Die besondere Herausforderung, die - gerade aus Sicht der freien Träger - daher den nun anstehenden Wandel und somit auch die Organisationsentwicklung kennzeichnet, ist zum einen das Gelingen des Aufbaus von Organisations- und Kooperationsstrukturen die zunächst stabil - für das hier und jetzt - und gleichzeitig flexibel - für die Zukunft - sind und die dadurch den sich immer (noch) weiter verändernden Beziehungen zwischen öffentlichen und freien Trägern Rechnung tragen können. Insgesamt geschieht diese Entwicklung in sehr unsicheren Zeiten, gerade was das langfristige Überleben einzelner Organisationen auf Dauer betrifft, was das Einlassen auf Prozesse der Organisationsentwicklung zusätzlich erschwert.

Auch diese Grundannahme eines permanenten Wandels war bereits in der Vergangenheit charakteristisch für Prozesse der Organisationsentwicklung: "Da die Veränderungsrate wirtschaftlichen, rechtlichen, sozialen und technologischen Wandels immer mehr zunimmt, wird es immer wahrscheinlicher, dass Organisationen nicht mehr optimal auf ihre Umwelt eingestellt sind, sondern vielmehr ein sog. 'misfit' zwischen Organisation und jeweiliger Umwelt entsteht" (Grunwald 2001, S. 149). Zentrales Anliegen der Organisationsentwicklung war somit schon immer, den Wandel zu managen und somit auch zu beherrschen.

Derzeit vollzieht sich der Wandel in immer schnelleren Schritten und kürzeren Abständen. In dem heutigen Kontext muss daher umso mehr das Ziel einer erfolgreichen Organisationsentwicklung, der Aufbau von neuen internen Organisations- und externen Kooperationsstrukturen sein, die das flexible Reagieren der Organisation auf externe Veränderungen optimal möglich machen. Der Zugewinn an Lern- und Innovationsfähigkeit der Organisation muss im Mittelpunkt stehen.

Zwei grundsätzliche Aspekte der Organisationsentwicklung sind daher für die jetzige Zeit charakteristisch:

  1. bei der Betrachtung der momentanen unsicheren Situation ist davon auszugehen, - und grundsätzliche Annahme dieser Analyse - dass sich an den erfolgreichen Abschluss einzelner und/oder komplexer Organisationsentwicklungsprozesse derzeit keine Zeiten der relativen Stabilität der Organisation mehr anschließen werden. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass im Zuge der weiteren Entwicklungen auf politischer, kommunaler und fachlicher Ebene, immer neue Wandelanstrengungen der Organisation notwendig sein werden.

  2. Wandel und Veränderungen stellen nicht nur in schwierigen Zeiten immer auch eine, mehr oder weniger reale Bedrohung für den einzelnen dar. Daher bedarf es gerade jetzt, eines besonderes sensiblen Umgangs mit den von dem Wandel betroffenen Organisationsmitgliedern, damit es sowohl tatsächlich zu einer geänderten Einstellung kommt und gleichzeitig immer wieder neue Organisationsentwicklungsprozesse in Gang gesetzt werden können.

Mit der Begrifflichkeit "stabile Instabilität" lässt sich der Zustand beschreiben, den Organisationen in der derzeitigen Situation maximal erreichen können. Vor dem Hintergrund dieser Annahme, gilt es angemessene Strukturen für die Zukunft zu entwickeln, die in der Lage sind, die Flexibilität der Mitarbeiter zu fördern und ihnen dabei gleichzeitig die in unsicheren Zeiten umso wichtigere Sicherheit bieten.

Ein wesentliches Ziel muss es also sein, Organisationen als Gesamteinheit in die Lage zu versetzen, zukünftig verstärkt die Aufgabe zu übernehmen, Unsicherheiten der Umwelt durch eine entsprechende Kultur aufzufangen und abzufedern, damit die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin in der Lage sind, ihre Aufgaben angemessen zu erledigen. Damit ist keineswegs gemeint, dass alles von den Mitarbeitern an der Basis ferngehalten werden soll und dass sich lediglich die Leitungsebenen dem zunehmenden Druck ausgeliefert sehen. Vielmehr geht es darum, dass die Organisation als Ganzes, quasi kollektiv, das Bewusstsein entwickelt, mit der stabilen Instabilität angemessen umgehen zu können.

Es geht also um den Aufbau einer neuen Kultur hinsichtlich des Umgangs mit Veränderungen. Derzeit herrscht nicht nur im sozialen Bereich eine große Angst vor Arbeitsplatzverlust und gerade im sozialen Bereich sind dies auch zum Teil sehr berechtigte Befürchtungen. Wenn eine Organisation in der Lage ist, eine entsprechende Kultur zu entwickeln, wie mit diesen instabilen Zeiten angemessen umzugehen ist, wird die Situation dadurch zwar nicht automatisch stabiler. Dennoch ist es möglich, dass eine größere Sicherheit in die Organisation Einzug hält und kleinste Veränderungen externer Parameter so gewertet werden, wie es objektiv notwendig ist: als kleinste Veränderungen, die noch nicht den Fortbestand der gesamten Organisation in Frage stellen. Die Gefahr, in die aus der Sozialwissenschaft bekannten self-fullfilling-prophecy-Falle zu geraten - gemeint ist, dass durch die objektiv falsche Bewertung und Einschätzung einer Situation bei den Betroffenen ein Verhalten hervorgerufen wird, dass der falschen Bewertung angemessen ist und sie so letztlich selbst maßgeblich mit dazu beitragen, dass die eigentlich unerwünschte Situation eintritt - wird somit geringer. In Übertragung auf die momentane Situation in sozialen Organisationen, lässt sich daher festhalten, dass durch den Aufbau einer entsprechenden Kultur die Gefahr, dass die Mitarbeiter bei jeder kleinster Erschütterung sich derart verhalten, als sei stets der Weiterbestand der Organisation gefährdet und durch dieses Verhalten die Organisation tatsächlich in Gefahr bringen, reduziert werden kann. Ohne dabei jedoch Gefahr zu laufen, in

  • ein Flexibilitätsdilemma - die Gefahr, das die Organisation durch eine zu starke Grenzenlosigkeit auseinander fällt und ihren inneren Zusammenhang verliert,

  • ein Positionierungsdilemma - die Gefahr durch den permanenten Wandel organisationsinterne Unsicherheitszonen zu schaffen die niemandem dienen oder

  • ein Komplexitätsdilemma -die Gefahr durch eine zunehmende Komplexität zu Vereinfachsstrategien gegriffen werden, die letztlich in ihrer Gesamtheit die Abläufe wiederum zu einer Komplexität erheben (vgl. Wöhrle 2001, S. 53 f.) zu geraten.

Diese Entwicklungsaufgaben lassen sich nicht mehr durch eine Organisationsentwicklung im klassischen Sinne bewältigen.

Solange der Wandel analog des originären Verständnisses der Organisationsentwicklung als Ausnahme und separates Problem betrachtet wird, das es durch (externe) Expert/innen zu lösen gilt, erlebt die Organisation als Gesamteinheit keinen wirklich Zugewinn. Der Wandel muss zukünftig als endogener Normalfall, der zu einem Teil der Systemprozesse geworden ist und den die Organisation durch ihre generelle Kompetenz bewältigen kann, begriffen werden (vgl. Schreyögg 1999, S. 548). So können also letztlich nur durch eine Organisationstransformation die Organisationen zukunftsfähig gemacht werden.

Systemtheoretisches Verständnis von Organisationen - die zukünftig handlungsleitende Grundlage

Zur Analyse und daraus ableitend zur gezielten Entwicklung von Organisationen ist es stets notwendig, die Betrachtung vor dem Hintergrund einer bestimmten erkenntnistheoretischen Folie vorzunehmen. Innerhalb der Organisationstheorie finden sich dabei für die Erklärung der verschiedenen Erscheinungsformen und Funktionsweisen von Organisation mehrere Modelle, die alle ausschnitthaft die Realitäten und komplexen Zusammenhänge innerhalb von Organisationen betrachten.

Für die weiteren Ausführungen innerhalb dieser Analyse wird ausgehend von dem Grundgedanken, dass Organisationen als offene, soziale System zu verstehen sind, das grundlegende Verständnis leitend sein, Organisationen nach den Gesetzen der Systemtheorie zu betrachten.

Insgesamt liegt allen systemtheoretischen Ansätzen der Versuch zugrunde, komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge ganzheitlich zu erklären und zu beschreiben. Daher hat sich die Übertragung dieses Ansatz auf die Belange von Organisationen, die nicht als triviale Maschinen zu begreifen, sondern hoch komplex sind, in der Praxis auch besonders bewährt, denn "die moderne Systemtheorie hat sich zum expansivsten Paradigma in allen Sozialwissenschaften entwickelt, weil in unserer hochkomplexen und zugleich hochorganisierten Umwelt nur solche analytischen Konzepte erfolgversprechend sein können, die ihrerseits eine entsprechende Eigenkomplexität besitzen (Wilke 1993, S. 12).

Die einzelnen Elemente einer Organisation stehen nach dem systemischen Verständnis in einer engen Wechselbeziehung und die inneren Zustände stellen das Ergebnis zirkulärer Austauschbeziehung dar, die ihrerseits wiederum in vielfältigen, zirkulären Austauschbeziehungen mit anderen Systemen in ihrer Umwelt stehen (vgl. Schwarz/ Beck 2000, S. 5).

Dieses Verständnis, Organisationen als offene Systeme die in einem wechselseitigen Austausch stehen zu betrachten, wird durch die Sichtweise relativiert, dass Organisationen die Tendenz haben, geschlossene Systeme zu bilden (vgl. Wöhrle 2000, S. 53 ff.), was in der Folge mit dazu führt, dass Organisationen mit ihrem Eigenleben nur sehr langsam auf die veränderten Umweltbedingungen reagieren können.

Dennoch erscheint die systemische Sichtweise von Organisationen insgesamt sehr passend, verdeutlicht sie doch auch, dass es bei einer Veränderung gerade auf die Beachtung dieses Eigenleben und der Wechselbeziehungen ankommt. Der rein technokratische Versuch eine Organisation zu verändern, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt, vernachlässigt er doch gerade diese Wechselbeziehungen.

Im Rahmen dieser Arbeit können die verschiedenen Phasen der Entwicklung innerhalb der Systemtheorie nicht ausführlich beschrieben und diskutiert werden, (vgl. dazu bspw. Schreyögg 1999, S. 90 ff.) gilt es hier doch lediglich die handlungsleitende systemische Sichtweise im Hinblick auf die Organisationsentwicklung und -transformation aufzuzeigen.

Im Sinne der systemtheoretischen Ansätze werden Organisationen "als zweckorientierte, offene, dynamische, soziotechnische Systeme, die mit ihrer Umwelt (oder: dem Übersystem) in materiellen, sozialen und kulturellen Wechselbeziehungen stehen und über die Fähigkeit zur Selbstorganisation verfügen" (Vahs 2003, S. 38) begriffen.

Eine weitere grundlegende These des Systemmodells beinhaltet, "dass sich komplexe Systeme (sei es im technischen Bereich, in der Natur oder in Organisationen) nicht lösen lassen, wenn man die Aufmerksamkeit lediglich auf ein Element (z.B. auf eine bestimmte Person) richtet, sondern dass man das gesamte System zu berücksichtigen hat" (König/ Volmer 1994, S. 18).

Was als eine Bestätigung für die Angemessenheit der Anwendung der systemischen Sichtweise auf Organisationen, - gerade in den heutigen Zeiten des permanenten Wandels und der ständig auf vielfältigen, miteinander in Beziehung stehenden Ebenen steigenden Anforderungen - gewertet werden kann. Das Systemdenken ist also "(...) die integrative Disziplin, die alle miteinander verknüpft und sie zu einer ganzheitlichen Theorie und Praxis zusammenfügt" (Senge 1997, S. 21).

Die Denkfigur, Organisationen als Systeme zu begreifen, nimmt somit sowohl eine übergeordnete als auch konkrete Bedeutung ein, kann sie doch für eine analytische Erklärung und ein Verstehen der wechselseitigen Prozess und das Handeln in Organisationen herangezogen werden.

Die Bedeutung der Organisationskultur

Neben dem Grundverständnis Organisationen als Systeme zu betrachten, besteht in einem erweiterten nächsten Schritt die Möglichkeit, Organisationen als Kulturen zu begreifen. Im Rahmen dieses theoretischen Denkmusters wird davon ausgegangen, dass neben den formalen und offensichtlichen, im wesentlichen durch die Aufbau- und Ablauforganisation vorgegebenen, Handlungsspielräume der einzelnen Organisationsmitglieder und des Verhaltens ihrerseits, sich im Laufe der Existenz einer Organisation Handlungsweisen, Praktiken und Routinen herausgebildet haben, die quasi parallel das Geschehen in der Organisation kreuzen und es teilweise in einem nicht unerheblichen Maße bestimmen.

Die Organisation als Ganzes wird vor dem Hintergrund dieser theoretischen Annahmen als ein Kultursystem begriffen, in dem implizite, unverwechselbare Vorstellungs- und Orientierungsmuster das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen, beeinflussen und oftmals wesentlich leiten. Die Theorie der Organisation als Kultur geht also davon aus, dass neben "(...) den realen Personen noch eine andere, kommunikativ konstituierte Realität (...), festgezurrt in semantischen Mustern, Kommunikationsregeln und spezialisierten Sprachspielen, die zumindest genauso relevant und wirksam für Organisationsprozesse und ihre Veränderung sind, wie die Einwirkung auf die betroffenen Personen (Wilke 1994, S. 2 f.).

Es ist jedoch nicht so, dass diese andere Realität ausschließlich in einer sprachlichen Form ihre Ausgestaltung erfährt. Vielmehr zählen zu der Kultur einer Organisation gerade auch die unbewussten, unausgesprochenen aber dennoch handlungsleitenden Dinge, wie beispielsweise Wertevorstellungen, Normen, Rituale und Einstellungen. Dabei entwickelt jede Organisation die, zu der individuellen Geschichte passende eigene, spezifische Unternehmenskultur (vgl. Schreyögg 1999, S. 437).

Das es sich aber lediglich um eine Kultur in der Organisation handelt, ist es eine zu kurz geratene Annahme. Vielmehr existieren in der Realität oftmals Subkulturen unterschiedlicher Ausprägung (Schreyögg 1999, S. 453 f.). "Die Kultur ist immer ein Pluraliatantum und nie etwas Einzelnes" (Bate 1997, S. 166).

Zudem kann die Organisationskultur als das Ergebnis eines Lernprozesses verstanden werden, wie die Organisation mit ihren Problemen, beispielsweise aus der Umwelt resultierend, umzugehen gelernt hat. "Unternehmenskultur ist also gewissermaßen ein kollektiver Wissensvorrat, der die Entwicklungsgeschichte einer Unternehmung widerspiegelt" (Schein 1991, nach Schreyögg 1999, S. 439).

Dem grundsätzlichen Gedanken dem Lernen als kontinuierlicher, nie endender Prozess verpflichtet, wird zudem auch innerhalb der Organisationskultur davon ausgegangen, dass sie das Ergebnis historischer Lernprozesse innerhalb einer Organisation ist, die nie wirklich abgeschlossen sind, sondern sich immer in Bewegung befinden. Die Intensität der Lernbereitschaft ist dabei abhängig von der Stärke der Kultur. Von Bedeutung ist das Verständnis, dass die Kultur aus Lernprozessen entstanden ist, und - gleich einem immerwährenden Regelkreislauf - im Laufe der Zeit als eigene Struktur sich wieder auf die Lernprozesse und ihre Intensität auswirkt (vgl. Schreyögg 1999, S. 439). Ist diese Annahme handlungsleitend, wird umso deutlicher, dass sich (eigentlich nur) durch die Veränderung der Kultur und damit der Vorstellungen und Werte letztlich auch die Strukturen der Organisation wandeln können.

Für eine genaue Analyse und Erfassung der spezifischen Organisationskultur sind neben der Frage nach den in der Organisation herrschenden Basisannahmen, Normen und Standards und der Existenz von Subkulturen und ihre Ausprägung, noch weitere Aspekte von Bedeutung. In jenem Teil dieser Arbeit, der sich mit einem konkreten Beispiel auseinandersetzen wird, werden diese Elemente eine größere Rolle spielen.

Die Denkkategorien "Organisation als Kultur", "Organisation als System" und die noch näher zu betrachtende der "lernenden Organisation" stehen in einer engen theoretischen Verknüpfung. Alle drei Ansätze gehen davon aus, dass sich der Wandel innerhalb komplexer Strukturen vollziehen muss, bei dem es die verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden und zum Teil auch bedingenden Ebenen zu beachten gilt, um erfolgreich zu sein.

Ausgehend von der Grundthese, dass stabile Instabilität das Charakteristikum der Zukunft sein wird und ergänzt um die Annahme, dass sich ein Wandel erfolgreich nur durch den Wandel der Vorstellungen und Werten vollziehen lässt, beginnt sich bereits jetzt heraus zu kristallisieren, das zukünftig insbesondere die Organisationen, deren Kultur und System gelernt haben, mit dieser stabilen Instabilität umzugehen, eine Überlebenschance haben werden.

Lernende Organisationen - das zukünftige Ziel des Wandels

Der Annahme folgend, dass zukünftig der Wandel in Organisationen den Normalfall darstellen wird und nicht mehr die Ausnahme - Organisationstransformation somit zunehmend zur Regel werden wird - bedarf es in Folge dessen nun einer Theorie und Praxis der Organisationsveränderung, die diesem Rechnung trägt.

Das wissenschaftliche Lernkonzept, dass seine konzeptionellen Wurzeln in der Logik der Veränderung hat, bietet dabei für weitere Überlegungen zunächst eine gute Ausgangsbasis. Dieses, aus der behavioristischen Forschungstradition stammende Konzept des Stimulus-Response-Paradigmas, sieht die Fähigkeit des Lernens als eine grundsätzliche Eigenschaft des Individuums an. Der Prozess des Lernens tritt dann ein, wenn das Individuum auf einen gleichen oder ähnlichen Anstoß (Stimulus) signifikant abweichend von seinem bisherigen Verhalten reagiert (Response). Dabei ist der Prozess des Lernens als solcher nicht beobachtbar (Black Box), sondern nur das Ergebnis - die konkrete Verhaltensänderung (vgl. Schreyögg 1999, S. 529).

Das Konzept des organisatorischen Lernens, wurde erstmals Ende der 1970er - Anfang der 1980er Jahre auf die Besonderheiten von Organisationen übertragen. Dieser zunächst die Wissenschaft und Praxis dominierende Stimulus-Response Ansatz wurde jedoch im Laufe der vergangenen Jahren von der kognitiven Lerntheorie abgelöst, da sich ersteres Konzept in der Praxis und seiner Weiterentwicklung für kollektive Lernprozesse als nicht ausreichend erwiesen hat.

Innerhalb dieser weiteren Theorieentwicklung werden Organisationen als "Wissenssysteme (...), die über Lernprozesse neues Wissen akquirieren wie auch selbst generieren und dadurch ihre Wissensbasis kontinuierlich verändern" (Schreyögg 1999, S. 534), begriffen. Organisationales Lernen wird im Zuge dieser Annahme also als der Prozess verstanden, in dem vorhandenes Wissen bewusst genutzt, neues Wissen aufgenommen und in die Wissensbasis implementiert oder bestehendes Wissen weiterentwickelt wird, um es für zukünftige Problemlösungserfordernisse zu organisieren (vgl. Schreyögg 1999, S. 534).

Dieses grundsätzliche Verständnis von einer lernenden Organisation setzt einen deutlichen Gegenpunkt zu der irrigen Annahme, dass ein Unternehmen, welches zur optimaleren Rollenwahrnehmung viel in seine Rollenträger investiert (also die klassische Aufgabe der Personalentwicklung), bereits ein lernendes Unternehmen sei (vgl. Pedler/ Boydell/ Burgoyne 1994, S. 16). Das Konzept der Lernenden Organisation zielt also auf das Lernen von Organisationen und nicht in Organisationen ab. Für die Organisation bedeutet dies, wenn nicht gleich permanente Veränderung, dann doch fortlaufende Veränderungsbereitschaft, somit ist "Lernfähigkeit als Sicherstellung der Veränderungsbereitschaft zu verstehen" (Schreyögg 1999, S. 547).

Über die Vorstellung, wie diese Wissensbasis nun im Detail aufgebaut ist, existieren unterschiedliche Vorstellungen (vgl. Schreyögg 1999, S. 535). Jedoch ist sie nicht als eine isolierbare Größe zu betrachten, sondern sie ist konstitutiv für das System und analog der Kultur in der Organisation immanent. Als besonders relevant, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit der Weitergabe an neue Organisationsmitglieder, erscheint dabei die mögliche Unterscheidung in explizitem also artikulierbaren und impliziten also in der Organisation emergenten Wissen.

Auf die Frage, wie in der Praxis innerhalb der Organisation unterschiedliche Lernebenen bzw. -niveaus erreicht werden können, bietet die Literatur ebenfalls eine Vielzahl von Antworten (vgl. beispielsweise zu single-, double-loop- und deutero-Learning Schreyögg 1999, S. 538 ff. oder Argyris/ Schön 1996, S. 121 ff. zu den Modellen des O-I- bzw. O-II-Lernsystemen).

Besonders wichtig ist in einem nächsten Schritt, dass bei einer Gegenüberstellung der Basisannahmen der traditionellen Organisationsänderungs- und -entwicklungsansätze mit derer der Lernenden Organisation nun deutlich wird, dass bei der Organisationstransformation nicht das interne Justieren, oder die Anpassung mit dem Ziel der Balance im Vordergrund stehen, sondern die Antizipation der wahrscheinlichen Zukunft durch eine Änderung der Kultur der Organisation (vgl. Sattelberger 1994, S. 14). Zukünftig geht es somit also im Wesentlichen um den Aufbau einer neuen (Lern-) Kultur der Organisation.

Ausgehend von der grundlegenden These dieser Arbeit, dass zukünftig eine stabile Instabilität den Alltag (nicht nur) von sozialen Organisationen prägen wird, erscheint also das Streben nach einer Organisationskultur, die mit ihren flexiblen Strukturen gleichzeitig in der Lage ist, sowohl eine relative Stabilität, als auch Flexibilitätsfähigkeit zu beweißen, notwendig.

Die eigentliche Aufgabe des Wandels ist somit letztlich, dass die Gedanken der lernenden Organisation systemimmanent werden. Denn man kann im Zusammenhang mit Wandel erst wirklich von einem Organisationslernen sprechen, "(...) wenn die Organisationen Strukturen herausbilden, um ihre Strukturen zu ändern, bzw. Regeln um ihre Regeln zu ändern - wenn sie also reflexiv geworden sind" (Zech 1999, zitiert nach Wöhrle 2001, S. 32). Double-loop-Learning, also das lernende Reflektieren, Hinterfragen und Verändern der zugrunde liegenden Alltagstheorien, wird somit zum Standard der lernenden Organisation.

Das dieser Anspruch nur durch ein systemisches Organisationsverständnis zu erklären und zu erreichen ist, wird deutlich durch das Verständnis von Organisationen nach Luhmann, der Handlungen in Organisationen immer auch als Entscheidungen betrachtet: Demnach sind Organisationen "Systeme, die aus Entscheidungen bestehen und die Entscheidungen, aus denen sie bestehen, durch die Entscheidungen, aus denen sie bestehen, selbst anfertigen" (Luhmann 1986, zitiert nach Scherf-Braune 2000, S. 45).

Bedeutend ist also, dass innerhalb des Konzeptes der Lernenden Organisation nicht die Anhäufung situationsspezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten relevant ist, sondern die Fähigkeit, das Gelernte jederzeit als die Grundlage für weiteres Lernen zu verwenden. Der Wandel wird durch organisatorisches Lernen nicht länger als ein Sonderfall begriffen, sondern durch die permanente Veränderung und Erweiterung der Wissensbasis wird er zu Systemalltag (vgl. Schreyögg 1999, S. 547).

Formen des Wandels - Welchen Spielraum für Veränderungen haben Organisationen?

Auch wenn vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklungen die Notwendigkeit und auch die Zielrichtung eines grundlegenden Wandels evident zu sein scheint, ist stets eine genaue Analyse des tatsächlichen Ausmaßes der Veränderungen unerlässlich, um nicht Prozesse in Gang zu setzen, die entweder hinsichtlich ihrer Dimension überflüssig oder nicht langfristig steuerbar sind.

Grundsätzlich wird zwischen einem Wandel erster und zweiter Ordnung zu unterschieden.

Ein Wandel erster Ordnung, auch als gradual change bezeichnet (Vahs 2003, S. 242), charakterisiert eine Modifikation der vorherrschenden Arbeitsweisen, im Sinne einer Nach- bzw. Verbesserung. Es findet keine Veränderung des Bezugsrahmens statt, sondern es erfolgt (lediglich) eine qualitative Veränderung.

Unter einem Wandel zweiter Ordnung, radical change (Vahs 2003, S. 243) hingegen, wird eine grundlegende Veränderung des Bezugsrahmens - eine quantitative Veränderung also - einhergehend mit einer radikalen Abkehr von dem bisherigen Selbstverständnis, der gültigen Struktur und der Abläufe innerhalb der Organisation verstanden (vgl. Wöhrle 2001, S. 9 f.).

Organisationstransformation in dem hier beschriebenen Sinne, ist dabei eindeutig nur einem Wandel zweiter Ordnung zuzuordnen.

Welche konkrete Art und welches Ausmaß des Wandels eine Organisation benötigt, ist abhängig von der Diskrepanz zwischen den an die Organisation durch die Umwelt gestellten Anforderungen und der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Fähigkeit der Organisation, angemessen reagieren zu können. Die Ausgangssituation ist also immer maßgeblich für den Grad des notwendigen Wandels (vgl. Wöhrle 2001, S. 10).

Die Gestaltung des organisatorischen Wandels - Techniken und Strategien für eine erfolgreiche Organisationstransformation

Ein einschneidender Wandel zweiter Ordnung, eine Organisationstransformation, ist also offensichtlich nur durch einen umfangreichen Kulturwandel möglich. Diese Behauptung wird umso klarer, wenn man analog dem systemischen Verständnis davon ausgeht, dass Organisationen sich nur aus sich heraus und nicht durch Interventionen von außen verändern können.

Es stellt sich daher die Frage, mit welcher Methode ein Kulturwandel in einer Organisation erfolgreich initiiert und implementiert werden kann. Theoretisch lassen sich vier klassische methodische Haupttypen ausmachen, die von Paul Bate als aggressives, partizipatorisches, Netzwerk- und Umerziehungsverfahren bezeichnet werden (vgl. Bate 1997, S. 201 ff.). In der Praxis ist jedoch kaum eine dieser genannten Methoden in ihrer Reinform zu finden, sondern in viel komplizierteren und mannigfaltigeren Ausgestaltungen (vgl. Bate 1997, S. 242).

Im Zuge der leitenden These von der stabilen Instabilität und im Hinblick auf die bereits eingeführte Problematik der verschiedenen Dilemmata, die durch eine falsche Strategie auch hervorgerufen werden können, stellt sich daher die Frage, ob diese mehr oder weniger linearen Ansätze des Umbaus zukünftig noch zeitgemäß sein werden.

Geht es seit einiger Zeit doch vermehrt gerade um die Frage, wie das richtige Maß zwischen der auf der einen Seite notwendigen und auf der anderen Seite möglichen und aushaltbaren Veränderung innerhalb einer Organisation und damit auch die eingesetzten Strategien des Wandels zu finden ist. Denn, "einseitige Vorgehensweisen werden entweder vom Alltag der Organisation kleingearbeitet oder sie bedeuten zu harte Konfrontation, gegen die sich das System wehrt, die es als Fremdkörper abstoßen will bzw. gegen die Kulturkreise in der Organisation opponieren (Wöhrle 2001, S. 55).

Entsprechend der besonderen Erfordernisse, ist also ein für die jeweilige Organisation spezifischer Weg auch analog des jeweiligen Lebenszyklus der Kultur (vgl. Bate 1997, S. 165 ff.) zu entwickeln. Man betreibt ansonsten "eine Änderung der Unternehmenskultur mittels einer Methode, die in ihrer Grundform schon feststeht, und hält bis zuletzt an ihr fest. Problematisch ist daran, dass damit eine statische Methode auf einen dynamischen Prozess angewandt wird" (Bate 1997, S. 255). Daher sollte das statische Modell zu Gunsten eines Modells, "das fließender, offener für Änderungen und umweltbezogener ist und für die unterschiedlichen Phasen eines Kulturzyklus unterschiedliche Wege gestattet" (Bate 1997, S. 255) aufgegeben werden.

Bate hat im Zuge dessen die einzelnen Methoden der Veränderung hinsichtlich verschiedener Planungsparameter (Expressivität, Allgemeinheit, Durchschlagskraft, Anpassungsfähigkeit und Langlebigkeit) bewertet und so die Bereiche in denen sie stark und in denen sie schwach sind identifiziert (vgl. Bate 1997, S. 242 ff.).

Wengleich er darauf aufbauend mit dem, sich in fünf Stadien (deformativ, vermittelnd, akkulturativ, umsetzend und formativ) gliedernde "Modell der integrierten Managementstrategien des Wandels" (vgl. Bate 1997, S. 259 ff.) einen möglichen Weg zur Änderung der Organisationskultur und damit für einen Wandel zweiter Ordnung benennt, betont er gleichzeitig auch, dass dieses Modell nicht eins zu eins in die Praxis übertragbar ist und das letztlich kein Weg daran vorbei führt, ein individuelles Modell der Veränderung zu erarbeiten. Denn nur so besteht die Möglichkeit, auf (die mit Sicherheit) hervortretenden Störungen flexibel und angemessen reagieren zu können. Der Umgang mit Widerständen, der Mitarbeiter, die oftmals sich aus Angst vor dem Neuen speisen, wird dadurch leichter, steht einem doch ein größeres Handlungsrepertoire einzelner Strategien zur Verfügung.

Grenzen und Chancen des Paradigmas der Lernenden Organisation

Mit dem Paradigma der Lernenden Organisation wird also gerade in letzter Zeit die Hoffnung verknüpft, in Zeiten des fortwährenden Wandel ein System zu etablieren, mit dem die Organisation und ihre Mitglieder den Wandel als Normalfall begreifen, die Wandelbereitschaft somit gefördert und Verfestigungstendenzen entgegengewirkt wird. Dabei werden lernende Organisationen häufig als antistrukturell, d.h. als losgelöst von allen hierarchischen Zwängen, wie beispielsweise der Organisationsstruktur beschrieben (vgl. Schreyögg 1999, S. 552).

Die - vom grundlegenden Verständnis eigentlich als haltgebend betrachtete - Struktur der Organisation wird als hemmend und für den Prozess des organisationalen Lernens als nicht dienlich angesehen, vielmehr soll eine nahezu vollständige Flexibilisierung der Strukturen die Grundlage für die Lernfähigkeit der Organisation bilden.

Wird dieser Gedanke konsequent weitergeführt, müsste eine tatsächlich lernende Organisation als strukturlos gelten und analog des klassischen Kraftfeldansatzes von Kurt Lewin sich in einem permanenten unfrozen Zustand befinden. Eine derartige Organisation würde sich in einem permanenten Erwartungszustand hinsichtlich neuer Lernelemente befinden, jedes Problem würde innovativ gelöst werden. Die an sich durch die generellen Regeln der Strukturen angelegte Verhaltenssteuerung der Organisationsmitglieder in bestimmten Arbeitsabläufen würden durch ein derartiges Verständnis aufgehoben werden. (vgl. Schreyögg 1999, S. 553 f.). Eine Organisation bedarf jedoch gerade in Zeiten hoher Ungewissheit auch immer wieder dieser allgemeingültigen Regeln um durch eine gewisse Erwartbarkeit die Unsicherheit zu reduzieren.

Im Rahmen dieses Verständnis scheint es zunächst so, als stünden die Forderung nach Regeln und Struktur und die Annahmen des Konzeptes der lernenden Organisation diametral zueinander. Doch genau da liegt der Knackpunkt des Konzeptes der Lernenden Organisation. Es geht nicht länger um die Dichotomie Struktur oder Lernen, sondern zukünftig um die Einheit von Struktur und Lernen. Eine lernende Organisation muss wissen, an welchen Stellen, sie sich den Lernanforderungen aus der Umwelt zu entziehen hat und der Stabilisierung und Einhaltung der Strukturen den Vorrang zu geben hat. "Die Kernfrage heißt nun nicht mehr, wann eine Organisation lernen soll, sondern gewissermaßen auf den Kopf gestellt: Wann soll eine lernende Organisation nicht lernen? Es gehört also zu den Aufgaben der lernenden Organisation, zu lernen, wann sie nicht lernen, d.h. Erwartungen kontrafaktisch stabilisieren soll" (Schreyögg 1999, S. 556).

Es geht also zukünftig eher um die immer wieder neu herzustellende Balance zwischen Stabilität und Flexibilität und die immer wiederkehrende Abwägung wann Lernprozesse eingeleitet werden müssen und wann Prozesse stabilisiert werden müssen und sich in Strukturen niederschlagen müssen.

Aus dieser Perspektive steht auch das Modell der integrierten Managementstrategien des Wandels von Bate nicht, - wie vielerorts dargestellt (vgl. bspw. Wöhrle 2001, S. 65 ff.) - in einem Widerspruch zu dem Konzept der lernenden Organisation. Geht es doch bei dem obigen Verständnisses von einer lernenden Organisation auch nicht darum, einen nie endenden Prozess des Wandels in Gang zu setzen. Sondern vielmehr die Bereitschaft der Mitarbeiter zu erhöhen, sich auf eine immer wiederkehrende Abfolge von Wandel und Konsolidierung einzulassen. Genau zu dieser Annahme kommt das Modell Bate's ebenfalls, geht es doch davon aus, dass Veränderung letztlich doch permanent ist, allerdings mit einem definierten Anfang.

Resümee

Wenn gleich das Modell der Neuen Steuerung die Kommunen bereits seit Anfang der 1990er Jahre beschäftigt, ist es zum jetzigen Zeitpunkt - verknüpft mit den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und den Gedanken der Sozialraumorientierung - aktueller denn je. Unter dem derzeitigem Finanzdruck mit bis dato unbekannten Ausmaßen, stellt sich die Forderung nach einer umfassenden, sich auf vielen Ebenen vollziehenden Auseinandersetzung mit den bisher geltenden Strukturen, Merkmalen und Standards der Jugendhilfe erneut und umso dringlicher.

Man kann sagen, dass die Reformnotwendigkeiten eine andere Bedeutungsebene erreicht haben, dass die Verwaltungsreform und mit ihr das Modell der neuen Steuerung in eine zweite Phase eingetreten sind. Aufbauend auf den Erfahrungen der vorangegangenen Reformbemühungen müssen nun die Weichen für die zukünftige Struktur der Jugendhilfe gestellt werden, damit auch in Zeiten knapper Mittel für die Betroffenen die entsprechenden Hilfestellungen möglich und zugänglich sind.

Um diesmal erfolgreicher als das erste Mal zu sein, ist es unmöglich die geschilderten Reformbemühungen singulär zu betrachten. Vielmehr ist durch die vorangegangenen Ausführungen im ersten Teil deutlich geworden, wie die einzelnen Entwicklungselemente miteinander verschachtelt sind und sich dabei zudem oftmals gegenseitig bedingen.

Wie geschildert hat das Paradigma der Sozialraumorientierung erst in vergangenen Jahren, ausgelöst durch die Entwicklungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene und der gleichzeitigen Implementierung der Elemente der Neuen Steuerung, eine Wiederbelebung erfahren.

Von immenser Bedeutung für die weitere Entwicklung der Reformbemühungen, ist dabei auch die zukünftige Art und Weise der Einbeziehung der freien Träger - mehr denn je, da Jugendhilfe schon immer wesentlich durch die Kooperation zwischen Kommune und freiem Träger geprägt gewesen ist.

Eines lässt sich daher bereits an dieser Stelle festhalten: Je mehr sich die öffentliche Jugendhilfe in Zukunft auf ihre (wie dann auch immer definierten) Kernaufgaben zurückziehen wird, desto mehr bedarf es gleichzeitig einer funktionalen und vernetzten Infrastruktur von freien Trägern und ihrer Projekte, zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben.

Zukünftig wird, auch durch das Konzept der Sozialraumorientierung, eine große Kooperationsbereitschaft insbesondere auf Seiten der freien Träger voraus gesetzt werden, um gemeinsam integrative Interventionsformen zu entwickeln und zu verwirklichen, die den tatsächlichen Gegebenheiten im Soziaraum gerecht werden und eben nicht den regionalen Verortungen der freien Träger Rechnung tragen.

Die professionell Tätigen innerhalb der Sozialen Arbeit - ob in öffentlicher oder freier Trägerschaft - müssen sich dabei insgesamt aktiv an den Prozessen beteiligen, damit die Fachlichkeit das Kriterium bleibt, welches die Veränderungen maßgeblich steuert und die finanzpolitische Seite ausgewogen in die Prozesse miteinbezogen wird, ohne Überhand zu nehmen.

Das dabei einer angemessenen Organisationsentwicklung eine tragende, beinah alles entscheidende Rolle zukommt, ist zunächst offensichtlich. "Wenn also die Innovationen, die durch ein neues Steuerungsmodell für die Sozialverwaltungen avisiert sind und in plakativen Begriffen der Kunden-, Produkt und Outputorientierung ihren Ausdruck finden, nicht alleine unter Effizienz-, sondern auch unter Effektivitätsgesichtspunkten zu bewerten sein sollten, sind beteiligungsorientierte Konzepte der Organisationsentwicklung ein notwendiges Pendant zu einer allgemeinen Verwaltungsreform" (Flösser 1996, S. 29).

Die Träger Sozialer Arbeit müssen zukünftig Organisationsstrukturen entwickeln, die flexibel und stabil zu gleich sind, um den Anforderungen des Wandels adäquat gegenübertreten zu können. Dabei scheint es in den letzten Jahren zu einer deutlichen, Akzentverschiebung, weg von der klassischen Organisationsentwicklung - hin zu dem Konzept der lernenden Organisation - gekommen zu sein.

Die wesentlichen Kritikpunkte (vgl. Grunwald 2001, S. 199 ff.) an dem Konzept der Organisationsentwicklung konzentrieren sich darauf, dass diese zum einen die Notwendigkeit der Veränderung nach wie vor als Sonderfall, begreift, den es schnell mit Hilfe von Spezialisten zu lösen gilt, während das Konzept der lernenden Organisation den Wandel als fast alltägliches Phänomen versteht, dass zum heutigen Alltag einer Organisation einfach dazugehört. Zum anderen definiert die Organisationsentwicklung den Wandel als ein klar definiertes und eingegrenztes Problem, dass es herausgelöst aus den alltäglichen Abläufen zu bearbeiten gilt, um es dann im Anschluss wieder in den Arbeitsfluss zu implementieren. Diese Auffassung widerspricht sowohl dem Grundgedanken Organisationen als Systeme zu begreifen, wie auch der Tatsache, dass der Alltag in einer Organisation komplex ist und die einzelnen Probleme derart miteinander verwoben sind, dass das herauslösen einzelner Elemente schier nicht möglich ist. Im Konzept der lernenden Organisation hingegen, ist der Wandel "ein integraler Bestandteil des täglichen Systemvollzuges" (Schreyögg 1999, S. 549).

Letztlich geht die Organisationsentwicklung davon aus, dass der Wandel als einen stetigen und planbaren Prozess darstellt, der somit letztlich im Rahmen eines großen Planungsprojektes konzipiert und durchgeführt werden kann. Doch gerade dieser Punkt spiegelt sich in der Realität nicht immer wieder, wird doch oftmals der Wandel spontan und unmittelbar notwendig, in denen häufig kurzfristig grundlegende Umwandlung in kürzester Zeit eingeleitet werden müssen (vgl. Grunwald 2001, S. 203). "Solchen nicht-stetigen oder gar revolutionären Wandelformen steht Organisationsentwicklung aufgrund der vorausgesetzten Plan- und Steuerbarkeit jedoch konzeptionell wie auch methodisch hilflos gegenüber" (Grundwald 2001, S. 203). Organisationales Lernen hingegen stellt die Selbstverknüpfungskompetenz der Organisationsmitglieder in den Vordergrund.

Die Fähigkeit einer Organisation und ihrer Mitarbeiter/innen, das organisationale Lernen zukünftig zu einer Basiskompetenz werden zu lassen - ohne dass die Organisation durch eine permanente Lernbereitschaft und -einstellung dadurch in ihren Grenzen zerfließt und letztlich dadurch genau das Gegenteil erreicht wird - scheint somit die Organisationsentwicklung in ihrem originären Sinne abzulösen. Somit ist die Frage durchaus berechtigt, ob wir also gerade dem "hostile oder friendly takeover durch das Label Organisationslernen" (Trebesch 1998, zitiert nach Grunwald 2001, S. 204) beiwohnen?

Wenngleich auch deutlich werden sollte, dass eine Organisation, die ihren Wandel und ihre Entwicklung als Lernen programmiert, anders gedacht werden muss, als eine Organisation, die in der Stabilität ihr Paradigma findet, kann das Konzept der lernenden Organisation letztlich nicht das der Organisationsentwicklung ersetzen.

Denn die polarisierende Gegenüberstellung beider Konzepte, die letztlich dazu geführt hat, dass dem Konzept der lernenden Organisation zwischenzeitlich den Vorrang gegeben wurde, da es offensichtlich zeitgemäßer sei, entspricht nicht mehr der Weiterentwicklung der Ansätze der Organisationsentwicklung (vgl. Grunwald 2001, S. 205).

Zudem es stellt sich immer auch die Frage, wie eine Organisation sich auf dem Weg zu einer lernenden Organisation machen kann. Es bedarf beispielsweise an entsprechenden Kommunikationsprozessen, die nicht von selbst in Gang kommen, sondern immer auch einer Begleitung von außen bedürfen, damit auftretenden Blockaden entsprechend begegnet werden kann.

Somit muss es also schlussendlich zukünftig um die Frage gehen, wie die Konzepte der Organisationsentwicklung mit derer der lernenden Organisation verknüpft werden können. Ziel von Organisationsentwicklungsprozessen sollte die lernende Organisation sein. Aber um eine bestehende Organisation zu einer lernenden Organisation zu machen, bedarf es der Strategien und Methoden der Organisationsentwicklung. Somit sind beide Konzepte zwangsläufig untrennbar miteinander verbunden.

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Autorin

Dipl. Soz. Päd. M.A. Petra Mund war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels Leiterin des stationären Jugendhilfebereiches des Jugendwerks Aufbau Ost e.V. - Berlin und Lehrbeauftragte an der Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin. Aktuell ist sie nach langjähriger Tätigkeit beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Hochschullehrerin für Sozialarbeitswissenschaften und Sozialmanagement an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin.

Adresse

Prof. Dr. Petra Mund
Katholische Hochschule für Sozialwesen
Köpenicker Allee 39-57
10318 Berlin
Email: prmund@gmx.de
Homepage: http://www.khsb-berlin.de/hochschule/personen/lehrende/hauptamtliche-lehrkraefte/mund-petra/

Hinweis

Veröffentlicht am 10.04.2004, überprüft und aktualisiert im Mai 2015