Der Schutzauftrag des Jugendamts nach § 8a SGB VIII (2015)

Peter-Christian Kunkel

1. Das schon bisher in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG geregelte Wächteramt des Staates wird durch § 8a SGB VIII insoweit konkretisiert, als die Pflichten des Jugendamts als staatlicher Wächter näher beschrieben werden. Andere staatliche Wächter sind andere Behörden wie Sozialamt, Agentur für Arbeit, Schule ebenso wie das Familiengericht; nicht aber freie Träger. Da das Jugendamt aus Verwaltung und Ausschuss besteht (§ 70 SGB VIII), sind auch die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses staatliche Wächter.

2. Auslöser für die Einfügung des § 8a SGB VIII waren die Strafverfahren wegen Begehung einer Straftat durch Unterlassen und die Zivilverfahren wegen Verletzung von Amtspflichten.

a. § 13 StGB bestimmt, dass man sich auch durch Unterlassen strafbar machen kann, wenn man eine Garantenstellung hat. Diese Garantenstellung ergibt sich für den Mitarbeiter des öffentlichen Trägers aus dem staatlichen Wächteramt, für den Mitarbeiter eines freien Trägers aus vertraglicher oder rein tatsächlicher Schutzübernahme für das Kind ("Beschützergarant"). Die Garantenstellung hat der für den Fall zuständige Mitarbeiter; dies ist beispielsweise die Mitarbeiterin im Allgemeinen Sozialen Dienst, aber auch der Jugendamtsleiter im Rahmen seiner Fachaufsicht. Unklar war, welche Garantenpflichten der Garant erfüllen muss. Die "Regeln der Kunst" sind nun in § 8a SGB VIII als Standard beschrieben. Damit sind diese verwaltungsverfahrensrechtlichen Pflichten zugleich strafrechtliche Handlungspflichten. Die strafrechtlichen Garantenpflichten können aber über diese verwaltungsverfahrensrechtlichen Pflichten hinausreichen (z.B. kann sich aus der strafrechtlichen Garantenpflicht eine Pflicht zur Mitteilung an das Familiengericht oder eine Anzeigepflicht bei der Polizei ergeben). Ebenso können umgekehrt die verfahrensrechtlichen Pflichten nach § 8a SGB VIII über die strafrechtlichen Garantenpflichten hinausreichen, wenn beispielsweise beim öffentlichen Träger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung des (nicht in der Einrichtung befindlichen, also keine Garantenpflichten auslösenden) Geschwisterkindes bekannt werden. Befindet sich das Kind dagegen in der Einrichtung eines freien Trägers, muss dieser Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Geschwisterkindes nicht nachgehen, da er in den Schutzauftrag nur insoweit einbezogen ist, als er Leistungserbringer, also zuständig für das in der Einrichtung befindliche Kind ist. Strafbar ist das Unterlassen eines Garanten nur dann, wenn ein Rechtsgut verletzt wird, das in einer Strafrechtsnorm geschützt ist (Leben, Gesundheit, sexuelle Selbstbestimmung).

b. Eine Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) liegt dann vor, wenn ein Beamter im haftungsrechtlichen Sinn (erweitert durch Art. 34 GG auf Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst) hoheitlich (also auch bloß schlicht-hoheitlich im Rahmen der Leistungsverwaltung) seine ihm gegenüber einem Dritten obliegende Pflicht verletzt. Auch diese Pflichten sind durch § 8a Abs. 1 SGB VIII näher konkretisiert worden. Die sich aus § 839 BGB ergebende Schadenersatzpflicht übernimmt die Anstellungskörperschaft nach Art. 34 GG, die aber bei Vorsatz oder grober Fahrlässig Rückgriff beim Beamten nehmen kann.

3. Das Verfahren des Schutzauftrages ist dreistufig:

  1. Erkennen von Anhaltspunkten ("Aha!")
  2. Bewerten des Gefährdungsrisikos
  3. Handeln zur Abwendung der Gefährdung

4. Anhaltspunkte

a. "Gewichtige Anhaltspunkte" sind Tatsachen, die - generell - bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit einen Schaden i.S.v. § 1666 BGB bewirken würden. Schaden i.S.d. § 1666 BGB ist eine schwerwiegende (tiefe) und nachhaltige (Dauer; mindestens 6 Monate) Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohles des Kindes. Nicht ausreichend sind Tatsachen, die lediglich zu einer Mangelsituation i.S.v. § 27 SGB VIII führen. Es kommt bei § 8a SGB VIII nicht darauf an, das Beste für das Kind zu erreichen, sondern darauf, das Schlimmste von ihm abzuwenden.

"Gewichtig" ist ein Anhaltspunkt dann, wenn er

  • aus einer ernst zu nehmenden Quelle stammt,
  • plausibel ist,
  • sich auf einen Schaden i.S.d. § 1666 BGB bezieht.

Der Anhaltspunkt kann sein Gewicht auch erst aus der Kumulierung einzelner Anhaltspunkte gewinnen, die für sich allein nicht ausreichend wären (z.B. schlechte Wohnverhältnisse). Anhaltspunkte können sich sowohl am Kind selbst ergeben als auch in seiner Umgebung (z.B. in seiner Familie). Das Kind kann auch schon im Mutterleib gefährdet sein (z.B. durch Suchtverhalten der Mutter).

Die Justiz (Richter oder Staatsanwalt) ist nach der Mistra (Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen) in Nr. 35 verpflichtet, dem Jugendamt Tatsachen mitzuteilen, deren Kenntnis zur Abwendung einer erheblichen Gefährdung von Minderjährigen erforderlich ist.

Das Jugendamt muss Anhaltspunkten nicht "hinterher jagen". Es kann also warten, dass Anhaltspunkte bekannt werden. Teilweise besteht geradezu eine "§ 8a-Hysterie". Die Jugendhilfe wird nur noch durch das Nadelöhr des § 8a SGB VIII eingefädelt - vielleicht auch wegen der systematischen Stellung dieser Regelung am Anfang des Gesetzes. Die Leistungen der Jugendhilfe müssen aber - losgelöst von § 8a SGB VIII - wie bisher erbracht werden, da nicht jede Kindeswohlgefährdung oder gar bloß die Notwendigkeit der Förderung des Kindeswohls das Verfahren nach § 8a SGB VIII auslöst. Ebenso muss die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII unmittelbar erfolgen, auch wenn kein Verfahren nach § 8a SGB VIII vorausging. Die Funktion des § 8a SGB VIII ist lediglich die, dass er ein "Noteingang" in das Leistungsgehäuse des SGB VIII ist, daneben aber der "Haupteingang" offen bleibt. § 8a SGB VIII bewirkt, dass Leistungen gleichsam zu einer Bringschuld werden, während sie außerhalb des § 8a SGB VIII eine Holschuld sind.

b. Ob ein Anhaltspunkt gewichtig ist, entscheidet die fallzuständige Fachkraft allein; erst bei der Bewertung der Gefährdungssituation ist eine weitere Fachkraft hinzuzuziehen. Bei der Beurteilung des Gewichts des Anhaltspunkts besteht kein Ermessen und auch kein Beurteilungsspielraum; vielmehr handelt es sich um die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Voraussetzung der Beurteilung ist, dass zunächst der Sachverhalt geklärt sein muss; hierzu kann auch ein Hausbesuch erforderlich sein (§ 8a Abs.1 S.2 SGB VIII).

5. Bewertung der Gefährdungssituation ("Gefährdungseinschätzung")

Durch das BKiSchG wurde der Begriff der "Gefährdungsabschätzung" durch den der "Gefährdungseinschätzung" ersetzt - ein tieferer, juristisch bedeutsamer Sinn ist darin nicht zu erkennen.

a. Ziel der Bewertung ist es, zu klären, inwieweit - im individuellen Fall - Eigenkräfte des Kindes oder der Eltern (sog. Resilienz), Ressourcen oder schon geleistete Hilfen ausreichen, den Schadenseintritt i.S.v. § 1666 BGB zu verhindern. Reichen diese Kräfte nicht aus, muss außerdem geklärt werden, welche Hilfen (solche nach dem SGB oder andere) notwendig sind, um den Schadenseintritt zu verhindern.

b. Ergibt die Gefährdungseinschätzung aber, dass ein Schadenseintritt in absehbarer Zeit nicht sehr wahrscheinlich ist, verläuft der weitere Hilfeprozess außerhalb des Verfahrens nach § 8a SGB VIII (z.B. durch Anbieten erzieherischer Hilfen oder von Eingliederungshilfe).

c. Die Bewertung geschieht beim Jugendamt im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte i.S.d. § 72 SGB VIII; beim freien Träger aber durch Heranziehung einer "insoweit erfahrenen Fachkraft". In beiden Fällen können auch externe Fachleute (z.B. ein Arzt) einbezogen werden.

Der Begriff der Fachkraft ist relativ zu verstehen, also in Bezug auf die von dieser Kraft wahrzunehmende Aufgabe. Die "insoweit erfahrene Fachkraft" muss also Kenntnisse auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie haben (z.B. Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen, Diplompädagogen, Heilpädagogen, Psychologen, Pädiater, Psychotherapeuten, Psychiater). Die "insoweit erfahrene Fachkraft" nach Abs. 4 muss keine höheren Anforderungen erfüllen als die "Fachkraft" in Abs. 1.

Die Fachkraft kann bei dem Träger selbst tätig sein oder eine überregional tätige Kraft sein. Subsidiär (wegen des Datenschutzes) kann auch auf eine beim Jugendamt beschäftigte Fachkraft zurückgegriffen werden.

Erfahren" ist die Fachkraft dann, wenn sie aufgrund einer genügenden Zahl von Fallbearbeitungen die Bewertung der Gefährdungssituation vornehmen kann. Da sie bei der Bearbeitung der ersten Fälle noch nicht erfahren sein kann, genügt es, wenn sie davor im weiten Feld der Kinder- und Jugendhilfe tätig war.

"Insoweit erfahrene Fachkraft" ist dagegen nicht, wer sich dafür hält oder dazu bestimmt wird.

d. Bei der Bewertung der Gefährdungssituation sind Kinder, Erziehungsberechtigte i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII (=PSB und andere) einzubeziehen. Erziehungsberechtigte sind beispielsweise Tagesmutter, Pflegeeltern, Erzieherin, Stiefeltern (nicht aber die Familienhelferin nach § 31 SGB VIII). Von ihrer Beteiligung kann und muss aber dann abgesehen werden, wenn sie dazu führt, dass die Bewertung der Gefährdungssituation nicht mehr möglich ist (z.B. durch Einschüchterung des Kindes).

Sind Erziehungsberechtigte nicht bereit oder nicht in der Lage mitzuwirken, muss das Jugendamt das Familiengericht anrufen (§ 8a Abs. 2 SGB VIII); Ermessen besteht dabei nicht.

e. Kommen die Fachkräfte zu einer unterschiedlichen Bewertung der Gefährdungssituation, hat der die Fachaufsicht führende Vorgesetzte im Jugendamt bzw. beim freien Träger das letzte Wort. Verantwortlich ist nicht die hinzugezogene Fachkraft, sondern die fallzuständige Fachkraft. Bei einer unterschiedlichen Bewertung zwischen Fachkräften des freien Trägers und einer hinzugezogenen Fachkraft des öffentlichen Trägers entscheidet ebenfalls der Vorgesetzte im Jugendamt, weil der öffentliche Träger die Letztverantwortung für den Fall hat (§ 79 Abs. 1+2, § 3 Abs. 2 S. 2 SGB VIII).

6. Handlungspflichten

a. Hat sich bei der Bewertung der Gefährdungssituation ergeben, dass ein Schadenseintritt i.S.v. § 1666 BGB in absehbarer Zeit sehr wahrscheinlich ist, wenn nicht eine Hilfeintervention erfolgt, muss das Jugendamt die notwendigen Hilfen anbieten bzw. vermitteln (Interventionspunkt für das Verfahren des § 8a SGB VIII). Dies können Hilfen innerhalb oder außerhalb des SGB VIII sein. Bei einer seelischen Krankheit oder Behinderung eines Elternteils kommt beispielsweise die Bestellung eines rechtlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht nach § 1896 BGB i.V.m. §§ 271-311 FamFG in Betracht.

b. Werden die notwendigen Hilfen angenommen, muss sich das Jugendamt im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII vergewissern, ob die Hilfen ausreichend sind.

c. Werden diese Hilfen nicht angenommen, hat das Jugendamt das Familiengericht anzurufen (§ 8a Abs. 2 S. 1 1. HS SGB VIII); Ermessen besteht nicht (Interventionspunkt für das familiengerichtliche Verfahren).

d. Steht ein Schadenseintritt beim Kind unmittelbar bevor und ist es zeitlich nicht mehr möglich, auf eine Entscheidung des Familiengerichts zur Abwendung dieses Schadens zu warten ("Gefahr im Verzuge"), muss das Jugendamt das Kind in Obhut nehmen (§ 8a Abs. 2 S. 2 SGB VIII). Die nähere Ausgestaltung der Inobhutnahme regelt § 42 SGB VIII. Muss die Inobhutnahme mit Gewalt geschehen, hat das Jugendamt die Polizei hinzuzuziehen (§ 42 Abs. 6 SGB VIII); diese muss dem Jugendamt Amtshilfe leisten (z.B. § 26 Abs. 2 LKJHG BW).

Das Jugendamt kann auch den freien Träger vertraglich verpflichten, im Rahmen des § 76 Abs. 2 SGB VIII die Aufgabe der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII wahrzunehmen. Damit wird der freie Träger aber nicht beliehener Unternehmer mit der Befugnis, Verwaltungsakte zu erlassen.

7. Besonderheiten für den freien Träger

a. Der freie Träger wird weder durch § 8a SGB VIII noch durch eine sonstige Regelung des SGB VIII zu irgend etwas verpflichtet. Er hat Pflichten nur dann, wenn sie sich aus einem mit dem öffentlichen Träger abgeschlossenen Vertrag (öffentlich-rechtlicher Vertrag nach § 53 SGB X) ergeben.

b. Der Inhalt dieser Vereinbarung ist durch § 8a Abs. 4 SGB VIII vorgegeben, nämlich:

  • das Verfahren entsprechend dem des Jugendamtes durchzuführen,
  • auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken, also für sie zu werben, und
  • das Jugendamt zu informieren, wenn
  • die angenommenen Hilfen nicht ausreichen oder gar nicht erst angenommen werden,
  • Erziehungsberechtigte nicht an der Gefährdungseinschätzung mitwirken

(dies folgt aus der Pflicht des Jugendamtes nach § 8a Abs. 2 SGB VIII, das Familiengericht anzurufen).

c. Außerdem muss das Jugendamt bei Gefahr im Verzug informiert werden, damit es eine Inobhutnahme durchführen kann. Das Jugendamt kann aber auch den freien Träger an der Aufgabe der Inobhutnahme beteiligen (s.o. 6. d).

War das Werben für eine Hilfe beim Erziehungsberechtigten erfolgreich, leistet das Jugendamt aber diese Hilfe nicht oder nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig, kann der Anspruchsberechtigte sich diese Hilfe selbst beschaffen (§ 36a Abs. 3 SGB VIII).

d. Der freie Träger kann auch selbst das Familiengericht anrufen. (§ 24 FamFG). Dieses muss von Amts wegen tätig werden (§ 26 FamFG). Die Stellung eines Beteiligten i.S.v. § 7 FamFG hat der freie Träger damit aber nicht. Er muss aber unterrichtet werden, wenn das Gericht seiner Anregung nicht folgt (§ 24 Abs. 2 FamFG).

e. Eine Rückmeldung bei vom freien Träger angeregten Hilfen ist gesetzlich nicht vorgesehen, aber vertraglich möglich und für eine gute Kooperation auch erforderlich, solange der Fall beim freien Träger weitergeführt wird. Datenschutzrechtlich ergeben sich aber Grenzen für eine Rückmeldung, soweit sie anvertraute Daten betrifft; solche dürfen nur mit Einwilligung rückgemeldet werden (vgl. hierzu unten 11.g.).

f. Es empfiehlt sich zu regeln, wie die Hinzuziehung der insoweit erfahrenen Fachkraft erfolgen soll und wer die Kosten trägt.

Die Kosten können als Fachleistungsstunden abgerechnet werden, wenn Leistungs- und Entgeltverträge nach § 78a SGB VIII abgeschlossen worden sind. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 78a (also z.B. für ambulante Hilfen) können Leistungs- und Entgeltverträge im Rahmen des § 77 SGB VIII abgeschlossen werden.

g. Zuständig für den Abschluss solcher Verträge ist der öffentliche Träger, in dessen Bereich die Einrichtung liegt (§ 78e SGB VIII); nicht entscheidend ist der Sitz des Trägers der Einrichtung.

h. Der Abschluss der Verträge erfolgt nicht mit einzelnen Personen (z.B. Pflegeeltern oder Tagesmutter), sondern mit den Trägern solcher Dienste, also den Trägern der freien Jugendhilfe oder den privat-gewerblichen Trägern. Beschäftigt das Jugendamt selbst eine Person (z.B. eine Familienhelferin) als Honorarkraft oder mit einem Dienstleistungsvertrag (sog. Bedarfsverwaltung), ist diese "das Jugendamt" nach § 8a Abs.1 SGB VIII.

Bei Einrichtungen ist die Vereinbarung mit der einzelnen Einrichtung abzuschließen (nicht mit dem übergeordneten Verband), da sie sich dazu verpflichten muss, das vereinbarte Verfahren einzuhalten; darin kann sie sich nicht vertreten lassen.

i. Nur mit solchen Einrichtungen und Diensten sind Vereinbarungen abzuschließen, die Leistungen i.S.v. § 2 Abs. 2 SGB VIII erbringen, also nicht z.B. mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen; ebenso wenig mit freien Trägern, die z.B. Jugendgerichtshilfe nach § 52 SGB VIII für den öffentlichen Träger leisten. Unabhängig davon ist die Beratungspflicht des JA gegenüber solchen Einrichtungen nach § 8b SGB VIII.

j. Beim Abschluss der Verträge ist die Autonomie des freien Trägers (§ 4 Abs. 1 SGB VIII) zu beachten. Der freie Träger ist nicht verpflichtet, eine Vereinbarung abzuschließen. Er kann den Schutz der Kinder auch dadurch gewährleisten, dass er eine Selbstverpflichtungserklärung (einseitig) abgibt. Konsequenzen für die Erlaubniserteilung nach § 45 SGB VIII (Betriebserlaubnis) können sich dann nicht ergeben, wenn durch die Selbstverpflichtungserklärung der Kinderschutz ausreichend gewährleistet ist.

k. Legt der freie Träger auf den Abschluss einer Vereinbarung Wert, kann er den öffentlichen Träger auch durch allgemeine Leistungsklage (§ 40 VwGO) vor dem Verwaltungsgericht zum Abschluss der Vereinbarung zwingen.

8. Besonderheiten für den kommunalen Träger ohne eigenes Jugendamt

Kreisangehörige Gemeinden, die nicht örtlicher Träger der Jugendhilfe sind, können auch Aufgaben der Jugendhilfe nach Landesrecht (z.B. § 6 LKJHG BW) wahrnehmen. Für sie gelten die für den örtlichen Träger geltenden Vorschriften entsprechend (so für den Datenschutz § 61 Abs. 1 S. 3 SGB VIII). Dies sollte dann auch für § 8a Abs. 1 SGB VIII gelten. Dennoch wird auch auf sie § 8a Abs. 4 SGB VIII angewandt. Sie so zu behandeln wie freie Träger entspricht aber nicht dem Verständnis der freien Jugendhilfe, da nur sie aufgrund ihrer Autonomie von gesetzlichen Verpflichtungen ausgenommen ist, während dies für Stellen der öffentlichen Verwaltung gerade nicht gilt.

9. Die Schule

Auch die Schule ist staatlicher Wächter nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG. Daher ist sie verpflichtet, bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung das Jugendamt zu informieren (so ausdrücklich z.B. § 85 Abs. 3 Schulgesetz Baden-Württemberg).

10. Wegzug der Familie ("Jugendamtshopping")

Verzieht die Familie in einen anderen Zuständigkeitsbereich, hat sich der Schutzauftrag des bislang zuständigen Jugendamts nicht erledigt. Hat es schon Leistungen erbracht, muss es diese fortsetzen, bis der neue zuständige Träger die Leistung erbringt (§ 86c SGB VIII). Er muss den neu zuständigen Träger über den Umzug informieren (§ 86c Abs.2 SGB VIII). Sind die Eltern aber verzogen, bevor Leistungen gewährt worden sind, folgt aus dem staatlichen Wächteramt, dass auch dann eine Informationspflicht des bisher zuständigen Jugendamts über die kindeswohlgefährdenden Anhaltspunkte besteht. Ein Informationsrecht ergibt sich jedenfalls aus § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII.

11. Zuständigkeit

Zuständig für die Wahrnehmung des Schutzauftrages ist das für Leistungen örtlich (§§ 86- 86d SGB VIII) zuständige JA. Dies folgt aus § 8a Abs. 5 SGB VIII, wonach dieses JA informiert werden muss, wenn einem anderen JA Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt werden.

12. Datenschutz

a. Für Datenerhebung, Datenspeicherung und Datenübermittlung gilt das Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 61 Abs. 1 S. 1 SGB VIII. Auch diese Vorschriften gelten aber nicht für die freien Träger - ebenso wenig wie § 8a SGB VIII. Der Datenschutz bei ihnen muss deshalb dadurch sichergestellt werden, dass der öffentliche Träger Sicherstellungsvereinbarungen mit den freien Trägern abschließt (§ 61 Abs. 3 SGB VIII). An deren Stelle kann aber auch hier - wie bei § 8a Abs. 2 SGB VIII - eine Selbstverpflichtungserklärung treten. Soweit der kirchliche Datenschutz gilt, ist damit der Datenschutz sichergestellt.

Beispiel: "Der freie Träger verpflichtet sich, den Datenschutz nach § 35 SGB I i.V.m. §§ 68-73 SGB X und nach §§ 61-68 SGB VIII einzuhalten."

Die Datenschutzregelungen nach dem SGB I, X und VIII gelten für den freien Träger lediglich entsprechend, also unter Berücksichtigung der Besonderheiten des freien Trägers.

b. Die Datenerhebung regelt § 62 SGB VIII. Nach Abs. 1 dürfen alle Daten erhoben werden, die notwendig sind, um den Schutzauftrag nach § 8a SGB VIII zu erfüllen. Nach Abs. 2 S. 1 müssen diese Daten bei dem Betroffenen selbst oder mit seiner Einwilligung bei Dritten erhoben werden. Um das Gefährdungsrisiko einschätzen zu können, ist es aber oft erforderlich, Daten bei Dritten ohne diese Einwilligung zu erheben. Dies erlaubt § 62 Abs. 3 Nr. 2d SGB VIII. Die Datenerhebung kann auch durch einen Hausbesuch erfolgen (§ 8a Abs.1 S.2 SGB VIII). Eine Pflicht, den Hausbesuch zu dulden, gibt es nicht. Infolgedessen scheiden Zwangsmittel zur Durchsetzung des Hausbesuchs aus.

Beispiel: Das Jugendamt erbittet vom Arzt oder vom Gesundheitsamt oder von der Schule oder von der Polizei weitere Informationen, um abschätzen zu können, ob eine Kindeswohlgefährdung i.S.d. § 1666 BGB droht. Auch ein Hausbesuch in der Familie ist zulässig.

Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass ein Elternteil psychisch gestört ist, muss das Gefährdungsrisiko zusammen mit dem Elternteil abgeschätzt werden (§ 8a Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Dies wird häufig nur gelingen, wenn ein ärztliches Gutachten zum Ausmaß der Störung eingeholt wird. Ist der betroffene Elternteil damit nicht einverstanden, fehlt es an seiner Mitwirkungsbereitschaft. Dann hat das Jugendamt das Familiengericht anzurufen (§ 8 Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Der freie Träger muss in solche einem Fall das Jugendamt informieren, wenn dies in der Vereinbarung mit dem Jugendamt so geregelt ist.

Auch § 62 SGBVIII ist für den freien Träger entsprechend anwendbar - aber eben nur entsprechend, also unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten. Dies bedeutet, dass er keinen Ermittlungsdienst (ASD) unterhält. Selbst wenn man eine Ermittlungsbefugnis annähme, würde ihm kaum ein Dritter Daten auch übermitteln. Zur Klarstellung empfiehlt sich eine Regelung in der Sicherstellungsvereinbarung.

Beispiel: "Der freie Träger ist nicht verpflichtet, bei Dritten ohne Einwilligung des Betroffenen Informationen einzuholen."

c. Eine Datenübermittlung ist nach § 35 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X zulässig, wenn damit die Aufgabe nach § 8a SGB VIII erfüllt wird. Die Erfüllung der in den Vereinbarungen nach § 8a Abs. 4 SGB VIII geregelten Pflichten, das Jugendamt zu informieren, ist daher datenschutzrechtlich zulässig. Da die Datenschutzregelungen auf den freien Träger lediglich entsprechend anzuwenden sind, ist die Erfüllung der vertraglichen Pflichten der gesetzlichen Aufgabenerfüllung gleichzustellen.

Beispiel: Die Einrichtung informiert das Jugendamt darüber, dass die Eltern eine angebotene Hilfe nicht annehmen.

Ebenso ist es zulässig, der hinzuzuziehenden erfahrenen Fachkraft Daten zu übermitteln. Diese müssen aber pseudonymisiert (erfundener Name) oder anonymisiert (ohne Namen) sein, allerdings nur dann, wenn die Aufgabenerfüllung dies zulässt (§ 64 Abs. 2a SGB VIII).

Beispiel: Keine Anonymisierung ist notwendig, wenn die von der Einrichtung hinzugezogene Fachkraft in der Psychologischen Beratungsstelle des Jugendamtes den Fall bereits kennt. Ebenso wenig ist eine Anonymisierung notwendig, wenn die Anonymisierung zuviel Zeit kostet und der Fall keinen zeitlichen Aufschub duldet.

Ist die hinzuzuziehende erfahrene Fachkraft in derselben Einrichtung tätig, handelt es sich nicht um eine Datenübermittlung, sondern um eine Datennutzung, die nach § 64 Abs. 1 SGB VIII oder nach § 67c Abs. 2 SGB X zulässig ist.

d. Mit der Zulässigkeit der Datenübermittlung ist aber die datenschutzrechtliche Prüfung noch nicht abgeschlossen. Die Zulässigkeit der Übermittlung nach § 69 SGB X steht unter dem Vorbehalt, dass die Übermittlung nicht eine Leistungsbeziehung "kaputt macht" (§ 64 Abs. 2 SGB VIII).

Beispiel: Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass Eltern die weitere Zusammenarbeit mit dem freien Träger aufkündigen, wenn eine Fachkraft des Jugendamts hinzugezogen wird.

e. Hinzu kommt ein weiterer Vorbehalt für die Datenübermittlung. Die Übermittlung ist nur zulässig, wenn sie auch eine zulässige Weitergabe nach § 65 SGB VIII ist. Diese Datenweitergabe ist nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich.

§ 65 SGB VIII ist dann anwendbar, wenn Daten zum Zweck der persönlichen oder erzieherischen Hilfe anvertraut worden sind. Anvertraut wurde ein Datum nur dann, wenn es im Vertrauen auf die persönliche Verschwiegenheit des Mitarbeiters preisgegeben wurde. § 65 SGB VIII ist also nicht anwendbar, wenn lediglich bekannt gewordene Anhaltspunkte weitergegeben werden. Teilt ein Dritter die Beobachtung einer Kindesmisshandlung mit, handelt es sich nicht um ein Datum, das im Rahmen persönlicher Hilfe anvertraut worden ist. Die Vertrauensperson kann ein Mitarbeiter eines öffentlichen oder (bei Sicherstellungsvereinbarung oder -erklärung) eines freien Trägers sein.

Beispiel: Ein Nachbar ruft beim Jugendamt an, in der Familie eines Hausbewohners werde ein Kind misshandelt. Die Mitteilung der Kindesmisshandlung ist kein von den Eltern anvertrautes Datum. Ebenso wenig ist die Tatsache der Mitteilung ein Datum i.S.d. § 65 SGB VIII, weil die Mitteilung nicht im Rahmen einer persönlichen oder erzieherischen Hilfe erfolgt ist. Erstattet die beschuldigte Familie Anzeige gegen Unbekannt wegen Verleumdung, darf das Jugendamt aber Name und Adresse des Nachbarn nicht nach § 68 SGB X der Polizei oder Staatsanwaltschaft mitteilen, weil damit zugleich mitgeteilt würde, dass der Nachbar eine Kindesmisshandlung mitgeteilt hat, also ein Datum, das nicht im Übermittlungskatalog des § 68 Abs. 1 aufgeführt ist. Besteht auch kein Grund zur Annahme, dass der Nachbar ein Denunziant ist, würden durch die Übermittlung auch seine schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt (§ 68 Abs. 1 S. 1 SGB X).

Sind Daten besonders anvertraut worden, dürfen sie nur mit der Einwilligung des Betroffenen weitergegeben werden (Nr. 1); diese kann auch stillschweigend erfolgen, z.B. dadurch, dass der Klient zu Beginn eines Beratungsgesprächs über das Verfahren informiert wird, den Fall im Team oder mit Supervision zu besprechen. Da die Einwilligung keine rechtsgeschäftliche Erklärung ist, können auch Minderjährige die Einwilligung abgeben, wenn sie die Tragweite der Einwilligung erkennen können. Auch ohne Einwilligung dürfen Daten an die hinzugezogenen Fachkräfte weitergegeben werden (Nr. 4). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass auch (erst recht) die anvertrauten Daten zu anonymisieren sind, wenn es sich um eine externe Fachkraft handelt (§ 64 Abs. 2a SGB VIII). Auch beim Wechsel der Fallzuständigkeit dürfen die anvertrauten Daten weitergegeben werden (Nr. 3). Bei einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Kindes dürfen die Daten im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) ebenfalls weitergegeben werden (Nr. 5). Ein Fall des § 8 a SGB VIII ist immer auch ein Fall des rechtfertigenden Notstands.

Beispiel: Einer Beraterin in einer Beratungsstelle eines freien oder kommunalen Trägers teilt die Mutter eines Mädchens mit, dass der Vater die Tochter sexuell missbraucht. Die Beraterin darf diese Information an den ASD weitergeben.

Auch aus Art.1 § 4 BKiSchG ergibt sich eine Offenbarungsbefugnis.

f. Will ein Mitarbeiter des freien Trägers im Rahmen des § 8a Abs. 2 SGB VIII zur Erfüllung der sich daraus ergebenen vertraglichen Pflichten anvertraute Daten an das Jugendamt weitergeben, erlaubt § 65 SGB VIII seinem Wortlaut nach diese Weitergabe nicht, da er an Mitarbeiter im Jugendamt adressiert ist. Für Mitarbeiter beim freien Träger ist § 65 SGB VIII aber entsprechend anzuwenden (§ 61 Abs. 3 SGB VIII), also unter Berücksichtigung der für den freien Träger geltenden Besonderheiten. Daraus folgt, dass auch der Mitarbeiter des freien Trägers anvertraute Daten dem Jugendamt weitergeben darf, wenn das Jugendamt diese Daten braucht, um seine Pflicht, das Familiengericht anzurufen (§ 8a Abs. 2 SGB VIII), erfüllen zu können. Die bloße Mitteilung, dass die Personensorgeberechtigten eine Hilfe nicht angenommen haben oder dass eine Hilfe nicht ausreichend ist, ist aber ohnehin kein anvertrautes Datum, das die zusätzliche Weitergabebefugnis nach § 65 SGB VIII benötigte.

Beispiel: In der Vereinbarung zwischen Jugendamt und Einrichtung ist die Pflicht der Einrichtung geregelt, das Jugendamt zu verständigen, wenn Eltern eine angebotene Hilfe nicht annehmen. Die Eltern lehnen eine Sozialpädagogische Familienhilfe ab. Die Einrichtung kann und muss diese Information an das Jugendamt weitergeben.

Entsprechend § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII können anvertraute Daten bei einem Wechsel des Kindes von einer Einrichtung in eine andere ("Einrichtungshopping") der neuen Einrichtung mitgeteilt werden.

Beispiel: In einer Kindertageseinrichtung werden Spuren einer Kindesmisshandlung wahrgenommen. Als die Erzieherin darüber mit den Eltern sprechen will, wechseln sie die Einrichtung. Die bisherige Einrichtung kann der neuen Einrichtung die Beobachtungen schon deshalb mitteilen, weil es sich nicht um anvertraute Daten handelt. Selbst wenn sie aber vom Kind der Erzieherin anvertraut worden wären, könnten sie der neuen Einrichtung übermittelt werden. Das "Einrichtungshopping" erhöht noch die Wahrscheinlichkeit einer Kindeswohlgefährdung.

g. Hat ein freier Träger im Rahmen der Sicherstellungsvereinbarung nach § 8a Abs. 4 SGB VIII das Jugendamt davon verständigt, dass Hilfen nicht angenommen wurden oder nicht ausreichend sind, kann (soweit vertraglich vereinbart: muss) das Jugendamt dem freien Träger rückmelden, was es in dem Fall weiter veranlasst hat. Nur dann kann der freie Träger nämlich entscheiden, ob weitere Maßnahmen zur Erfüllung der Garantenpflicht seiner Mitarbeiter erforderlich sind (z.B. Anrufung des Familiengerichts). Die Erfüllung der strafrechtlichen Garantenpflicht durch den Mitarbeiter ist zugleich die Erfüllung der vertraglichen Pflicht der Einrichtung. Bei der Rückmeldung werden keine anvertrauten Daten an die meldende Einrichtung weitergegeben, sondern lediglich das Ergebnis der Bewertung des Gefährdungsrisikos durch das Jugendamt mitgeteilt.

Beispiel: Die Eltern lehnen vom freien Träger angebotene Hilfe ab. Der freie Träger teilt dies dem Jugendamt mit. Das Jugendamt will dennoch nicht das Familiengericht anrufen. Da der Fall weiterhin ein Fall des freien Trägers ist, muss er alles tun, was nach seiner Gefährdungsabschätzung notwendig ist, um das Kind vor Schaden zu bewahren. Daher muss der freie Träger darüber informiert werden, was das Jugendamt tut oder nicht tut. Hält der freie Träger die Anrufung des Familiengerichts für erforderlich, das Jugendamt aber nicht, kann er selbst das Familiengericht anrufen.

h. Eine Pflicht zur Anzeige einer Straftat gibt weder für den öffentlichen noch für den freien Träger. § 138 StGB verpflichtet lediglich dazu, geplante Straftaten, die dort besonders aufgeführt sind (also nicht Kindesmisshandlung oder Kindesmissbrauch) anzuzeigen. Eine Befugnis zur Strafanzeige kann sich aber aus § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ergeben, wenn die Strafanzeige notwendig ist, um eine weitere Gefährdung des Kindes zu verhindern. Aus § 73 SGB X dagegen ergibt sich eine solche Befugnis nicht; dort ist nur geregelt, dass nach Anordnung durch den Richter Daten an das Gericht zur Durchführung eines Strafverfahrens übermittelt werden dürfen. Ebenso wenig ergibt sich eine Anzeigebefugnis aus § 68 SGB X, da dort ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft vorausgesetzt wird und nur der dort benannte Datensatz übermittelt werden darf.

Beispiel: Eine Mitarbeiterin im Jugendamt oder bei einem freien Träger will einen Vater anzeigen, der seine Tochter sexuell missbraucht. Mit der Anzeige beginnt das Ermittlungsverfahren, das im Zusammenhang mit der vorangegangenen Tätigkeit des Jugendamtes oder des freien Trägers steht. Damit ist die mit der Anzeige verbundene Übermittlung der Daten zulässig. Ist von dritter Seite eine Anzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erfolgt und will die Polizei vom Jugendamt oder der Einrichtung in dieser Sache Informationen, besteht keine Auskunftspflicht, soweit nicht eine Übermittlungsbefugnis besteht (§ 35 Abs. 3 SGB I). Eine Übermittlungsbefugnis aber ergäbe sich nur, wenn der Mitarbeiter des Jugendamtes oder des freien Trägers eine Anzeige selbst für sinnvoll hält. Dann hätte er eine Übermittlungsbefugnis nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X und damit auch eine Auskunftspflicht gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft - sonst nicht.

Auch bei anvertrauten Daten ergibt sich eine Befugnis zur Anzeige; sie kann aus § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VIII abgeleitet werden, wenn die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) vorliegen, also die Anzeige ultima ratio ist, um das Kind zu schützen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, welche Auswirkungen eine Anzeige oder das Unterlassen einer Anzeige für das Kind haben kann. Für eine Anzeige kann sprechen, dass der Täter von weiteren Handlungen abgehalten wird, gegen eine Anzeige kann sprechen, dass das familiäre Beziehungssystem irreparabel geschädigt wird. Die für das Vorliegen des rechtfertigenden Notstandes erforderliche "gegenwärtige Gefahr" liegt dann vor, wenn alsbald ein Schaden einzutreten droht. Von vergangenen Misshandlungen kann nicht ohne Weiteres auf weitere Misshandlungen geschlossen werden. Wird eine Person aber regelmäßig unter Alkoholeinfluss gewalttätig, besteht eine Dauergefahr; ebenso ist sexueller Missbrauch ein Delikt, das nicht nur einmalig auftritt.

Dagegen lässt Art.1 § 4 BKiSchG nur eine Mitteilung an das Jugendamt zu.

i. Unter die Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 StGB fallen nur die Personen, die zu den dort genannten Berufsgruppen zählen, also insbesondere Berater in Beratungsstellen (Nr. 4), Psychologen (Nr. 2), Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen (Nr. 5). Nicht dagegen: Erzieherinnen, Heilpädagoginnen, Diplompädagoginnen, es sei denn, in ihrer Funktion als Beraterinnen in einer Beratungsstelle (Nr. 4). Die in § 203 Abs. 1 StGB genannten Personen haben nur dann eine (strafrechtliche) Offenbarungsbefugnis, wenn eine (auch nur stillschweigende) Einwilligung vorliegt oder wenn die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB), die deckungsgleich mit den Voraussetzungen des § 8 a SGB VIII sind, vorliegen. Unter diesen Voraussetzungen dürfen auch sie anvertraute Daten dem Jugendamt mitteilen oder Strafanzeige erstatten. Haben diese Personen (z.B. der Arzt aus Behandlungsvertrag) eine Garantenstellung für das Kind, kann sich daraus eine Anzeigepflicht ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn der Arzt mit den Eltern des Kindes über seine Feststellungen gesprochen hat, ihnen Hilfemöglichkeiten aufgezeigt hat, diese aber ungenutzt bleiben und er sie für diesen Fall darauf hingewiesen hat, das Jugendamt zu verständigen. Wechseln die Eltern den Arzt daraufhin ("Ärztehopping") besteht erst recht die Pflicht, Jugendamt oder Polizei zu verständigen, weil sich dadurch die Gefahr für das Kind noch vergrößert hat.

Das Landeskinderschutzgesetz Rheinland-Pfalz vom 7.3.2008 enthält in § 12 ausdrücklich eine derartige Regelung für die Offenbarungsbefugnis des Arztes. Ebenso § 1 Abs. 5 Landeskinderschutzgesetz Baden-Württemberg vom 03.05.2009. Als Landesrecht können sie nur deklaratorische Regelungen sein, also Regelungen, die das Bundesrecht in § 203 StGB lediglich bestätigen. Art.1 § 4 BKiSchG enthält aber nunmehr eine Offenbarungsbefugnis für die dort genannten "Berufsgeheimnisträger"- allerdings nur gegenüber dem Jugendamt.

Beispiel: Ein Arzt stellt fest, dass ein Kind misshandelt worden ist. Er spricht mit den Eltern darüber und weist auf Hilfen einer Beratungsstelle hin. Die Eltern weisen den Verdacht oder die Hilfen zurück. Der Arzt ist verpflichtet, das Jugendamt zu verständigen.

j. Will die Schule Informationen über eine Kindeswohlgefährdung dem Jugendamt mitteilen, gilt für sie nicht der Sozialdatenschutz, sondern das Landesdatenschutzgesetz. Danach ist eine Übermittlung im öffentlichen Bereich zulässig zur Aufgabenerfüllung der öffentlichen Stelle, also des Jugendamtes. § 85 Abs. 3 Schulgesetz Baden-Württemberg regelt, dass bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung die Schule zunächst mit den Eltern sprechen muss, bei fruchtlosem Bemühen dann aber das Jugendamt verständigen soll. Da auch die Schule das staatliche Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auszufüllen hat, hat der Lehrer eine daraus abgeleitete Garantenstellung, die ihn dazu verpflichtet, alles Notwendige zu tun, um Schaden vom Kind abzuwehren, also auch das Jugendamt zu verständigen. Ebenso kann er das Familiengericht anrufen.

Beispiel: Ein Schüler schwänzt wiederholt die Schule. Ein Gespräch mit den Eltern blieb erfolglos. Der Lehrer kann das Familiengericht anrufen, um ein Gebot des Familienrichters an die Eltern zu erreichen, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen (so § 1666 Abs. 3 BGB, in der Neufassung, die seit 12.7.2008 gilt).

k. Die personenbezogenen Daten müssen wieder gelöscht werden, wenn sie zur Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden (§ 63 SGB VIII). In Fällen des § 8a SGB VIII kann aber fraglich sein, wann dies der Fall ist.

Beispiel: Im Kindergarten werden Anhaltspunkte beobachtet, die auf eine Kindeswohlgefährdung schließen lassen. Die Eltern melden nun das Kind ab. Mit der Abmeldung ist die Aufgabe nach § 8a SGB VIII aber nicht abgeschlossen (vgl. hierzu das Beispiel oben unter f.).

In der Vereinbarung nach § 8a Abs. 4 SGB VIII sollte daher auch eine Regelung darüber getroffen werden, wie lange die Daten noch zu speichern sind. Unabhängig von einer solchen Regelung sollten die Daten so lange gespeichert bleiben, wie sie erforderlich sind, um nachzuweisen, was die Fachkraft in Erfüllung ihrer Garantenpflichten aus § 13 StGB getan hat.

Quellen

Kunkel, LPK - SGB VIII, 5. Aufl. 2014

Kunkel, Jugendhilferecht, 8. Aufl. 2015

Kunkel, Diskussionspapiere Kehl (2010) "Fachkräfte in § 8a SGB VIII"

Vertragsmuster: Vereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages in einer Einrichtung

zwischen dem Jugendamt .........................

- vertreten durch ......................... -

und der Einrichtung ...................

- vertreten durch ...................... -

Gegenstand und Rechtsgrundlage des Vertrages sind die Sicherstellung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII, des Sozialdatenschutzes nach § 61 Abs. 3 SGB VIII und des Beschäftigungsverbotes nach § 72a SGB VIII durch öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 53 SGB X.

§ 1 Gefährdungseinschätzung

Werden der Einrichtung gewichtige Anhaltspunkte (vgl. hierzu Anlage 1) für die Gefährdung des Wohls eines Kindes bekannt, hat sie das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte (vgl. Anlage 2) abzuschätzen. Bei der Gefährdungseinschätzung sind die Erziehungsberechtigten und das Kind einzubeziehen, wenn dadurch nicht dessen Schutz gefährdet wird. Das weitere Verfahren richtet sich nach Anlage 3.

§ 2 Kosten

Zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos entstehende Kosten können zur Hälfte als Fachleistungsstunden mit dem öffentlichen Träger abgerechnet werden. An den Kosten von Fort- oder Weiterbildungsangeboten zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos beteiligt sich der öffentliche Träger zur Hälfte.

§ 3 Anbieten von Hilfen

Die Fachkräfte in der Einrichtung wirken darauf hin, dass der Leistungsberechtigte beim Jugendamt die im Einzelfall jeweils erforderlichen Hilfen, insbesondere nach den §§ 27-35 SGB VIII in Anspruch nimmt. Auf die Voraussetzungen einer Selbstbeschaffung nach § 36a Abs. 3 SGB VIII wird der Leistungsberechtigte hingewiesen, insbesondere auf die Pflicht, das Jugendamt rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen.

§ 4 Information des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe

Nimmt der Leistungsberechtigte eine erforderliche Hilfe nicht an oder ist die angenommene Hilfe nicht ausreichend, die Gefährdung abzuwenden, informiert die Leitung der Einrichtung umgehend schriftlich das Jugendamt hiervon. Dasselbe gilt, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder nicht in der Lage sind, bei der Gefährdungseinschätzung mitzuwirken oder wenn Gefahr im Verzuge besteht.

§ 5 Wahrung der Autonomie des freien Trägers

Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe achtet bei der Umsetzung dieses Vertrages die Selbstständigkeit des Trägers der freien Jugendhilfe in der Durchführung seiner Aufgaben sowie in der Gestaltung seiner Organisationsstruktur (§ 4 Abs. 1 SGB VIII).

§ 6 Sozialdatenschutz

Die Einrichtung verpflichtet sich, die Regelungen über den Sozialdatenschutz (§ 35 SGB I i.V.m. §§ 67-85a SGB X i.V.m. §§ 61-65 SGB VIII) entsprechend anzuwenden. Danach ist eine Erhebung von Daten grundsätzlich bei dem Betroffenen selbst oder mit seiner Einwilligung bei Dritten vorzunehmen. Zu darüber hinausreichenden Datenerhebungen bei Dritten ist die Einrichtung nicht verpflichtet. Nur die zulässig erhobenen Daten dürfen gespeichert werden. Die Übermittlung der Daten an das Jugendamt ist zulässig und notwendig, wenn ohne diese Übermittlung die Kindeswohlgefährdung nicht abgewendet werden kann.

§ 7 Persönliche Eignung der Beschäftigten

Die Einrichtung verpflichtet sich, keine Personen zu beschäftigen, die einschlägig (vgl. Anlage 4) vorbestraft sind. Die Einrichtung lässt sich

  1. von allen derzeit Beschäftigten bis spätestens drei Monate nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung,
  2. von allen Bewerbern im Bewerbungsverfahren,
  3. von allen zur Anstellung ohne Bewerbungsverfahren vorgesehen Personen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses und
  4. von allen Beschäftigten alle fünf Jahre erneut

ein Führungszeugnis nach § 30a Abs. 1 Nr. 2a des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen.

§ 8 Anlagen

Die Anlagen sind Teil des Vertrages.

§ 9 Inkrafttreten, Dauer und Beendigung der Vereinbarung

Diese Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung durch das Jugendamt und den Träger der Einrichtung in Kraft. Sie wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden.

§ 10 Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen

Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen zu dieser Vereinbarung sind nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgen und von beiden Vertragspartnern unterzeichnet sind.

§ 11 Salvatorische Klausel

Die Nichtigkeit einzelner Bestimmungen berührt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht. Die Vertragspartner werden eine nichtige Bestimmung durch eine wirksame ersetzen, die der nichtigen Bestimmung nach Sinn und Zweck am Nächsten kommt.

Für das Jugendamt:

 

..........................

(Datum und Ort)

 

................................................

(Vertretungsberechtigte Person)

Für die Einrichtung:

 

..........................

(Datum und Ort)

 

................................................

(Vertretungsberechtigte Person)

Anlagen zur Sicherstellungsvereinbarung

Anlage 1 (Kindeswohlgefährdung)

Kindeswohlgefährdung i.S.d. § 8a SGB VIII ist das Unterlassen oder Handeln eines Personensorge- oder Erziehungsberechtigten, das mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zu erheblichen und dauerhaften körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes i.S.d. § 1666 BGB führt.

Gewichtige Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung liegen vor, wenn tatsächliche Umstände vorliegen insbesondere für

  • erhebliche Vernachlässigung (z.B. Mängel in Ernährung, Gesundheitsfürsorge, Beaufsichtigung oder Schulfürsorge),
  • wiederholte Misshandlung,
  • sexuellen Missbrauch,
  • Suchtabhängigkeit eines oder beider Elternteile,
  • schwerwiegende Autonomiekonflikte,
  • Erwachsenenkonflikte mit erheblichen Auswirkungen auf das Kind.

Bei der Einschätzung des Gefährdungsrisikos sind Risiko- und Schutzfaktoren zu berücksichtigen, also insbesondere personale Dispositionen des Erziehungsberechtigten (z.B. Erziehungsfähigkeit, Erziehungsfehleinstellungen, Erziehungskenntnisse, Erziehungsverhalten, Stabilität) und solche des Kindes (z.B. Alter, Entwicklungsstand, vorhandene Ressourcen).

Anlage 2 (Fachkraft)

Fachkraft ist jede Person, die aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer Aus-, Fort- oder Weiterbildung in der Lage ist, ein Kind in einer Tageseinrichtung zu erziehen.

Eine zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos hinzuzuziehende Fachkraft ist eine Fachkraft, die zusätzlich besondere Kenntnisse zur Beurteilung einer Kindeswohlgefährdung hat. Insbesondere sind dies Sozialarbeiter/ Sozialpädagogen, Diplompädagogen, Heilpädagogen, Psychologen, Pädiater, Psychotherapeuten, Psychiater. Erforderlichenfalls muss sie eine weitere Fachkraft hinzuziehen (z.B. zur Beurteilung medizinischer Fragen oder zur Beurteilung der schulischen Entwicklung eines Kindes).

Als hinzuzuziehende Fachkraft kommt in erster Linie eine in der Einrichtung beschäftigte Fachkraft in Betracht. Sofern dort keine Fachkraft in der Lage ist, das Gefährdungsrisiko einzuschätzen, sollte die Einrichtung eine solche Fachkraft beim Träger der freien Jugendhilfe, dem die Einrichtung angeschlossen ist, anfordern. Ist auch dies nicht möglich, kann auf eine vom Jugendamt zu stellende Fachkraft zurückgegriffen werden.

Erfahren ist die hinzuzuziehende Fachkraft, wenn sie mindestens 1 Jahr mit Kindern oder Jugendlichen gearbeitet hat.

Anlage 3 (Verfahren)

Erster Schritt: Ein Verfahren nach § 8a SGB VIII wird nur dann ausgelöst, wenn in der Einrichtung tatsächliche Umstände bekannt geworden sind, die auf eine Kindeswohlgefährdung (vgl. Anlage 1) schließen lassen. Zunächst müssen diese tatsächlichen Umstände geklärt sein.

Zweiter Schritt: Nach Bekanntwerden solcher Umstände nimmt die Fachkraft zusammen mit einer weiteren insoweit erfahrenen Fachkraft (vgl. Anlage 2) eine Risikoeinschätzung (vgl. Anlage 1) vor. Dabei sind der Erziehungsberechtigte sowie das Kind bzw. der Jugendliche einzubeziehen. Die Einbeziehung des Erziehungsberechtigten unterbleibt, wenn die Einbeziehung den Schutz des Kindes bzw. des Jugendlichen gefährdet (z.B. bei Misshandlung oder sexuellem Missbrauch).

Dritter Schritt: Wirken Erziehungsberechtigte bei der Gefährdungseinschätzung nicht mit, ist das Jugendamt zu verständigen.

Vierter Schritt: Hält die Fachkraft in der Einrichtung Hilfen nach dem SGB VIII oder andere Hilfen (z.B. bei Suchtabhängigkeit) für geeignet, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden, weist sie die Leistungsberechtigten auf diese Hilfen hin und wirkt darauf hin, dass sich die Leistungsberechtigten beim Jugendamt über diese Hilfen beraten lassen und sie nach Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts in Anspruch nehmen.

Fünfter Schritt: Lässt der Leistungsberechtigte erkennen, dass er eine solche Hilfe nicht in Anspruch nehmen will oder erweisen sich die in Anspruch genommenen Hilfen als nicht ausreichend, um die Kindeswohlgefährdung abzuwenden, weist die Fachkraft den Erziehungsberechtigten darauf hin, dass sie das Jugendamt hiervon informieren wird.

Sechster Schritt: Der Träger der Einrichtung informiert das Jugendamt über die Gefährdungseinschätzung und seine bisherige Vorgehensweise, wenn

  1. ihm geeignete Hilfen nicht bekannt sind,
  2. die von ihm benannten Hilfen von den Leistungsberechtigten abgelehnt werden,
  3. die abgesprochenen Hilfen nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang in Anspruch genommen werden oder
  4. er sich nicht Gewissheit darüber verschaffen kann, ob durch die von ihm benannten Hilfen der Kindeswohlgefährdung begegnet werden kann.
  5. Gefahr im Verzug besteht.

Siebter Schritt: Nach Information des Jugendamtes erfolgt dort die Einschätzung des Gefährdungsrisikos nach § 8a Abs. 1 SGB VIII. Das Jugendamt informiert den Träger der Einrichtung über sein Ergebnis der Gefährdungseinschätzung und die von ihm veranlassten Maßnahmen. Verbleibt das Kind weiterhin in der Einrichtung und ergibt die Gefährdungseinschätzung, dass zum Wohl des Kindes ein weiteres Zusammenarbeiten erforderlich ist, wird dieses im Einzelfall abgesprochen.

Alle Schritte: Das gesamte Verfahren ist zu dokumentieren.

Anlage 4 (Persönliche Eignung)

Erklärung zur persönlichen Eignung i.S.v. § 72a SGB VIII

Angaben zur erklärenden Person:

Vorname und Name: …………………………………………………………

Geburtsdatum: ……………………………………

Ich versichere,

1. dass ich nicht wegen einer in der anhängenden Liste (Anlage 5) bezeichneten Straftat rechtskräftig verurteilt worden bin und

2. dass derzeit weder ein gerichtliches Verfahren noch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen mich wegen einer solchen Straftat läuft bzw. anhängig ist.

Ort, Datum: ………………………

Unterschrift der erklärenden Person: …………………………………

Anlage 5 (Liste der in § 72a SGB VIII genannten Straftaten)

§ 171 StGB: Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht

§ 174 StGB: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

§ 174a StGB: Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen

§ 174b StGB: Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung

§ 174c StGB: Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses

§ 176 StGB: Sexueller Missbrauch von Kindern

§ 176a StGB: Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern

§ 176b StGB: Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge

§ 177 StGB: Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung

§ 178 StGB: Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge

§ 179 StGB: Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen

§ 180 StGB: Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger

§ 180a StGB: Ausbeutung von Prostituierten

§ 181a StGB: Zuhälterei

§ 182 StGB: Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

§ 183 StGB: Exhibitionistische Handlungen

§ 183a StGB: Erregung öffentlichen Ärgernisses

§ 184 StGB: Verbreitung pornographischer Schriften

§§ 184a bis c StGB: Verbreitung pornographischer Schriften

§ 184d StGB: Zugänglichmachen pornographischer Inhalte

§ 184e StGB: Verbreitung und Besuch pornographischer Darbietungen

§ 184f StGB: Ausübung der verbotenen Prostitution

§ 184g StGB: Jugendgefährdende Prostitution

§ 225 StGB: Misshandlung von Schutzbefohlenen

§§ 232 bis 233a StGB: Menschenhandel

§ 234 StGB: Menschenraub

§§ 235, 236 StGB: Entziehung Minderjähriger, Kinderhandel

(Stand: 1.4.2015)

Anlage 6 (Erläuterungen zur Sicherstellungsvereinbarung)

1. Die Vereinbarung muss mit der einzelnen Einrichtung (nicht mit dem Träger der freien Jugendhilfe) abgeschlossen werden. Voraussetzung ist die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der handelnden Personen.

2. Die Vereinbarung kann entweder als selbstständige Vereinbarung abgeschlossen werden oder eingebettet sein in die Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung nach § 78b SGB VIII. Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 78a SGB VIII kann die Einbettung in eine nach § 77 SGB VIII zu schließende Vereinbarung erfolgen.

3. Wird eine Einrichtung von mehreren Jugendämtern belegt, schließt das Jugendamt die Vereinbarung, in dessen Bereich die Einrichtung liegt.

4. Eine Vereinbarung kann genereller Art sein oder bereichsspezifisch. Letzteres empfiehlt sich wegen der unterschiedlichen Einschätzung des Gefährdungsrisikos je nach der Art der in der Einrichtung oder mit dem Dienst zu leistenden Hilfe. Bereichsspezifische Vereinbarungen könnten abgeschlossen werden mit Tageseinrichtungen und Diensten der Kindertagespflege, Einrichtungen der Jugendarbeit sowie Einrichtungen und Diensten, die Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe leisten.

Anlage 7 (Selbstverpflichtungserklärung)

Hinweis

Veröffentlicht am 05.04.2015