Mitwirkung der Jugendhilfe im Strafverfahren - Jugendgerichtshilfe

Thomas Trenczek

Über die Mitwirkung der Jugendhilfe im Strafverfahren wird seit alters her gestritten, prallen hier doch juristische und sozialpädagogische, strafrechtliche und jugendhilferechtliche Sichtweisen aufeinander. Kein anderes Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit ist mit derart widersprüchlichen Erwartungen konfrontiert wie das der Jugendgerichtshilfe (JGH). Einerseits soll sie junge Menschen und ihre Familien unterstützen, andererseits ist sie eingebunden in ein strafendes (Kriminal-) System. Der aus der Aufgabenvielfalt allenthalben beklagte Rollenkonflikt wird allerdings - wenn er über das der Sozialarbeit innewohnende Maß hinaus überhaupt besteht - weit überbewertet. Sozialarbeiter geraten stets in ein Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen und haben, sofern sie im gesellschaftlichen Auftrag und öffentlichen Dienst stehen, immer ein doppeltes Mandat. Damit unterscheiden sich die Mitarbeiter der JGH nicht von ihren Kollegen des Jugendamtes oder andere Soziale Dienste. Der vorliegende Beitrag skizziert zunächst im ersten Abschnitt die widersprüchlichen Erwartungen und die sich daran anknüpfende Kritik an der JGH und stellt in einem zweiten Teil die spätestens seit Einführung des SGB VIII Geltung beanspruchende Konzeption der JGH als Aufgabe der Jugendhilfe gegenüber. Abschließend wird der in der bundesweiten JGH-Befragung festgestellte status quo kurz zusammengefasst.

1. Traditionelle Aufgabenzuschreibungen

Seit Beginn der Jugendgerichtsbewegung wurde gefordert, dem Gericht eine nichtjuristische Institution "zur Seite zu stellen", um den besonderen Erfordernissen eines täterorientierten Jugendstrafrechts gerecht zu werden (zu den Anfängen der Jugendgerichtshilfe vgl. Müller/ Trenczek 2001, 857 f.). Erstmals wurde die Jugendgerichtshilfe im RJWG (1922) und RJGG (1923; vgl. Nachdruck in DVJJ-Journal 1992, 188) verankert. Nach § 42 RJGG hatten "die Jugendämter die Tätigkeit, die ihnen dieses Gesetz zuweist (Jugendgerichtshilfe), im Benehmen mit den Vereinigungen auszuüben, die sich mit der Jugendfürsorge beschäftigten." Die wesentliche Aufgabe der JGH sah man darin, die zentrale Figur des Jugendstrafverfahrens, den Jugendrichter, zu unterstützen, gleichsam als seine "rechte Hand" (vgl. Duensing [1909] 1992, 170). Damals stellte sich offenbar unter dem Konflikt, "Diener zweier Herren" zu sein, nur die Frage, ob die Jugendämter mehr den Richter oder den Staatsanwalt unterstützen sollten. Neben den Ermittlungen und der Beteiligung im Gerichtsverfahren sollte die JGH nach Verhängung der Sanktion auch "fürsorgerische" Aufgaben übernehmen, wobei die sog. Schutzaufsicht das Haupterziehungsmittel der Jugendgerichtshilfe wurde.

An der betont auf den Jugendrichter zugeschnittenen Funktion hat sich aus jugendstrafrechtlicher Sicht auch später zunächst nicht viel verändert. Das betrifft nicht nur die Zeit der Nazidiktatur, in der die JGH gleichwie die Hitlerjugend in den Dienst der NS-Ideologie gestellt wurde, um im Strafverfahren die "Volkszugehörigkeit des Beschuldigten, seine Lebens- und Sippenverhältnisse, seine Lebensgeschichte, seine Haltung in der Volks- und Jugendgemeinschaft" zu erkunden (vgl. §§ 25, 28 Abs. 1 RJGG 1943). Auch nach dem Krieg verzichtete das Jugendwohlfahrtsrecht mit einem generellen Verweis auf die Vorschriften des JGG (§ 4 Abs. 4 JWG) auf eine eigenständige Bestimmung von Aufgaben und Funktion der Jugendhilfe im Strafverfahren. Seit dem JGG von 1953 sollte die Jugendgerichtshilfe im Jugendstrafverfahren die "erzieherischen" und "fürsorgerischen" Gesichtspunkte zur Geltung bringen und dabei besondere in § 38 JGG normierte Aufgaben erfüllen: Die Persönlichkeitserforschung und deren Zusammenfassung in einem Ermittlungsbericht als Entscheidungsgrundlage für die vom Gericht zu treffende Maßnahme sowie die Überwachung angeordneter Weisungen und Auflagen. "Der schriftliche Ermittlungsbericht der Jugendgerichtshilfe ist Grundlage und Ergebnis der gesamten Tätigkeit in jedem Stadium des Verfahrens" (Momberg 1982, 11). Die Mitarbeiter der JGH werden angemahnt, "streng objektiv" zu berichten (LG Bonn NStZ 1986, 40; Brunner 1991, § 38 Rz 12; Brunner/ Dölling 1996 § 38, Rz 12). Denn die JGH werde vor allem als "Ermittlungshilfe für das Jugendgericht tätig" und erst "daneben" seien ihr sozialarbeiterische Funktionen anvertraut (vgl. Seidel 1992, 1). Die besondere Betonung der strafverfahrensbezogenen Ermittlungs- und Berichterstattertätigkeit der JGH verdichtet sich schließlich in der ihr zugewiesenen Rolle als "Prozesshilfe- bzw. Prozesshilfsorgan eigener Art". Zentrale Aufgabe der JGH schien weiterhin die Gerichtshilfe, für die sozialarbeiterische Betreuung des Jugendlichen schien überwiegend eine andere, von der JGH gesonderte Jugendhilfe zuständig zu sein.

Die im Hinblick auf einerseits jugendhilfeorientierte, andererseits jugendstrafrechtliche Zielvorstellungen widersprüchlich erscheinende Aufgabenstellung führte nahezu zwangsläufig zu Konflikten im Aufgaben- und Selbstverständnis der JGH, deren praktische Auswirkungen schon in der Zeit vor Einführung des KJHG kritisiert wurden. In Anbetracht der Unmöglichkeit, den widersprüchlichen Erwartungen gleichermaßen gerecht zu werden, hatte sich auch die JGH in weiten Teilen pragmatisch eingerichtet und sich auf die Vorlage von JGH-Berichten, die Äußerung von Sanktionsvorschlägen und die Wahrnehmung von Gerichtsterminen konzentriert. Weitere Aktivitäten der JGH mit und für den Jugendlichen im Umfeld des Strafverfahrens hatten in der Praxis bislang kaum oder nur geringes Gewicht. Bereits 1972 stellte der Dritte Jugendbericht der Bundesregierung fest, dass die JGH sich in der Praxis weitgehend auf die Ermittlungen und auf die Vertretung im Gerichtsverfahren beschränke und die jugendhilfeorientierten Aufgaben häufig zu kurz kämen (vgl. BMJFG BT-Drs. VI/3170, 66). Demgegenüber wurde aus anderer, strafrechtlicher Perspektive die fehlende oder aus Sicht der Justiz unzureichende Berichterstattung sowie beklagt, dass die JGH es oftmals an einem begründeten Sanktionsvorschlag vermissen lasse (vgl. Momberg 1982, 151f u. 292; Seidel 1988, 218). Auch die insbesondere zu Beginn und Mitte der 80er Jahre veröffentlichten Ergebnisse der empirischen Sanktionsforschungen lassen die JGH in einem sehr ungünstigen Licht erscheinen. So legen die Veröffentlichungen nahe, dass die Beteiligung der JGH zu einer höheren Verurteilungsquote jugendlicher Beschuldigter führe und die JGH tendenziell einen kriminalisierenden Einfluss ausübe (vgl. z.B. Heinz/ Hügel 1987, 94; Hermann/ Kerner 1985, 187; Hügel 1988, 308 ff.). Auch wenn die Befunde der bisherigen Forschung auf Probleme und Defizite in der Arbeit der JGH hinweisen (mögen), wird bei deren Interpretation zu wenig berücksichtigt, dass sich diese Untersuchungen nahezu ausschließlich auf den engen Teilbereich justiznaher und teilweise behördlich-routinemäßiger Aufgabenwahrnehmung beschränkten und die zugrunde gelegten Erfolgsdefinitionen vorrangig aus dem Verfahrensinteresse der Strafjustiz entwickelt wurden. Die sozialpädagogische Aufgabenstellung der JGH wurde weder inhaltlich noch methodisch angemessen in den Blick genommen und konnte die seit Mitte der 80er Jahre gerade in diesem Bereich einsetzenden Entwicklungen nicht berücksichtigen. So gaben in einer Ende der 80er Jahre vom Bundesjugendministerium (BMJFFG) in Auftrag gegebenen Studie zum Perspektivenwechsel der sozialen Arbeit drei Viertel der befragten Jugendämter wesentliche Veränderungen innerhalb der letzten fünf Jahre an, wobei die JGH von allen Aufgabenbereichen der Jugendhilfe am stärksten vom Wandlungsprozess gekennzeichnet gewesen sei (Kreft/ Lukas u.a. 1990; Lukas 1991, 300 ff.). Allerdings basierten diese Ergebnisse auf den Angaben der Jugendamtsleitungen, ohne dass die jeweiligen Fachkräfte selbst unmittelbar eine Einschätzung der Situation abgeben konnten. So konnte nicht überprüft werden, ob der propagierte Perspektivenwandel in der Jugendhilfe von den Mitarbeitern der Jugendämter rezipiert und akzeptiert oder gar auch umgesetzt wurde. Erst die Ende der 90er Jahre begonnene bundesweite JH-Befragung hat hier ein wenig Licht in die Praxis der JGH gebracht (s.u. 3.).

2. JGH als Aufgabe der Jugendhilfe

War das Verständnis der Jugendgerichtshilfe (JGH) aus der Sicht der Jugendgerichtsbarkeit traditionell von einer justiznahen Aufgabenwahrnehmung geprägt (Müller/ Otto 1996: "Sozialarbeit im Souterrain der Justiz"), haben sich Rolle und Selbstverständnis der Jugendhilfe mittlerweile grundlegend gewandelt. Mit der Besinnung auf die inhaltlichen Ziele und methodischen Vorgehensweisen einer sozialpädagogisch orientierten Jugendhilfe und durch die Rezeption der sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse über die (weitgehende) Bedeutung(slosigkeit) von Straffälligkeit in der Lebensentwicklung gerade auch "mehrfach auffälliger" junger Menschen hatte sich bis Anfang der 90er Jahre eine Konzeption von Jugend(gerichts)hilfe herausgeschält, nach der eine ausschließlich an Abweichung orientierte Interventionsstrategie aufgegeben wurde zugunsten einer entdramatisierenden "Normalitätsperspektive" (Thiem-Schräder 1989) und den daraus folgenden sozialpädagogischen Handlungsansätzen. Das gewandelte Verständnis von Jugend(gerichts)hilfe spiegelt sich auch in den rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns wider.

2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Von besonderer Bedeutung ist, dass die für das Tätigwerden der Jugendhilfe grundlegenden Rechtsnormen mit dem seit dem 01.01.1991 für das gesamte Gebiet des geeinten Deutschlands geltenden Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) neu formuliert wurden. Hierin spiegelt sich eine neue Identität der Jugendhilfe wider. Das SGB VIII schrieb nicht den Status quo der Jugendhilfe fest, sondern setzte (neue) fachliche Standards. Dies betraf vor allem auch das Aufgabenverständnis der Jugendhilfe im Rahmen ihrer Mitwirkung im jugendgerichtlichen Verfahren. Durch die Neuregelung des Kinder- und Jugendhilferechts sollte die Einbindung der gerichtsbezogenen Aufgaben in den Verantwortungsbereich des Jugendamt stärker betont werden (1). Das SGB VIII vermeidet bewusst den eine besondere Institution nahelegenden, Begriff "Jugendgerichtshilfe" und spricht statt dessen umfassend von der "Mitwirkung der Jugendhilfe im Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz". Schon durch die Wortwahl stellt das Gesetz klar, dass Strafverfolgung und -verfahren als solche nicht in den Verantwortungsbereich der Jugendhilfe fallen und die "Mitwirkung" der Jugendhilfe lediglich eine Aufgabe darstellt, die ebenso wie die Mitwirkung im familien- und vormundschaftsgerichtlichen Verfahren oder die "anderen" Aufgaben in das Tätigkeitsfeld der Jugendhilfe insgesamt eingebunden ist. Das SGB VIII stellt nun deutlicher als bisher klar: Jugend(gerichts)hilfe (JGH) ist Teil der Jugendhilfe. Sie hat keine von den sonstigen Abteilungen der Jugendhilfe losgelösten Aufgaben oder Befugnisse, vielmehr muss sie im Rahmen eines Strafverfahrens die durch das SGB VIII definierten fachlichen Aspekte der Jugendhilfe zur Geltung bringen. Nach §§ 2 Abs. 3 Ziff. 8, 52 SGB VIII i.V.m. § 38 Abs. 2 JGG wirken die Jugendämter im jugendgerichtlichen Verfahren mit, indem sie im Strafverfahren "die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen", d.h. - in der sozialpädagogisch-jugendhilferechtlichen Terminologie des Kinder- und Jugendhilferechts - die das Wohl des jungen Menschen fördernden, unterstützenden und Benachteiligungen abbauenden Gesichtspunkte zur Geltung bringen. § 38 Abs. 2 JGG, auf den auch § 52 Abs. 1 S. 1 SGB VIII zur näheren Ausgestaltung der Mitwirkung verweist, konkretisiert lediglich die der Jugendhilfe zu diesem Zweck neben dem leistungsbezogenen Auftrag obliegenden strafverfahrensbezogenen Aufgaben (Zweckbindung der Jugendhilfe). An erster Stelle stehen somit die sozialpädagogischen Betreuungsaufgaben der Jugendhilfe ungeachtet oder gerade aufgrund eines laufenden Strafverfahrens (§ 52 Abs. 3 SGB VIII). So hat das Jugendamt insbesondere frühzeitig zu prüfen, ob und wenn ja, welche Leistungen für den straffälligen Jugendlichen oder jungen Volljährigen (2) in Betracht kommen (§ 52 Abs. 2 SGB VIII). Damit obliegt es den Mitarbeitern der JGH, zur Unterstützung eines jungen Menschen im Fall seiner Straffälligkeit bzw. eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens ggf. das ganze Leistungsprogramm der Jugendhilfe "abzurufen" (hierzu vgl. BAG NAM 1992 u. 2000; Drewniak 1996; Trenczek 1996 u. 2000.) Diese Leistungen sind unabhängig von der Durchführung und dem Ausgang des Strafverfahrens zu erbringen, sofern die materiellen Leistungsvoraussetzungen und geeigneten Hilfen vorliegen. Die Jugendhilfe bietet ihre Leistungen nicht an, weil ein Jugendlicher oder junger Volljähriger eine Straftat begangen hat, sondern weil er (insbesondere auch im Strafverfahren) der Hilfe bedarf. Leistungsauslösendes Moment ist ein entsprechender, u.U. in der Begehung der Straftat sichtbar gewordenen "erzieherischen Bedarf" (zu den Leistungsvoraussetzungen des § 27 SGB VIII, vgl. Trenczek 2000, 27 ff.; ders. Ambulante Sozialpädagogische Betreuung von jungen Straffälligen, http://www.SGBVIII.de/S108.html; Münder u.a. § 27, § 52) Straffälligkeit ist weder ein hinreichendes noch ein besonders geeignetes Kriterium für die Diagnose eines Hilfebedarfs. Sie muss fachlich davon überzeugt sein (und überzeugend begründen), dass angeregte Hilfen zur Erziehung erforderlich und angemessen sind. Besteht kein erkennbarer sozialpädagogischer Handlungsbedarf (insb. kein "erzieherischer" Bedarf nach § 27 SGB VIII bzw. kein erhöhter Bedarf an Unterstützungsleistungen i.S.d. § 13 SGB VIII) oder verspricht die Hilfe offensichtlich keinen Erfolg (z.B. u.U. aufgrund parallel angeordneter freiheitsentziehender Sanktionen, sog. "Sanktionscocktails", oder weil der Jugendliche eine Teilnahme ernsthaft und endgültig ablehnt), liegen also die Leistungsvoraussetzungen der erzieherischen Hilfen nicht vor, dürfen auch im Strafverfahren durch die JGH keine Angebote der Jugendhilfe vorschlagen oder durchgeführt werden (sozialrechtlicher Leistungsvorbehalt § 31 SGB-I). Freilich ist es Sache der Justiz zu beurteilen, ob sich die aus der Sicht der JGH geeigneten und notwendigen Jugendhilfeleistungen dazu eignen, das Strafverfahren auszusetzen, informell oder durch ein Urteil zu beenden. Das Gericht kann zwar einen Jugendlichen zu einer im JGG normierten Sanktion verurteilen. Das jugendgerichtliche Urteil legitimiert damit aber nur den Eingriff in das Freiheitsrecht des Jugendlichen sowie das Recht der Sorgeberechtigten und ersetzt damit entsprechend der familiengerichtlichen Entscheidung nach §§ 1666, 1666a BGB das Einverständnis der Eltern, nicht aber die fachliche Entscheidung des Jugendamtes als Sozialleistungsbehörde im Hinblick auf die Gewährung von Sozialleistungen. Sog. ambulante "Maßnahmen" der Jugendhilfe können deshalb wie andere Leistungen der Jugendhilfe auch letztlich nur im Einvernehmen mit der Jugend(gerichts)hilfe durchgeführt werden (vgl. Trenczek 2000, 105ff.).

Die Mitwirkung der Jugendhilfe steht unter dem Primat sozialpädagogischer, jugendrechtlich geschützter Handlungsstandards: "Der Systemzweck der Jugendhilfe, nämlich die Verwirklichung des Wohles des jungen Menschen, kann dem Systemzweck der Jugendstrafjustiz, nämlich die Sanktionierung der Straftat durch Strafe und Erziehung, nicht untergeordnet werden, ohne seine Substanz zu verlieren" (Maas 1996, 226). Das Recht des Sozialgesetzbuches und damit auch das Jugendhilferecht soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherung und dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 SGB-I). Die Jugendhilfe erfüllt deshalb ihre Leistungen und anderen Aufgaben zugunsten junger Menschen und ihrer Familien (§ 2 Abs.1 SGB VIII). Sie muss sich im Interesse des jungen Menschen und seiner Familie einmischen. Die öffentliche Jugendhilfe ist als Sozialleistungsträger nach § 17 SGB-I verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und schnell erhält und die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Mag diese besondere Funktion der Jugendhilfe als eines Sozialanwalts früher von Teilen der Literatur und Praxis heftig abgelehnt oder befürchtet worden sein, das Jugendhilferecht als Teil des Sozialleistungsrechts lässt an diesem spezifischen Handlungsauftrag und der besonderen gesellschaftlichen Verantwortung der Jugendhilfe keinen Zweifel. Es kann deshalb nicht ausbleiben, dass die Orientierung der Jugend(gerichts)hilfe an den für sie vorrangigen Zielen, Handlungsmaximen und Aufgabenbeschreibungen des Jugendhilferecht im Hinblick auf die Ziele und Regelungen des Jugendstrafrechts zu Spannungen führt, insbesondere wenn die Justiz der alten Sichtweise eines ihr dienstbaren Gerichtshelfers verhaften bleibt.

Die vielfach geläufige Bezeichnung der Jugendgerichtshilfe als "Prozessorgan" oder sogar "Prozesshilfeorgan eigener Art" ist rechtlich inhaltsleer und signalisiert lediglich eine überkommene Positionszuweisung in das "Souterrain der Justiz". Auch im Rahmen ihrer dem Gericht zugute kommenden Tätigkeit ist die Jugendhilfe kein "Hilfsorgan", sondern eine im Strafverfahren mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestaltete Prozessbeteiligte. Die konkrete verfahrensrechtliche Stellung bestimmt sich im einzelnen v.a. nach den Regeln des JGG, ohne dass damit der verbindliche Interpretations- und Handlungsrahmen des SGB VIII verlassen werden dürfte. Nach § 52 Abs. 1 SGB VIII, § 38 Abs. 3 S. 1 u. 2 JGG ist die Jugendhilfe berechtigt, im gesamten Verfahren mitzuwirken. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Konkretisierung dieses frühestmöglichen, sich auf das gesamte Verfahren beziehenden Mitwirkungsrechts sind den Vertretern der Jugendhilfe im Jugendstrafverfahren im einzelnen folgende Beteiligungsrechte eingeräumt:

  • Informationsrechte: Mitteilung von Ort und Zeit der Hauptverhandlung (§ 50 Abs. 3 S. 1 JGG); Recht auf Unterrichtung von der Einleitung und dem Ausgang eines Verfahrens gegen den Jugendlichen (§ 70 S. 1 JGG) bzw. gegen einen Heranwachsenden (§ 109 Abs. 1 S. 2 JGG); insbes. Mitteilung von Erlass und Vollstreckung eines Haftbefehls bzw. der vorläufigen Festnahme (§ 72a S. 1 JGG)
  • Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung (§§ 50 Abs. 3 S. 1, 48 Abs. 2 S. 1 JGG).
  • Anhörungs- und Äußerungsrechte: Recht auf Äußerung in jedem Verfahrensstadium, insbes. im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen (§ 38 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 3 JGG), sowohl im informellen Verfahren, in der Hauptverhandlung (§ 50 Abs. 3 S. 2 JGG) wie auch danach, z.B. vor nachträglichen Entscheidungen über Weisungen und Auflagen (§ 65 Abs. 1 S. 2 JGG) oder vor Vollstreckung des Jugendarrests (§ 87 Abs. 3 S. 4 JGG).
  • Verkehrs- und Kontaktrechte: Kontakt und Verkehr mit dem Verurteilten während des Vollzugs einer Jugendstrafe (§ 38 Abs. 2 S. 9 JGG); Verkehr mit dem in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten (§ 93 Abs. 3 JGG, § 148 StPO). Dieses Umgangsrecht steht dem Mitarbeitern der Jugendhilfe in demselben Umfang wie einem Verteidiger zu, d.h. Gespräche und auch ein entsprechender Briefwechsel dürfen nicht überwacht werden.
  • Antragsrecht zur Beseitigung des Strafmakels bei Minderjährigen (§ 97 Abs. 1 S. 2 JGG)

Darüber hinausgehende Verfahrensrechte hat sie nicht. Das betrifft insbesondere das Recht auf Akteneinsicht, das allgemeine Fragerecht (§ 240 StPO), ein formelles (Beweis)Antragsrecht oder das Recht, selbständig Rechtsmittel einzulegen. Damit unterscheidet sich die JGH von einem Strafverteidiger, allerdings sind diese von ihr mitunter reklamierten Verfahrensrechte auch in Anbetracht informeller Handlungs- und Anregungsmöglichkeiten - mit Ausnahme eines über die Anhörungs- und Äußerungsrechte hinausgehenden Fragerechts zu pädagogisch relevanten Sachverhalten - für eine sozialanwaltliche, auf die Selbsthilfe des jungen Menschen ausgerichteten Jugendhilfe auch nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, dass die Mitarbeiter der JGH die jugendhilfeorientierten Gesichtspunkte in Inhalt und Darstellung offensiv zur Geltung bringen. Viel zu häufig verzichten die Mitarbeiter der Jugendhilfe darauf, das "Wort zu verlangen" und auf sozialpädagogische Gesichtspunkte hinzuweisen oder sich zu jugendhilferelevanten Aspekten zu äußern.

Das Mitwirkungs- und Anwesenheitsrecht der Jugendhilfe korrespondiert - als Ausfluß der in der Strafprozessordnung als einer der wichtigsten Grundsätze normierten richterlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) - mit der Pflicht des Gerichts, die Jugendhilfe so früh wie möglich "heranzuziehen" (§ 38 Abs. 3 S. 1 u. 2 JGG). Der Jugendhilfe sind insbesondere Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen (§ 50 Abs. 3 S. 1 JGG). Erforderlich ist dabei, dass die Mitteilung rechtzeitig, also mit einem angemessenem Vorlauf erfolgt. Aus der gerichtlichen Heranziehungspflicht folgt keine korrespondierende Verpflichtung der Jugendhilfe, am Verfahren teilzunehmen (hierzu ausführlich Trenczek 2002, 352ff). Das Mitwirkungsrecht verdichtet sich selbst dann nicht zu einer Anwesenheitspflicht, wenn das Gericht - den alten Richtlinien zum JGG (RLJGG a.F. Nr. 8 S. 3 zu § 43) entsprechend - darauf hingewiesen hat, dass eine Hauptverhandlung ohne vorherigen Bericht oder ohne Anwesenheit des Jugendgerichtshelfers nicht durchgeführt werden könne. Dieser inzwischen gestrichene Passus in den Richtlinien zum JGG hat(te) - wie die RLJGG insgesamt - nur justizinterne Bedeutung. Auch mittelbar lassen weder JGG noch SGB VIII eine "In-Dienst-Stellung" der Jugendhilfe zu. Die Entscheidung über die Mitwirkung im Strafverfahren, insbesondere eine Teilnahme an einer Hauptverhandlung liegt allein im pflichtgemäßen Ermessen der Jugendhilfe. Dieses Ermessen reduziert sich freilich aus jugendhilferechtlichen Gründen im Sinne einer individuellen Betreuungspflicht nahezu auf Null, wenn der junge Mensch eine Begleitung benötigt und wünscht, da der Mitarbeiter des Jugendamtes ihn während des gesamten Verfahrens betreuen soll (§ 52 Abs. 3 SGB VIII).

Aufgrund der rechtlichen und organisatorischen Unabhängigkeit des Jugendamtes oder freien Jugendhilfeträgers gibt es für das Gericht keine Möglichkeit, die Mitwirkung der Jugendhilfe oder deren Teilnahme an der Hauptverhandlung zu erzwingen. Insbesondere ist es nicht möglich, dem Träger der Jugendhilfe bei Nichtbeachtung eines entsprechenden "Unverzichtbarkeitshinweises" die Kosten einer unterbrochenen oder ausgesetzten Hauptverhandlung aufzuerlegen. Für solche Disziplinierungsversuche fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Auch die (selten angedrohte) Beschlagnahme der Jugendamt-Akten ist grundsätzlich unzulässig, stellt diese doch eine unzulässige Umgehung der im Jugendhilfe- und Sozialbereich gesetzlich normierten Datenschutzvorschriften dar (vgl. Münder u.a. § 52 Rz. 72). Selbst eine Dienstaufsichtsbeschwerde muss ins Leere gehen, da auch die dienstvorgesetzte Jugendamt-Leitung an die jugendhilferechtlichen Kriterien gebunden ist und die fachliche Einschätzung der unmittelbar verantwortlichen Mitarbeiterinnen nicht ohne weiteres übergehen kann.

Freilich muss - auch der betroffene Jugendliche - darauf hingewiesen werden, dass die JGH-Mitarbeiter als Person - wie andere Prozessbeteiligte auch - als Zeugen sowohl über die Ergebnisse ihrer Arbeit als auch über ihnen sonst zu Ohren gekommene tataufklärende Sachen vernommen werden könnten, wenn und solange ihnen kein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden wird und sie von ihrem Dienstherrn eine Aussagegenehmigung (§ 54 StPO i.V.m. § 9 Abs. 1 BAT, §§ 61 BBG, § 39 BRRG) erhalten. Aus gutem Grund verweigern die öffentlichen Träger der Jugendhilfe zurecht die Berechtigung zur Aussage ihrer Mitarbeiter (vgl. VerwG Schleswig-Holstein DVJJ-Journal 1990, 43; Pirani DVJJ-Journal 1993,190). Denn wird bekannt, dass die den Mitarbeitern der Jugendämter anvertrauten Daten letztlich nicht sicher sind und bei entsprechendem Druck seitens der Justiz an diese herausgegeben werden, dann werden die betroffenen Familien, Eltern und junge Menschen sich aus verständlichen Gründen nicht mehr freiwillig an das Jugendamt wenden und um Hilfe nachfragen. Die jahrelangen Bemühungen der Jugendämter, sich von den alten Vorurteilen zu lösen, wären mit einem Male hinfällig, was freilich im Hinblick abzubauender Dienste ein enormes Sparpotential eröffnete.

Problematisch erweist sich der Wortlaut des § 38 Abs. 2 JGG soweit er in Satz 5 u. 7 die Übertragung strafvollstreckungsrechtlicher Überwachungsaufgaben bzw. die justitielle Übertragung von Betreuungsaufgaben regelt und damit zumindest den Anschein erweckt, das Gericht könnte das Jugendamt insoweit anweisen und verpflichten. § 38 Abs. 2 JGG muss allerdings im Hinblick auf die neueren Regelungen des SGB VIII einschränkend ausgelegt werden. Die Übertragung von justiziellen Vollzugsaufgaben ist mit dem von § 52 SGB VIII (Mitwirkung) gezogenen Rahmen nicht zu vereinbaren und griffe systemwidrig in den geschützten Zuständigkeitsbereich der Sozialleistungsträger ein (vgl. BT-Drs. 11/5948, 67 u. 89 [= Anmerkung 1], Münder u.a. 2002 § 52 Rz 66ff; Wiesner 2000 § 30 Rn. 22). Mit der Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass ein "Durchgriff" auf das kommunale Jugendamt nicht zulässig ist. Eine vom Gericht angeordnete Betreuung darf die Jugend(gerichts)hilfe nur dann übernehmen, wenn auch jugendhilferechtlich die Leistungsvoraussetzungen vorliegen (s.o.). Selbstverständlich übt auch die Jugendhilfe soziale Kontrolle aus, zu einer strafvollstreckungsähnlichen Überwachung justiziell angeordneter Maßnahmen ist sie aber nicht befugt (Münder u.a. § 52, 66; Trenczek 2002, 28f.)

2.2 Die (jugendhilferechtliche) Konzeption der Jugendgerichtshilfe

Die Ziele und Handlungsmaximen der JGH unterscheiden sich nicht von den im SGB VIII normierten allgemeinen Zielen und Handlungsmaximen der Jugendhilfe, insoweit gibt es keine Unterschiede zwischen den leistungsbezogenen und "anderen" Aufgaben der Jugendhilfe. Ziel und Auftrag der Jugendhilfe ist und bleibt es auch im Rahmen ihrer Mitwirkung im jugendgerichtlichen Verfahren, die Entwicklung des jungen Menschen zu einer autonom und reflexiv handelnden, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern (§ 1 Abs. 1 SGB VIII, hierzu Trenczek 1996, 68 ff.). Anders als es nach den traditionellen Funktionszuschreibungen üblich war, beschränkt sich die Mitwirkung der Jugendhilfe nicht auf die Phase des strafrechtlichen Erkenntnisverfahrens, vielmehr ist JGH die Gesamtheit der Aktivitäten der Jugendhilfe aus Anlass eines gegen einen jungen Menschen gerichteten Strafverfahrens. Im Hinblick auf ihre sozialanwaltliche Funktion und Aufgabenstellung ist für die Jugendhilfe vorrangig die Betreuung und Hilfe für in Straftaten und Strafverfahren verwickelte Jugendliche und junge Volljährige (d.h. jugendhilferechtlich: noch nicht 27 Jahre alte Personen!).

Ungeachtet der Forderungen nach einer durchgehenden Betreuung hat sich in der Praxis vielfach eine Arbeitsteilung ergeben. Während Aufgaben der "(verfahrens)begleitenden" Jugend(gerichts)hilfe ganz überwiegend von den öffentlichen Trägern wahrgenommen werden, werden Aufgaben der "nachgehenden" Jugend(gerichts)hilfe, insbesondere die Durchführung der sog. Neuen Ambulanten Maßnahmen, sehr häufig entsprechend § 76 Abs. 1 SGB VIII an freie Träger delegiert. Freilich darf dies nicht dazu führen, dass sich die JGH auf die traditionelle Ermittlungs- und Berichterstatterrolle zurückzieht und darauf verzichtet, entsprechend dem gesetzlichen Handlungsauftrag selbst frühzeitig (d.h. unmittelbar nach Kenntnis der durch Straftatbegehung oder polizeilichen Festnahme ausgelösten Krisensituation und insbesondere vor Anklageerhebung) Leistungen der Jugendhilfe zu initiieren, anzubieten und ggf. auch durchzuführen, um dem präventiven Handlungsauftrag der Jugendhilfe gerecht zu werden und gleichzeitig die informelle Erledigung eines Strafverfahrens zu fördern (§ 52 Abs. 2 S. 2 SGB VIII).

Das Spektrum der verfahrensbegleitenden Aufgaben der JGH ist weit gefächert. Es reicht über die Beratung, informelle Betreuung und unmittelbare Unterstützung des jungen Menschen und seiner Eltern einerseits und die "klassischen Tätigkeitsbereiche" (Ullrich 1982, 37) der JGH, die "Erforschung" (in der Terminologie der Jugendhilfe: Erhebung von psychosozialen Daten, Untersuchung von Biographie und Lebenslage) der Persönlichkeit und der sozialen Umwelt des Jugendlichen im Hinblick auf ihre Leistungsaufgaben sowie zur Erarbeitung von Stellungnahmen, sowie die Begleitung des Jugendlichen bei Gerichtsterminen hinaus und beinhaltet insbesondere

  • vielfältige Kriseninterventionen, insbesondere die Organisation und Durchführung von Angeboten zur U-Haft-Vermeidung,
  • die Initiierung und ggf. Durchführung von sozialpädagogischen Hilfen, insbesondere sozialpädagogischer Gruppenarbeit/Trainingskurse und formeller Betreuungen sowie die Initiierung eines Täter-Opfer-Ausgleiches oder der Schadenswiedergutmachung. Die bloße administrative Umsetzung und Kontrolle von gerichtlich auferlegten Arbeitsleistungen ohne jegliche pädagogische Betreuung ist keine Aufgabe der Jugendhilfe (Trenczek 2000, 50).
  • die Durchführung von Haftbesuchen und Maßnahmen der Entlassungsvorbereitung,
  • Aufbau und Unterhaltung eines Netzwerkes mit anderen Trägern, Beratungsstellen sowie den Kooperationspartner aus Polizei, Justiz und Sozialarbeit, die Arbeit in Gremien der Kriminalrechtspflege/ Kriminalpräventionsräte und Jugendhilfe sowie
  • eine verstärke Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit.

Das SGB VIII hat die sozialpädagogische Verantwortung der Jugendhilfe hervorgehoben. Auch wenn die Jugendhilfe ihre Arbeit und Kompetenzen aus Anlass eines Strafverfahrens anbietet, handelt es sich in Inhalt und Struktur stets um eine sozialpädagogisch intendierte Jugendhilfeaufgabe. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erfolgt deshalb nach sozialpädagogischen, jugendhilferechtlich verbrieften Handlungsprinzipien. Die Rezeption der sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse über die (normbezogene) Ubiquität und Episodenhaftigkeit von Straffälligkeit in der Lebensentwicklung junger Menschen zwingt die Jugendhilfe zu einer Aufgabe der an Abweichung orientierten Interventionsstrategien (Defizitkonzept) zugunsten einer betont sozialpädagogischen Integrations- und Normalisierungsarbeit, für die die Straffälligkeit nicht das entscheidende Problem ist, sondern die realen Schwierigkeiten und Bedürfnisse der Jugendlichen.

Freilich übt auch die Jugendhilfe, gesellschaftlich gewollt und notwendig, soziale Kontrolle aus und ist an einer selbstverantwortlichen wie gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit interessiert. Im Hinblick auf junge Menschen mit devianten Verhaltensweisen kann Erfolg (zum Teil) vorsichtig mit der Erweiterung der sozialadäquaten Handlungskompetenzen beschrieben werden, zu der auch die Nichtbegehung sozialschädlicher Handlungen gehört. Allerdings kann aus der Tatsache weiterer Straffälligkeit allein noch nicht von einer Erfolglosigkeit einer ambulanten "Maßnahme" gesprochen werden (v. Bernstorff u.1992, 406f). Soziales Lernen ist ein prozesshaftes Geschehen, zu dem auch Rückschläge notwendig dazugehören. Als Erfolg der Jugendhilfe/JGH kann auch gelten, wenn einer (weiteren) sozialen Desintegration durch freiheitsentziehende strafrechtliche Sanktionen entgegen gewirkt werden kann. Für die Jugendhilfe insgesamt und die Mitarbeiter der JGH im Speziellen ist insoweit ihr Einfluss auf die Veränderung der Sanktionspraxis vor allem durch die Zurückdrängung freiheitsentziehender (und damit zwingend desintegrierender) Sanktionen ein meßbares Ergebnis ihrer Mitwirkung im Strafverfahren, ohne dass davon der am Leitbild des § 1 SGB VIII auszurichtende Erfolg ihrer Arbeit zu messen wäre.

Die JGH-Mitarbeiter wären überfordert, wenn sie im Rahmen einer vermeintlichen Allzuständigkeit versuchen würden, für alle Probleme von (straffälligen) Jugendlichen Hilfen anzubieten. Hier kann es in bewusster Selbstbegrenzung zunächst nur darum gehen, konfliktregelnde und ggf. -lösende Prozesse zu initiieren und zu begleiten. Machbar ist dabei die Organisation einer niedrigschwelligen Anlaufstelle möglichst im sozialen Nahraum der Jugendlichen, im Rahmen der durch unmittelbar annehmbare Hilfen und Leistungen (das beginnt, aber endet nicht schon bei einer Tasse Kaffee oder Tee) ein erstes Gespräch angeboten, eine erste Problemdefinition mit den Jugendlichen geleistet und weitere Schritte im Rahmen der Bewältigung dieser Konflikte vorbereitet werden können (JGH als Clearingstelle). Die JGH muss die Vielfalt, die Möglichkeiten und Grenzen aller Jugend- und Sozialhilfe-Angebote freier und öffentlicher Träger ihres Einzugsbereiches kennen und diese Leistungen vermitteln können.

Die Beratung und Betreuung des jugendlicher Beschuldigter muss sich an der kriminologischen Erkenntnis orientieren, dass jugendtypisches, "abweichendes" Verhalten als solches sozialpädagogische Interventionen noch nicht notwendig machen und solche deshalb auch nicht als "Erziehung" sozialpädagogisch legitimiert werden können. Fachkräfte der Jugendhilfe müssen sich auch bei strafbaren Verhalten von ihrer persönlichen Betroffenheit, einem (un)kriminologischen Vorverständnis und entsprechenden Alltagstheorien lösen (können). Besondere Aktivitäten der JGH im Basisbereich der Diversion (hierzu Trenczek 1991) sind zumeist kontraproduktiv. Die Entdramatisierung jugendtypischer Bagatellkriminalität durch die vom Gesetzgeber gewollte justizinterne Einstellung (§ 45 Abs. 1 JGG) darf deshalb nicht durch Jugendhilfeaktivitäten konterkariert werden, vielmehr muss die Jugendhilfe dazu beitragen, dass gesellschaftliche Überreaktionen zu Lasten der jungen Menschen vermieden werden (vgl. auch Art. 3 UN-KRK). Wird aber aus der Begehung von Straftaten sichtbar, dass Beschuldigte zur Bewältigung einer schwierigen Lebenssituation besondere Hilfen benötigen, sollten sozialpädagogische, für die Jugendlichen attraktive und annehmbare Hilfen als Alternative zu einem formellen Verfahren und repressiven Sanktionen initiiert werden.

Zwar ist die schwierige soziale Lebenssituation von "mehrfach auffälligen" Jugendlichen wohl kaum durch Diversion positiv zu verändern, (der Ausschluss der) Diversion darf aber andererseits nicht zu einer (weiteren) Benachteiligung derjenigen führen, die (immer wieder) Schwierigkeiten haben und deshalb machen. Die JGH wird deshalb mehr als bisher gefordert sein, von sich aus die Voraussetzungen für die informelle Verfahrenserledigung auch bei diesen Jugendlichen zu schaffen, indem sie frühzeitig geeignete Hilfeleistungen anbietet (vgl. § 52 Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Die JGH muss sicherstellen, dass junge Straffällige die ihnen zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und schnell erhalten. Damit obliegt den Mitarbeitern der JGH, für einen jungen Menschen (auch) im Fall seiner Straffälligkeit bzw. eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens ggf. das ganze Leistungsprogramm der Jugendhilfe "abzurufen". Die Jugend(gerichts)hilfe darf sich also nicht nur auf die "Neuen Ambulanten Maßnahmen", die wie der sog. "soziale Trainingskurs" gerade für die Zielgruppe der jungen Straffälligen entwickelt wurden, beschränken. Das SGB VIII enthält keinen Auftrag zur Durchführung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem JGG. Für die, die ihrer Hilfe wirklich bedürfen, insbesondere wenn sie von Ausgrenzung und Haft bedroht sind, muss die JGH zunächst niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote vermitteln oder bereithalten (unmittelbare Krisenintervention und Existenzsicherung, z. B. Dach über dem Kopf, Essen, Dusche ...), die es jungen Menschen ermöglichen, darüber hinausgehende und gemeinsam mit ihnen zu entwickelnde (§§ 8 und 9 SGB VIII) Hilfen im Rahmen eines ganzheitlichen Hilfeangebots (z. B. Schuldenregulierung, Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche, ...) anzunehmen. Diese infrastrukturellen, gebrauchswerthaltigen Hilfeangebote müssen sich an der konkreten Lebenswelt der jungen Menschen und nicht an den Bedürfnissen der Justiz oder den bürokratischen Abläufen der Jugendhilfebehörden orientieren.

Auch wenn sich Rolle und Tätigkeitsschwerpunkte der JGH grundlegend wandeln (müssen), es bleiben wichtige gerichtsverfahrensbezogene Aufgaben im Rahmen ihrer Mitwirkung im jugendgerichtlichen Verfahren. Allerdings ist die JGH weder dazu da, die Entscheidung des Gerichts revisionsfest zu machen, noch ist sie Ermittlungsorgan des Gerichts. Das Gericht kann keine Berichte "anfordern", sondern hat vielmehr die Jugendhilfe zu dem Verfahren "heranzuziehen", d.h. unter Wahrung einer angemessenen Frist zu unterrichten (Eisenberg § 38 Rz 53; Münder u.a. 2002 § 52 Rz 39). Da sich aber die Fachkompetenz der JGH nicht in der Vorbereitung und Mitwirkung in der Hauptverhandlung erschöpft, wird sie sich schon aus Zeit- und Kapazitätsgründen künftig aus der Ermittlungs- und Berichterstatterrolle lösen müssen (Viehmann 1989, 351). Das heißt, dass sie weder in allen Fällen ausführliche Stellungnahmen erstellen noch stets vor Gericht erscheinen wird, weil es für die überwiegende Zahl der jugendlichen Beschuldigten aus jugendpädagogischer und kriminologischer Sicht nur "Normalität" zu berichten gibt und ein formelles Strafverfahren aus "erzieherischen" Gründen gar nicht hätte eingeleitet werden müssen. In welcher Form und in welchem Umfang die Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren stattfindet richtet sich auch im Hinblick auf die Stellungnahme und Berichterstattung nach den Erfordernissen des Einzelfalls. Die zentrale Aufgabe der JGH während einer Hauptverhandlung bleibt die Betreuung und Begleitung der jungen Menschen (vgl. §§ 2 Abs. 1, 52 Abs. 3 SGB VIII).

Will die JGH die "erzieherischen" und sozialen Gesichtspunkte im Verfahren zur Geltung bringen und zu diesem Zweck das Gericht unterstützen, dürfen sich ihre "Berichte" nicht in der Dokumentation sozialer Missstände erschöpfen. Fachlich qualifizierte Stellungnahmen müssen der sozialpädagogisch fundierten Vorbereitung der konkreten Hilfeleistung dienen. Deshalb müssen die Stellungnahmen der JGH unter dem Blickwinkel einer sozialpädagogischen Hilfegewährung erfolgen und die Lebenslage, Entwicklungsstand und -perspektiven des jungen Menschen unter Berücksichtigung seines sozialen Bezugsrahmens beschreiben und erläutern (hierzu Münder u.a § 52 Rz 39ff.; Trenczek 2002, 37ff; ders. 2002b)

Von der JGH wird regelmäßig erwartet sich dazu äußern, welche "Maßnahmen zu ergreifen" sind. Die JGH darf sich bei der Beurteilung der pädagogischen Geeignetheit und Erforderlichkeit einer "erzieherischen" Unterstützungsleistung nicht von antizipierten justitiellen Denkmustern (Art und Schwere der Sanktion, strafrechtliche Vorbelastungen, ...) leiten lassen oder darauf beschränken, den Jugendlichen die Logik justitieller Entscheidungen verständlich zu machen. Es ist nicht Aufgabe der JGH in ihrer Stellungnahme justizielle Sanktionen vorzuschlagen. Sie wird sich im Interesse des jungen Menschen ("Kindeswohl") zu seinen Entwicklungsperspektiven und den Auswirkungen justizieller Sanktionen äußern, schlägt aber grundsätzlich nur solche Interventionen vor, die dem Jugendhilfe- und Erziehungsverständnis des Jugendhilferechts entsprechen (Münder u.a. § 52 Rz 45f; Trenczek 2002, 38f; 2002b). Für die JGH ist dabei allein entscheidend, ob und inwieweit die soziale Integration des jungen Menschen gefördert wird. In diesem Zusammenhang ist auf seiten der JGH die Unsitte zu kritisieren, mit einer vorrangig vergangenheitsorientierte Defizitzuschreibung, insbesondere durch Zuschreibung "schädlicher Neigungen", zur Legitimation repressiver Maßnahmen beizutragen.

3. Status quo und Ausblick

Die (derzeitige) Praxis der Jugend(gerichts)hilfe ist noch zu einem großen, ja wesentlichen Teil von den "klassischen" gerichtsverfahrens-orientierten Aufgaben bestimmt (hierzu ausführlich Trenczek 2002). Bedenklich ist der hohe Anteil (insg. etwa 30%) nicht klientenbezogener oder nicht unmittelbar und vorrangig der Betreuung dienender Tätigkeiten (Erarbeitung von Stellungnahmen, Vermittlung und Kontrolle von Arbeitsleistungen, Akten- und Verwaltungsarbeiten, Fahrwege). Andererseits hat sich das Tätigkeitsspektrum der JGH mittlerweile differenziert, auch wenn Angebote der U-Haftvermeidung, Haftbesuche, Initiierung und Durchführung sozialpädagogischer Jugendhilfeleistungen, ein vernetztes Handeln sowie Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit noch nicht überall selbstverständlich sind. Hierbei zeigen sich deutliche regionale Handlungsmuster sowie Unterschiede insbesondere im Hinblick auf den Grad der Spezialisierung.

In welcher organisatorischen Form die Jugendgerichtshilfeaufgaben von den Landkreisen und kreisfreien Städte als zuständige Träger der Jugendhilfe (§ 69 Abs. 1 SGB VIII) wahrgenommen werden, entscheiden die Kommunen aufgrund ihrer Organisationshoheit. Freilich haben sie hier nicht nur finanzielle und allgemeinverwaltungsorganisatorische Aspekte, sondern vor allem zu berücksichtigen, in welcher Weise die gesetzlichen Jugendhilfeaufgaben am besten verwirklicht werden. Ganz überwiegend wird die JGH derzeit von spezialisierten Fachdiensten und -kräften in zentralen Dienststellen erbracht. Freilich zeigt die Auswertung der aktuellen bundesweiten Befragung von Mitarbeitern der Jugendhilfe (vgl. Trenczek 2002) entgegen bislang gepflegter Vermutungen, dass die spezialisierten JGH-Fachkräfte ihr professionelles Handeln mehr als ihre Kollegen aus dem ASD von jugendhilfeorientierten Aspekten leiten lassen, während letztere sich häufiger an strafrechtlich-justiziellen Kriterien orientieren. So ist bei den ASD-Mitarbeitern der Anteil der spezifischen, der Betreuung von straffälligen Jugendlichen dienenden Hilfeangebote und Unterstützungsleistungen deutlich niedriger als bei ihren spezialisiert arbeitenden Kollegen.

Wenn veränderte Lebensbedingungen eine veränderte Jugendhilfe erfordern, müssen sich auch die Organisationsformen der JGH an diesen inhaltlichen Kriterien ausrichten. Jugendgerichtshilfe hat sich so zu organisieren, dass sie ihre Klientel auch erreicht ohne ihre spezifische Fachlichkeit verlieren. Optimal erscheint deshalb eine stadtteil-/bezirksorientierte Organisation der Jugendhilfe bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung (zumindest teil-)spezialisierter, fachkompetenter Aufgabenwahrnehmung. Diese ist vor allem aufgrund der Notwendigkeit spezifischer rechtlicher und kriminologischer Qualifikationen (insb. zur Kompensation der vielfach vorfindlichen, einer interventionistischen Erziehungsideologie verhafteten Alltagstheorien) und den erhöhten methodischen und kommunikativen Anforderungen im Kooperationsfeld vor allem mit Polizei und Justiz erforderlich. So sollten in dezentralen Jugendhilfestationen einige Mitarbeiter/innen ausschließlich oder spezialisiert für die JGH-Aufgaben zuständig, gleichzeitig aber in ein Jugendhilfe-Fachteam inhaltlich wie personell (Vertretung; gemeinsame Fall- und Dienstbesprechungen) integriert sein. Regionalisierung erfordert ein inhaltliches Zusammenwirken von JGH-Spezialisten mit den regionalen ASD-Mitarbeitern. Erforderlich ist zudem eine Entbürokratisierung der Hilfeangebote und dabei eine erhöhte Flexibilität der Mitarbeiter der JGH. Nicht nur im Rahmen der immer noch nicht überall vorgehaltenen Kriseninterventions- und Haftvermeidungsarbeit ist es z.B. unverzichtbar, dass die JGH auch außerhalb der üblichen Bürozeiten als Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Bislang sind die sozialpädagogischen Betreuungsleistungen im Rahmen der JGH noch weit unterentwickelt. Dies gilt auch im Hinblick auf ein frühzeitiges Intervenieren und Anbieten von Jugendhilfeleistungen, gerade auch, um eine informelle Verfahrenserledigung zu fördern (§ 52 Abs. 2 SGB VIII). Die Mitarbeiter der Jugendämter richten ihre JGH-Tätigkeit ungeachtet individueller Ausnahmen in ihrer großen Mehrheit noch sehr traditionell auf das gerichtliche Hauptverfahren aus. Eine dem sozialanwaltlichen Funktionsauftrag des SGB VIII entsprechende JGH/Jugendhilfe muss deutlich andere Schwerpunkte setzten. Dabei muss selbstverständlich berücksichtigt werden, dass es die Praxis vor Ort durchaus mit unterschiedlichen Zielgruppen und Problemlagen zu tun hat. Aber auch insoweit gilt es, die konzeptionelle Grundlagen einer modernen, am SGB VIII ausgerichteten JGH einzulösen. Es ist deshalb äußerst kritisch zu bewerten, wenn sich Mitarbeiter der Jugendämter vor allem um die jugendtypische/Bagatellkriminalität an sich sozial durchaus integrierter junger Menschen kümmern und die Betreuung gerade der mehrfach auffälligen, sozial von Ausgrenzung und Benachteiligung bedrohten Jugendlichen und Heranwachsenden (von junge Volljährigen ganz zu schweigen) vernachlässigt wird.

Die JGH agiert in einem Spannungsfeld, in dem wesensmäßig verschiedene Diskurse mit je eigenen Logiken und differenten Konsequenzen aufeinandertreffen. Die JGH kann der Gefahr, sich in das "Souterrain der Justiz" (Müller/ Otto 1986) abdrängen zu lassen oder gar lediglich als "Appendix des Kriminaljustizsystems" (Bettmer 1991, 34) zu fungieren nur entgehen, wenn sie sich auf ihre Fachlichkeit und Eigenständigkeit als Teil der Jugendhilfe besinnt. Aufgrund der Ergebnisse der bundesweiten JGH-Befragung kommt man aber - ungeachtet mehrerer Ausnahmen von der Regel - nicht umhin festzustellen, dass die Mitarbeiter der Jugendämter im Hinblick auf die JGH dem konzeptionellen und im SGB VIII gesetzlich normierten Leitbild häufig hinterherlaufen, in Teilen dieses noch nicht einmal wahrgenommen haben. Freilich zeigen die zum Teil sehr deutlichen Unterschiede sowohl zwischen den Regionen, zwischen Stadt und Land aber auch zwischen unterschiedlich stark spezialisierten Mitarbeitern, welche Entwicklungspotentiale in der Praxis vorhanden sind. Soll der jugendhilfrechtliche Handlungsauftrag Ernst genommen werden, dann sind hier eine veränderte Prioritätensetzung und die Entwicklung eines professionellen Selbstbewusstseins einzufordern. Diese besondere Fachlichkeit ist im Rahmen der Organisation und (neuen) Steuerung der Jugendhilfe sicherzustellen und von der jugendstrafrechtlichen Praxis sowie im Rahmen der Neuordnung des Jugendstrafrechts zu respektieren.

Der Blick auf die Praxis und ihre Bewertung bleiben ambivalent. Die JGH ist im Umbruch, die alte ist "out", die Zukunft der Mitwirkung der Jugendhilfe im strafgerichtlichen Verfahren ist noch ungewiss.

4. Anmerkungen

(1) Vgl. die deutliche Regierungsbegründung zum Entwurf des KJHG, BT-Drs. 11/5948, 89: "Die Tätigkeit der Jugendgerichtshilfe ist bisher nur durch den Verweis auf die Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes geregelt (§ 4 Abs. 4 JWG). Diese systematische Zuordnung zum Jugendgerichtsgesetz hat den Eindruck verstärkt, die Jugendgerichtshilfe sei - wie etwa die Bewährungshilfe - an Weisungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts gebunden. Ihre Einbindung in das Jugendamt und in die kommunale Selbstverwaltung ist dabei nicht immer ausreichend zur Kenntnis genommen worden. Der Durchgriff auf die Institution "Jugendgerichtshilfe" ... hat überdies die Vorstellung gestärkt, diese Institution habe eigenständige, von den sonstigen Abteilungen des Jugendamtes losgelöste Befugnisse. Durch die Neuregelung soll die Einbindung dieser Aufgaben in den Verantwortungsbereich des Jugendamtes stärker betont werden."

(2) Traditionell beschränkt sich die JGH auf die Betreuung von jugendlichen (14-17 Jahre alten) und heranwachsenden (18-20 Jahre alten) Beschuldigten. Dies entspricht zwar der gesetzlichen Definition des JGG und dessen persönlichen Anwendungsbereich (§§ 1 Abs. 2, 105 JGG), nicht aber dem Betreuungsauftrag des SGB VIII. Hier ist ausdrücklich von dem Leistungs- und Betreuungsangebot an junge Volljährige, also an noch nicht 27 Jahre alte junge Menschen die Rede (vgl. § 52 Abs. 2 u. 3 SGB VIII). Nur soweit § 52 Abs. 1 SGB VIII im Hinblick auf die verfahrensbezogene Stellung auf § 38 JGG verweist, ist eine Beschränkung auf die Heranwachsenden zulässig. Allerdings darf darüber nicht vergessen werden, dass die Jugendhilfe ihre Leistungen unabhängig vom strafrechtlichen Verfahren anzubieten und deshalb auch ältere junge Menschen zu betreuen hat (§ 41 SGB VIII).

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6. Autor

Thomas Trenczek, Prof. Dr.iur., Studium der Rechtswissenschaften und der Erziehungswissenschaften/ Sozialpädagogik in Tübingen und Minneapolis/USA.; 1. u. 2. jurist. Staatsexamen; M.A. sozwiss.; Praxiserfahrungen im Kreis- und Landesjugendamt; wiss. Mitarbeiter an kriminologischen Forschungsinstituten (Univ. Tübingen; KFN Hannover); Mediationsausbildung in USA und Australien, akkreditierter Mediator; 1989-1991 Geschäftsführer der Deutschen Jugendgerichtsvereinigung (DVJJ); seit 1996 Hochschullehrer an der FH Jena (Jugend- und Strafrecht, Sozialverwaltungsrecht; Kriminologie; Mediation); Verfasser zahlreicher Beiträge insbesondere zum Jugendhilfe- und Jugendstrafrecht; Mitkommentator des Frankfurter Kommentars zum SGB VIII (4. Auflage).

7. Adresse

Prof. Dr. jur. Thomas Trenczek, M.A.
Steinberg Mediationsinstitut Hannover (SIMK)
Steinbergstr. 4
30559 Hannover
Homepage: http://www.steinberg-mediation-hannover.de

8. Quelle

Der nachfolgende Text stellt eine gekürzte Zusammenstellung vom Verfasser veröffentlichter Beiträge zur Mitwirkung der Jugendhilfe im Strafverfahren (JGH) dar; vgl. insb. Trenczek 1993; ders. 2002; Münder u.a. § 52. Auf diese Beiträge wird auch im Hinblick auf die entsprechenden Quellenhinweise verwiesen. Eingestellt am 13.11.2002, überprüft im März 2015